Bundestagswahl: Parteien bieten kaum Antworten auf drängende Fragen
In einem offenen Brief an die Altparteien fordern namhafte Wissenschaftler, Ärzte und Unternehmer, die Corona-Krise als Thema im Wahlkampf aufzugreifen. Die Bewältigung der Krise sei eine der wichtigeren Aufgaben der neuen Bundesregierung und Prüfstein für die Wahl.
Corona war für die meisten Bürger ein tiefer Einschnitt in ihrem Leben, schreiben die Unterzeichner. Sei März 2020 wurde das öffentliche Leben durch eine Vielzahl von Einschränkungen geprägt. Viele Einrichtungen blieben über Wochen geschlossen, die sozialen, seelischen und wirtschaftlichen Folgen wiegen deshalb schwer.
Die Verfasser des offenen Briefes an die Altparteien erwarten Antworten auf drängende Fragen der Corona-Politik:
Expertenrat: Welche konkreten Maßnahmen plant Ihre Partei, dass die künftige Corona-Politik begleitet wird durch einen Expertenrat, der sich aus allen betroffenen Disziplinen zusammensetzt: Expertinnen und Experten aus Medizin, Statistik, Virologie und Epidemiologie, aber auch Soziologie, Verhaltenspsychologie, Pädagogik, Kultur, Ökonomie, Politologie sowie Juristinnen und Juristen?
Politik nach Inzidenzen: Welche konkreten Vorschläge hat Ihre Partei für Messwerte zur Beurteilung der Infektionsgefahren, die an die Stelle der starren „7-Tage-Inzidenzen“ treten? Wie können neue Bezugsgrößen konkret lauten?
Entschädigung: Welches Konzept hat Ihre Partei für eine gerechte und transparente Verteilung der finanziellen Lasten der Pandemie? Wie lässt sich ein dauerhafter Ausgleich schaffen zwischen Bürgern, die schwere finanzielle Einbußen hinnehmen mussten, und Unternehmen, Beamten und Angestellten, die ein ungeschmälertes Einkommen hatten oder sogar wirtschaftlich von der Corona-Krise profitieren?
Wahlkampf weitestgehend inhaltslos
Werner Patzelt, emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der TU Dresden, äußerte in einem Interview mit „RT Deutsch“ ähnliche Kritik: „Bislang gab es tatsächlich wenig Inhalte“. Die Parteien hätten sich von vielen strittigen Themen ferngehalten.
Auf viele Fragen, die die Menschen brennend interessiere, habe die politische Klasse keine Antworten. Die wackelige politische Stimmung würde den Trend zur Inhaltslosigkeit verstärken, da die Parteien keine falschen Argumentationszüge machen wollten.
Zu beobachten sei stattdessen, so Patzelt weiter, dass die Spitzenkräfte der Parteien im Vordergrund stehen. Die Personifizierung der Wahlen habe auch negative Konsequenzen für die Parteien. Als Beispiel der lachende Kanzlerkandidat Armin Laschet während der Rede des Bundespräsidenten zu den Flutopfern.
Damit einhergehend beobachte der Politologe Patzelt auch eine politische Infantilisierung. Es fehle an echter Auseinandersetzung mit politischen Themen. Die meisten Menschen würden in ihrer Meinungsblase verbleiben; ein rationales Abwägen der Argumente fände kaum mehr statt.
Helfen würde, so der Experte, wenn Menschen, die in den Medien präsent sind oder die Medienlandschaft mitgestalten, die sachliche Diskussion angemessen vorleben und von Moralisierung und Stigmatisierung im politischen Diskurs Abstand nehmen. Täten dies viele einzelne Akteure, könnte nach einigen Jahren durchaus eine Verbesserung der politischen Kultur eintreten, so der Experte im Interview.
Dennoch sei er guter Hoffnung, dass sich in dieser Richtung bis zum Wahltag am 26. September noch etwas bewegen würde. (nw)
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