Bundestag beschließt Abzug der Bundeswehr aus Incirlik
Weil Bundestagsabgeordnete die deutschen Soldaten im türkischen Incirlik nicht besuchen dürfen, zieht die Bundeswehr nach Jordanien um. Eigentlich ist das ungewöhnliche Manöver schon längst beschlossene Sache.
Die Bundesregierung hat sich nach einem letzten gescheiterten Einigungsversuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Ankara vor zwei Wochen dafür entschieden. Trotzdem stimmt der Bundestag heute darüber ab – auch wenn das eigentlich gar nicht mehr nötig ist.
Warum könnte die Regierung auch allein entscheiden?
Der Bundestag hat für den Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) Ende vergangenen Jahres ein Mandat beschlossen, das weiterhin gilt. Eine Änderung ist nicht notwendig, weil der Stationierungsort in dem Mandatstext nicht vorkommt. Über die Verlegung von sechs „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen, einem Tankflug und rund 260 Soldaten kann daher Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit Zustimmung des Kabinetts selbst entscheiden.
Warum ist ein Bundestagsbeschluss politisch so wichtig?
Im Incirlik-Streit geht es im Kern um die Tatsache, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Monatelang hat die Bundesregierung der Türkei gegenüber argumentiert, dass der Bundestag über jeden bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr entscheidet und die Abgeordneten deshalb auch die Möglichkeit haben müssen, die Soldaten zu besuchen. Wenn das Parlament jetzt stillhalten würde, wäre diese Argumentation ad absurdum geführt.
Gibt es im Parlament Einvernehmen?
Die Koalitionsfraktionen und die Grünen sind für einen Abzug. Die Linke auch – sie geht aber noch einen Schritt weiter und würde den Einsatz der Bundeswehr am liebsten ganz beenden.
Stimmen die Fraktionen denn geschlossen ab?
Das ist unklar. Linke und Grüne haben schon vor mehreren Wochen einen Antrag zum Bundeswehr-Abzug aus Incirlik formuliert, der am Mittwoch im Plenum zur Abstimmung steht. Die Koalition hat inzwischen einen eigenen Antrag zur Unterstützung der Kabinettsentscheidung vorgelegt. Möglicherweise wird am Mittwoch also über zwei Anträge abgestimmt, die im Kern das gleiche beinhalten. Zumindest der Koalitionsantrag hat eine Mehrheit sicher.
Wann kann der Umzug beginnen?
Bis Ende Juni sind die Bundeswehr-Flugzeuge von der Anti-IS-Allianz verplant. Dann zieht zunächst das Tankflugzeug um. Das dauert zwei bis drei Wochen, so dass der Tanker ab der zweiten Juli-Hälfte von Al-Asrak aus in Einsätze starten kann. Der Umzug der „Tornados“ dauert zwei Monate und soll im August und September über die Bühne gehen. Spätestens Anfang Oktober hat die Bundeswehr den Stützpunkt Incirlik dann geräumt und ist von Jordanien aus voll einsatzfähig.
Warum dauert der Umzug der „Tornados“ so lange?
Insgesamt muss die Bundeswehr 200 Container von Incirlik nach Al-Asrak schaffen – mit dem Flugzeug, per Schiff und auf Lastwagen. Die größte Herausforderung für die Logistiker ist es, das Herzstück des Einsatzes nach Jordanien zu bringen. Dabei handelt es sich um die Bodenstation, in der die Bilder der „Tornado“-Aufklärer ausgewertet werden. Deren Abbau, Transport und Wiederaufbau dauert zwei Monate.
Hat die Bundeswehr auch in Al-Asrak Verbündete, obwohl es anders als die Türkei kein Nato-Gebiet ist?
Ja. Schon jetzt wird der Stützpunkt auch für den Kampf gegen den IS genutzt. Wie in Incirlik ist auch in Al-Asrak die US-Luftwaffe stationiert. Das ist wichtig für die Versorgung der Bundeswehrtruppe zum Beispiel mit Treibstoff für die Flugzeuge.
Was bedeutet der Umzug für die Einsatzbedingungen?
Sie verschlechtern sich. Die Versorgungssituation ist trotz der US-Präsenz nicht ganz so gut wie in Incirlik. Außerdem ist die Lage weniger günstig. Um nach Incirlik zu kommen, müssen die Bundeswehr-Flieger ausschließlich Nato-Gebiet überqueren. Auf dem Weg nach Jordanien müssen sie über Länder fliegen, die nicht zum Bündnisgebiet gehören. Das Einsatzgebiet – Syrien und der Irak – ist von Jordanien jedoch ähnlich gut zu erreichen wie von Incirlik aus.
Sind künftig gar keine deutschen Soldaten mehr in der Türkei?
Doch. 20 bis 30 Soldaten beteiligen sich von Konya aus an den Nato-Aufklärungsflügen mit „Awacs“-Maschinen.
Warum werden die nicht auch abgezogen?
Da es sich um einen Nato-Stützpunkt handelt, hat die Türkei für Konya eine Besuchserlaubnis für Bundestagsabgeordnete erteilt. Für den 17. Juli ist eine Reise der Obleute des Verteidigungsausschusses geplant.
Ist sichergestellt, dass die Abgeordneten die Soldaten in Jordanien besuchen dürfen?
Das dürfte Verteidigungsministerin von der Leyen bei ihren Vorgesprächen in Jordanien geklärt haben. Der Linke-Abgeordnete Alexander Neu will trotzdem so früh wie möglich die Probe aufs Exempel machen. Er hat bereits einen Besuch in Al-Asrak beantragt. (dpa)
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