Bundesregierung hat keine Kenntnis von Kosten des Bürgergeldes – Minister Heil planlos für 2025

Die Bundesregierung plant, die Kosten für das Bürgergeld im kommenden Jahr zu senken, kann jedoch keine konkreten Angaben zu den erwarteten Ausgaben oder Empfängerzahlen machen. Opposition und Experten kritisieren diese Intransparenz und werfen Arbeitsminister Hubertus Heil Kontrollverlust und unrealistische Annahmen vor.
Peilt höheren Mindestlohn an: Hubertus Heil
Hat Hubertus Heil den Überblick über das Bürgergeld verloren? Das behauptet zumindest die Opposition.Foto: Hannes P. Albert/dpa
Von 17. November 2024

Wieder einmal ist das Bürgergeld in den Fokus der politischen Diskussion gerückt: Wie jetzt bekannt wird, kann die Bundesregierung im Moment nicht sagen, mit welchen Kosten sie im kommenden Jahr rechnet und wie hoch die Zahl der Bürgergeldempfänger voraussichtlich sein wird?

Schaut man in den Haushaltsentwurf für den Etat Arbeit und Soziales, so kann man dort finden, dass die Kosten für das Bürgergeld minimiert werden sollen. Sind im laufenden Jahr im Haushalt für die Grundsicherung sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung 37,6 Milliarden Euro vorgesehen, möchte das Ministerium sie im kommenden Jahr auf 36 Milliarden Euro drücken.

Berechnungen vermutlich nicht zu halten

Betrachtet man nur die Regelleistungen, dann sollen die Kosten für das Bürgergeld drastisch abgesenkt werden. Sind im laufenden Jahr dafür 29,7 Milliarden Euro vorgesehen, sind für 2025 nur noch 25 Milliarden eingeplant. Begründet wurde die Absenkung damit, dass man im kommenden Jahr Wirtschaftswachstum erwarte, was dazu führen würde, dass mehr Bürgergeldempfänger in reguläre Arbeit kommen.

In der Debatte um den Etat von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) am 10. September im Bundestag warf der AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter der Bundesregierung vor, mit „geschönten Zahlen“ zu arbeiten. Es sei absurd, für das Bürgergeld fünf Milliarden Euro weniger einzuplanen, denn die Regierung wisse genau, dass diese Berechnungen nicht zu halten sein werden. „Nächstes Jahr werden wir so hohe Kosten im Bürgergeld haben wie nie zuvor“, prophezeite Kleinwächter.

Internes Papier mit anderen Zahlen als Haushaltsentwurf

Diese Prognose ist nicht weit hergeholt. Wie die „Bild“ im September berichtete, rechnete die Regierung damals intern mit höheren Kosten für das Bürgergeld, als sie öffentlich zugab. Die Zeitung berief sich damals auf interne Papiere des Arbeitsministeriums.

Heils Beamte rechnen demnach im kommenden Jahr mit knapp 2,9 Millionen Haushalten, die Bürgergeld beziehen. Im Schnitt rechnet das Ministerium mit rund 807 Euro pro Bedarfsgemeinschaft. In der Summe wären das demnach 28 Milliarden Euro.

Für die Kosten für Unterkunft und Heizung veranschlagt das Ministerium, laut „Bild“, 507 Euro im Monat pro Bedarfsgemeinschaft. Das wären also 17,6 Milliarden Euro. Insgesamt wären es 45,6 Milliarden Euro. Im Bundeshaushalt finden sich diese Zahlen aber nicht.

Laut Haushaltsentwurf kalkuliert das Arbeitsministerium für das kommende Jahr in der Grundsicherung für Arbeitssuchende tatsächlich mit Ausgaben von insgesamt 45 Milliarden Euro. Das sind 5,6 Milliarden weniger als in diesem Jahr. Auf Bürgergeldleistungen entfallen, wie erwähnt, 25 Milliarden Euro. Elf Milliarden Euro fallen auf die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung, die der Bund übernimmt. Zwischen den Kosten, die im internen Papier kalkuliert sind, und der Aufstellung im Haushalt klafft demnach eine Lücke von 9,6 Milliarden Euro.

