Bundesregierung sieht trotz Seehofers Brexit-Brief „keinen Dissens“ mit Innenminister
Nach dem Brexit-Brief von Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Bundesregierung ihre Geschlossenheit in der Frage der britischen EU-Austrittsverhandlungen betont. „Es gibt keinen Dissens“ zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem Innenminister, sagte Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz am Montag. Zuvor war bekannt geworden, dass sich die Ständige EU-Vertretung Deutschlands von Seehofer distanziert und sein Brexit-Schreiben als nicht in der Bundesregierung abgestimmt kritisiert hatte.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte: „Es war nicht die Absicht, irgendwelche Irritationen zu verursachen.“ Seehofer habe „in keiner Weise die Leitlinien der Kommission in Frage stellen“ wollen, fügte er mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen hinzu. Der Minister sei auch für Sicherheitsfragen zuständig und habe in dieser Funktion die EU-Kommission angeschrieben.
Vize-Regierungssprecherin Fietz sagte, Seehofers Brief drücke die Besorgnis aus, dass sich die Sicherheitslage nach dem Brexit nicht verschlechtern dürfe. Die Intention des Briefs decke sich „voll und ganz mit der Linie der Bundesregierung“, sagte sie.
Seehofer hatte die EU-Kommission aufgefordert, in den Brexit-Verhandlungen Flexibilität walten zu lassen. Deren Ziel müsse unter anderem eine „uneingeschränkte Sicherheitszusammenarbeit“ mit London auch nach Großbritanniens EU-Austritt sein.
Seehofers vom 27. Juni stammendes Schreiben wird in Brüssel vor allem deshalb als ärgerlich gewertet, weil es den britischen Versuch zu unterstützen scheint, mit dem Verweis auf Sicherheitsinteressen die Einigkeit in der EU in den Brexit-Verhandlungen zu untergraben.
Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte bereits am Freitag erklärt, das sei „nicht die Position des Europäischen Rates einschließlich Deutschlands“. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete dann am Montag aus einem Brief des Leiters der politischen Abteilung der deutschen EU-Vertretung, Thomas Eckert, an das Büro des EU-Kommissars für Inneres, Dimitris Avramopoulos. Darin betonte Eckert, Seehofer habe nicht die Haltung der Bundesregierung wiedergegeben.
„Ich möchte klarstellen, dass es sich hierbei um ein in der Bundesregierung nicht abgestimmtes Schreiben handelt“, zitierte die „SZ“ aus dem Brief Eckerts. Teile von Seehofers Brief befänden sich in Widerspruch zu Beschlüssen des Europäischen Rates und der „in dieser Folge abgestimmten Position der Bundesregierung“.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien hatten im März betont, dass beim Datenaustausch das bisherige Schutzniveau innerhalb der EU gesichert sein müsse. Ob dies zu gewährleisten ist, wenn Großbritannien nach einem Austritt nicht mehr der europäischen Rechtsprechung unterliegt, gilt als zweifelhaft.
Die Grünen kritisierten Seehofers Vorgehen scharf. Der CSU-Chef verfolge einen „rechtspopulistischen Kurs der Spaltung“ in Deutschland und Europa, sagte Parteichefin Annalena Baerbock am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Den Briten vollen Zugang zu den Datenbanken der EU einzuräumen, etwa zum Schengen-Informationssystem, zu EU-Fluggastdaten und zum Strafregister-Informationssystem Ecris, ohne dass sie sich weiter zu den europäischen Grundrechten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bekennen, untergrabe den Rechtsstaat. (afp)
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