Bundestag stimmt für „Katalog voller Grausamkeiten“ – Berliner Justizsenator will Abschiebegesetze stoppen
Es ist durch, aber noch nicht ganz – das Abschiebegesetz. Der Bundestag stimmte dem von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgelegten Gesetzentwurf mit einer Mehrheit der Unions- und SPD-Abgeordneten am Freitag zu. Gleichzeitig kündigten Justizsenator Dirk Behrendt und weitere Justizminister ihren Einspruch an. Sie wollen das Gesetz an den Vermittlungsausschuss des Bundesrates verweisen.
Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, bei Pro-Asyl auch „Hau-ab-Gesetz“ bezeichnet, sorgte für eine heiße Bundestagsdebatte, so „Spiegel-online“. Grüne und Linke wollten es von der Tagesordnung streichen, scheiterten aber mit ihrem Versuch. 22 Organisationen hatten das Migrationspaket zuvor in einem offenen Brief an die Bundesregierung kritisiert, unter ihnen die Diakonie, Amnesty International, Pro Asyl und das Deutsche Kinderhilfswerk.
„Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, werden Zehntausende in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebung in einem Zustand der Perspektivlosigkeit leben“, hieß es laut „Spiegel-online“ in dem Brief.
Als „verfassungsrechtlich höchst bedenklich und menschenunwürdig“, bezeichnete der SPD-Politiker Aziz Bozkurt das Maßnahmenpaket. Er stellte sich hinter die Organisationen. Bozkurt:
Die Schweinereien in diesem Gesetz sind nah am Niveau des sogenannten Asylkompromisses von 1992, wo sich die SPD auch hat von Rechten treiben lassen. Das darf sich nicht wiederholen.“
Der SPD-Mann sieht die Aufgabe der Sozialdemokratie im „Bekämpfen der menschenfeindlichen Politik der Rechten und nicht das Kopieren dessen“.
Filiz Polat (Grüne) nannte es einen „schwarzen Tag für die Demokratie“. Das Gesetz müsse „grundlegend überarbeitet werden.“ Darin waren sich die Grünen-Justizminister Dirk Behrendt (Berlin), Till Steffen (Hamburg) und Dieter Lauinger (Thüringen) laut „ZDF“ einig. Sie wollen, dass der Vermittlungsausschuss sich damit befasst.
Umstritten: Haft wegen Fluchtgefahr
Ihre Kritik gilt der gesetzlich vorgesehenen Abschiebehaft. Demnach sollen zukünftige Asylbewerber, denen eine Abschiebung bevorsteht, auch in regulären Haftanstalten untergebracht werden. Dass ausreisepflichtige Familien mit Kindern gemeinsam mit Straftätern im selben Gefängnis untergebracht würden, gehe den Grünen-Politikern zu weit.
„Die Unterbringung von Abschiebungs- und Strafgefangenen in derselben Justizvollzugsanstalt bedeutet, sich vom Trennungsgebot zu verabschieden“, kritisierten Behrendt und seine Amtskollegen laut „Berliner Morgenpost“ .
Die „Fluchtgefahr“, die diese Maßnahme rechtfertigen solle, würde „übermäßig ausgedehnt“.
Ulla Jelpke (Die Linke) nannte es laut Protokoll des Bundestages einen „beispiellosen Angriff auf die Schutzrechte der betroffenen Flüchtlinge“. Das Gesetzespaket der Regierungskoalition sei „voller Schäbigkeiten“. Dass Asylbewerber wie Strafgegangene behandelt würden, sei europarechtswidrig. Auch die Einführung einer „Duldung zweiter Klasse“ sei ein Skandal. „Dieses Hau-ab-Gesetz“ sei ein „Katalog der Grausamkeiten, der nur so strotzt vor Menschenverachtung“.
Linda Teutenberg (FDP) sprach von einem „ungelösten Kompetenzchaos zwischen Bund und Ländern“ und warf der Regierungskoalition „Flickschusterei“ vor.
Dr. Bernd Baumann (AfD) kritisiert das Gesetz als einen „Katalog hohler Ankündigungen“. Es würde die Wiedereinreisesperren für Intensivtäter versprechen, doch eine Kontrolle an offenen Grenzen bliebe aus. Wer Migranten vor einer Abschiebung warne, würde nach dem Gesetz bestraft werden. Das Gesetz für eine „angeblich geordnete Rückkehr“ sei eine „Doppellüge: Es schafft weder Ordnung noch Rückkehr“.
