Bundestag ruft „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aus – Infektionsschutzgesetz erweitert Kompetenzen des Bundes
Der Bund bekommt mehr Kompetenzen im Kampf gegen das Coronavirus: Der Bundestag hat am 25. März ein Gesetz beschlossen, mit dem eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ausgerufen wurde. Dadurch wird das Bundesgesundheitsministerium ermächtigt, ohne die sonst nötige Zustimmung des Bundesrats Maßnahmen zur Grundversorgung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Hilfsmitteln und Schutzausrüstung zu treffen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) kann bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Zusammenarbeit zwischen den Ländern, dem Bund sowie weiteren Behörden koordinieren. Das Bundesgesundheitsministerium wird mit dem Gesetz außerdem zu Kontrollen des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs ermächtigt werden. Zudem können wegen der Corona-Krise Krankenhäuser mit beschleunigten Genehmigungsverfahren errichtet werden.
Anspruch auf Entschädigungszahlungen für Eltern
Nach behördlich angeordneten Kita- oder Schulschließungen besteht für Eltern nunmehr Anspruch auf staatliche Entschädigungszahlungen. Diese sind in Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz geregelt.
Kliniken erhalten für jedes Bett, das sie wegen der Corona-Pandemie vom 16. März bis zum 30. September 2020 freihalten, eine Pauschale in Höhe von 560 Euro pro Tag.
Die Krankenhäuser bekommen zudem einen Bonus in Höhe von 50.000 Euro für jedes Intensivbett, das sie zusätzlich schaffen. Für Mehrkosten, insbesondere bei persönlichen Schutzausrüstungen, erhalten die Kliniken vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 einen Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro, der bei Bedarf verlängert und erhöht werden kann.
Krankenhäuser erhalten außerdem einen finanziellen Ausgleich für verschobene planbare Operationen und Behandlungen, um Kapazitäten für die Behandlung von Patienten mit einer Coronavirus-Infektion frei zu halten.
Finanzielle Hilfen gibt es auch für die niedergelassenen Ärzte – und zwar dann, wenn Patienten wegen der Corona-Pandemie lieber zu Hause bleiben und eine Behandlung aufschieben. Studenten, die im Kampf gegen das Coronavirus eine Tätigkeit aufnehmen und Lohn bekommen, wird dafür nicht das Bafög gekürzt.
Massive Eingriffe in Grundrechte
Eine Veränderung des Infektionsschutzgesetzes könnte nun weitreichende Folgen nach sich ziehen:
Mit dem vorliegenden Gesetz sind Maßnahmen möglich, die das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit einschränken“, heißt es auf Seite 23 des Gesetzentwurfes.
Paragraf 28 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz wird nun wie folgt gefasst werden:
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Die Behörde kann demnach insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in Paragraf 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden.
Mit der Vorschrift können die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden.
Überwachung von Einreisenden
Das Bundesgesundheitsministerium soll laut Seite 6 des Gesetzentwurfes unter anderem unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt werden,
durch Anordnung Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und die wahrscheinlich einem erhöhten Infektionsrisiko für bestimmte bedrohliche übertragbare Krankheiten ausgesetzt waren, insbesondere weil sie aus Gebieten einreisen, die das Robert-Koch-Institut als gefährdet eingestuft hat, ausschließlich zur Feststellung und Verhinderung einer Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit zu verpflichten,
- ihre Identität, Reiseroute und Kontaktdaten gegenüber der zuständigen Behörde bekannt zu geben,
- eine Impf- oder Prophylaxebescheinigung hinsichtlich der bedrohlichen übertragbaren Krankheit vorzulegen,
- gegenüber der zuständigen Behörde Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben,
- ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der bedrohlichen übertragbaren Krankheit vorhanden sind,
- sich ärztlich untersuchen zu lassen.
Manuela Rottmann (Bündnis 90/Grüne) kritisierte während der Bundestagsdebatte, dass es nicht verständlich sei, dass der Bundesrat bei einem derartigen tiefen Eingriff in die Grundrechte durch das Infektionsschutzgesetz beteiligt wurde.
Die Vorschläge der AfD zur Unterstützung von Selbständigen, Absicherung von Menschen mit Behinderung und Obdachlosen sowie ein Maßnahme-Paket der Linken wurden abgelehnt. (afp/sua)
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