Bundesverfassungsgericht setzt Grenzen für Zwangsbehandlung in Psychiatrie
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat für die Zwangsbehandlung von in der Psychiatrie untergebrachten Menschen Grenzen gesetzt.
In einem am Freitag veröffentlichten Beschluss gaben die Richter einem Mann teilweise Recht, der gegen seinen schriftlich erklärten Willen in Bayern mit Neuroleptika wegen einer Schizophrenie behandelt wurde.
Solch eine Zwangsbehandlung kann auch nach Auffassung der Karlsruher Richter angemessen sein, die vorherigen Gerichte hätten sie dann aber umfassender und weitgehender prüfen müssen. (Az.: 2BvR 1866/17 und 2 BvR 1314/18).
Patientenverfügung hinterlegt
Der Kläger befindet sich seit Oktober 2015 in einem Bezirkskrankenhaus, nach einer zunächst einstweiligen Unterbringung ist er dort mittlerweile dauerhaft untergebracht. 2005 hatte er schriftlich eine Art Patientenverfügung hinterlegt, Anfang 2015 untersagte er noch vor seiner Unterbringung ergänzend die Gabe von Neuroleptika gegen seinen Willen und setzte außerdem seine Mutter als Bevollmächtigte ein.
Das Bezirkskrankenhaus beantragte im September 2016 dennoch die Zwangsbehandlung mit Neuroleptika wegen einer Schizophrenie vom paranoid-halluzinatorischen Typ. Die Behandlung sei notwendig, da ansonsten dauerhafte Hirnschäden drohten, hieß es in der Begründung. Das Landgericht erteilte dafür die Erlaubnis, 2017 wurde auch Erlaubnis zur Verlängerung der Medikamentengabe erteilt.
Rechtsverstoß gegen Grundrecht auf körperliche Integrität
Das Bundesverfassungsgericht wertet die Gabe der Neuroleptika als einen Verstoß gegen das Grundrecht auf körperliche Integrität. Gleichzeitig stellten die Karlsruher Richter aber auch fest, dass solch ein Grundrechtseingriff gerechtfertigt sein könne. Dies könne etwa dann sein, wenn Mitarbeiter oder andere Patienten im Maßregelvollzug nicht vor dem Betroffenen geschützt werden können – deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit könne eine Zwangsbehandlung rechtfertigen.
Auf diese womöglich drohende Gefahr für Dritte gingen die vorherigen Gerichte aber nicht ein. Als weitere Voraussetzungen für die Zwangsbehandlung erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass diese als letztes Mittel nur angewandt werden dürfe, wenn mildere Mittel nicht in Betracht kommen.
Karlsruhe hob Gerichtsentscheidungen der Landes- und Oberlandesgerichte auf
Außerdem sei erforderlich, dass der Betroffene nicht einsichtsfähig sei oder sich nicht einsichtsgemäß verhalten könne und dass ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, ohne Druck seine Zustimmung zu erlangen. Darüber hinaus sei erforderlich, dass die Zwangsbehandlung Erfolg verspricht und der Nutzen den möglichen Schaden deutlich überwiegt.
Das Bundesverfassungsgericht hob damit Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth und des Oberlandesgerichts Nürnberg sowie des Landgerichts Regensburg auf, das Landgericht Regensburg muss die Sachverhalte nun neu verhandeln. (afp)
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