Dr. Eva Högl (SPD) verwies darauf, dass in Deutschland von rund 240.000 vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen 180.000 geduldet seien. Ihre Abschiebung sei ausgesetzt. Die Abschiebehaft wäre allerdings für ihre Partei immer nur das „allerletzte Mittel“.
Thorsten Frei (CDU/CSU) forderte „mehr Härte“ in Bezug auf Menschen, die nicht schutzbedürftig und nicht bleibeberechtigt sind, sondern außer Landes müssen. Dies fange bei der Einreise nach Deutschland an. Menschen, die in anderen europäischen Staaten bereits einen Asylantrag gestellt haben oder sogar bereits einen Schutzstatus hatten, könnten gesenkte Leistungen zugemutet werden.
CDU-Fraktionschef Burkard Degger betonte:
Die Forderung von Justizsenator Behrendt, das Gesetz in den Rechtsausschuss des Bundesrats zu überweisen, ist der Versuch, sich weiterhin der Durchsetzung der Ausreisepflicht zu entziehen. Vielmehr ist die Koalition nun aufgefordert, Abschiebungen zu veranlassen und umzusetzen.“
Sozialsenatorin erschwert Abschiebungen
Mit dieser nun verabschiedeten, aber umstrittenen rechtlichen Grundlage hat der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) die erhoffte rechtliche Klarheit noch immer nicht. Zuvor hatte ihm eine Empfehlung der Berlin Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) die Abschiebung erschwert. Den Heimbetreibern von Flüchtlingsunterkünften war durch Breitenbachs Juristen empfohlen worden, Polizisten nur bei Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses für Abschiebungszwecke einzulassen.
Doch damit betreibe Breitenbach „Pippi-Langstrumpf-Politik“, sagte der Leiter einer großen Unterkunft gegenüber der „Berliner Morgenpost“. Ohne Berücksichtigung der Rechtslage und Realität würde sich die Politikerin die Welt machen, wie sie ihr gefalle. Eine andere Einrichtung ließ verlauten, dass diese wohl kaum den Polizisten den Zutritt verwehren werde.
Geisel sah diesen Schritt der Senatorin als einen Eingriff in seinen Kompetenzbereich, da ein Durchsuchungsbeschluss für den Vollzug von Abschiebungen nicht nötig ist, so die „Berliner Morgenpost“. Allerdings wollte Geisel auch nicht, dass die unterschiedlichen Rechtsauffassungen auf dem Rücken der Polizisten ausgetragen werden. Daher wies er die Polizisten an, die Flüchtlingsheime für Abschiebungen nur mit Einverständnis der Heimleiter zu betreten.
Nach der neuen Gesetzesänderung darf die Polizei jedoch „die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zum Zweck seiner Ergreifung betreten“, und zwar ohne Durchsuchungsbeschluss. Dem kann Sozialverwaltungs-Sprecherin Regina Kneiding jedoch nicht folgen: „Das Gesetz ist an dieser Stelle nicht so eindeutig“. Und insoweit ist jetzt auch das Verfahren im Bundesrat abzuwarten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Freitag jedenfalls im Bundestag betont.
„Menschen ohne Bleiberecht müssen unser Land verlassen. Einer Pflicht zur Ausreise muss auch eine tatsächliche Ausreise folgen.“
EU-Innenminister stimmen für „Abschiebehaft“
In der EU hingegen haben sich die EU-Innenminister laut „afp“ am Freitag in Luxemburg für schärfere Abschieberegeln ausgesprochen. Aufgrund fehlender Dokumente oder unklarer Nationalität würden die Abschiebungen regelmäßig behindert oder in die Länge gezogen. Manchmal fehle auch das Einverständnis des Herkunftslandes für die Rückführung.
So wollen die EU-Innenminister eine Abschiebehaft laut „afp“ von maximal sechs – in Sonderfällen bis insgesamt 18 Monate – festlegen, wenn beispielsweise Fluchtgefahr bestünde. Für Minderjährige oder Familien solle diese Verfahrensweise nur im „äußersten Fall“ angewendet werden.
Die Zustimmung durch das Europaparlament steht noch aus. Erste Gespräche werden im Herbst erwartet. (sua)
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