Keine Entlastungseffekte berücksichtigt

Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte das Arbeitsministerium im September, dass die „Bild“-Berechnungen nicht nachvollziehbar seien. Sie basierten „methodisch auf mehreren Fehlannahmen“, hieß es weiter. So seien beispielsweise Kosten der Unterkunft zu einem erheblichen Teil von den Kommunen aufzubringen. Daher sei die im „Bild“-Bericht angegebene Höhe für den Bundeshaushalt nicht relevant.

In dem betreffenden internen Papier aus dem Arbeitsministerium seien auch keine Entlastungseffekte aus der „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung und anderen Maßnahmen wie beispielsweise der „Jobturbo“ berücksichtigt. Die Regierung hoffe, dass durch mehr Arbeitsanreize, schärfere Sanktionen und eine bessere Bekämpfung der Schwarzarbeit die Anzahl der Bürgergeldempfänger im kommenden Jahr sinkt.

Schaut man allerdings auf die Wirtschaftsprognosen für 2025, dann entpuppen sich die Vorstellungen des Arbeitsministeriums als reines Wunschdenken. In der Herbstprognose der Bundesregierung vom Oktober rechnete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch mit einem Wachstum von 1,1 Prozent.

Deutlich unter Erwartung der Bundesregierung

Vor einigen Tagen legte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, umgangssprachlich als Wirtschaftsweisen bezeichnet, ihr Gutachten vor. Das Gremium kommt im Hinblick auf die Wirtschaftsprognose für das kommende Jahr zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Experten rechnen lediglich mit 0,4 Prozent Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Vieles deutet anhand solcher Prognosen darauf hin, dass die Kosten für Bürgergeldempfänger im kommenden Jahr um Milliardenbeträge anwachsen könnten.

„Bild“-Anfragen zu diesem Thema wich Hubertus Heil bisher immer aus. Nun lasse er, wie „Bild“ schreibt, ausrichten:

„Die Einschätzungen zur Haushaltsplanung werden nicht mehr aktualisiert. Dies wird geschehen, sobald sich die neue Koalition konstituiert hat.“

Im Klartext heißt das, dass die Bundesregierung im Moment nichts zu den Kosten des Bürgergeldes sagen kann oder möchte. Bisher hatte das Arbeitsministerium immer wieder betont, dass man nicht wisse, wie viele Bezieher von Bürgergeld es 2025 gebe. Erst nach der sogenannten Bereinigungssitzung solle Klarheit herrschen.

Die Bereinigungssitzung im Haushaltsverfahren ist ein wesentlicher Teil des Prozesses der Haushaltsaufstellung in parlamentarischen Systemen. Während dieser Sitzung überprüfen die Mitglieder des Haushaltsausschusses den Entwurf des Haushaltsplans, der von der Regierung vorgelegt wurde, und nehmen die endgültigen Anpassungen vor, bevor der Haushalt zur Abstimmung im Parlament gestellt wird.

In dieser Sitzung werden alle Änderungsanträge, die von verschiedenen Fraktionen oder Ausschüssen eingebracht wurden, besprochen und entschieden. Aufgrund des Auseinanderbrechens der Ampel fiel diese Sitzung, die ursprünglich für den letzten Donnerstag angesetzt war, aus. Die Union wirft Arbeitsminister Heil nun den Kontrollverlust beim Thema Bürgergeld vor.

Hat Minister Heil die Kontrolle verloren?

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, sagte der „Bild“ dazu: „Herr Heil scheint komplett die Kontrolle verloren zu haben. Wer systematisch falschliegt, muss sich fragen lassen, ob er der Aufgabe noch gewachsen ist.“

Aus seiner Sicht hätte der Kanzler den Arbeitsminister längst entlassen sollen: „Ich jedenfalls glaube Herrn Heil keine Zahlen mehr“, sagte Haase.

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, sagte der „Bild“ dazu: „Heil sollte die Kosten für das Bürgergeld realitätsgetreu im Haushalt veranschlagen, transparent kommunizieren und nicht täuschen.“

Die Kostenansätze von Heil im Haushaltsentwurf für 2025 seien Makulatur, „weil die Wachstumsinitiative nicht mehr kommt“. Bei der Bundestagswahl werde auch über die Zukunft des Bürgergeldes entschieden.



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