Bundesrat warnt: Steuerausfälle in Milliardenhöhe möglich
Im Rahmen einer Stellungnahme warnte der Bundesrat vor potenziellen Ausfällen in Milliardenhöhe für die Kommunen durch die geplanten Änderungen im sogenannten Steuerfortentwicklungsgesetz.
Das Bundeskabinett hatte im Juli den Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes beschlossen, der umfangreiche steuerliche Änderungen für Privatpersonen und Unternehmen vorsieht. Eine der wichtigsten Änderungen des Gesetzes ist die geplante Abschaffung der Steuerklassen III und V ab dem Jahr 2030, wobei Ehegatten und Lebenspartnerschaften automatisch der Steuerklasse IV mit Faktorverfahren zugeordnet werden sollen.
Das Faktorverfahren in Steuerklasse IV ist eine Option für verheiratete oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Paare, wenn beide ein Einkommen erzielen. Dabei wird ein Faktor angewendet, der die individuellen Steuerlasten beider Partner besser an die gemeinsame Steuerschuld angleicht, um eine gerechtere monatliche Besteuerung zu gewährleisten. Dieses Verfahren hilft, größere Steuernachzahlungen oder -rückerstattungen am Jahresende zu vermeiden, indem es die Lohnsteuerlast genauer anpasst. Paare müssen das Faktorverfahren beim Finanzamt beantragen und der Faktor wird jährlich neu berechnet.
Zustimmung Bundesrat ungewiss
Weiter plant die Ampelregierung, den Grundfreibetrag schrittweise zu erhöhen, von aktuell 11.604 Euro auf 12.336 Euro bis 2026. Parallel dazu ist vorgesehen, den Kinderfreibetrag bis 2026 auf 6.828 Euro anzuheben, um Familien finanziell zu entlasten.
Für Unternehmen sind ebenfalls Verbesserungen geplant. Dazu zählen die Verlängerung der Möglichkeit zur degressiven Abschreibung beweglicher Wirtschaftsgüter bis 2028, die Einführung einer vereinfachten Poolabschreibung mit einer unteren Grenze von 800 Euro und einer Obergrenze von 5.000 Euro sowie die Abschaffung der Aufzeichnungspflicht für geringwertige Wirtschaftsgüter ab 250 Euro, beginnend 2025. Weiterhin ist eine Anhebung des Bemessungsgrundlagenhöchstbetrags für die Forschungszulage auf 12 Millionen Euro ab 2024 geplant.
Im Moment befindet sich das Gesetz im Abstimmungsverfahren im Bundestag. Da aber auch Belange der Bundesländer von dem Gesetz betroffen wären, muss auch der Bundesrat in die geplante Gesetzesänderung einwilligen. Dessen Zustimmung ist allerdings ungewiss.
Gesetz erfüllt nicht die Erwartungen
Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat, dass die Regierung mit dem Gesetz „nachhaltiges Wachstum“ und zusätzliche Investitionen fördern möchte. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte im Juli betont, dass das Gesetz Menschen und Betriebe entlasten würde. „Insgesamt werden wir Menschen und Betriebe um 30 Milliarden Euro entlasten. Gleichzeitig setzen wir erste Maßnahmen unserer Wachstumsinitiative um, damit der Standort Deutschland wieder attraktiver wird“, lässt sich Lindner in der Pressemitteilung zitieren.
Der Bundesrat kritisierte nun in seiner Stellungnahme, dass der Gesetzentwurf genau diese Erwartungen nicht vollständig erfülle. Für die Kommunen befürchtet der Bundesrat bei der Gewerbesteuer Steuerausfälle in Milliardenhöhe.
Besondere Bedenken äußerten die Ländervertreter über den Zeitplan der Gesetzesänderungen. Der Entwurf wurde während der parlamentarischen Sommerpause von der Bundesregierung verabschiedet. Einige Regelungen aus dem Gesetz sollen bereits am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Der Bundesrat kritisiert, dass dieser „straffe Zeitplan“ wenig Raum für eine angemessene Vorbereitung auf die Umstellungen lasse. „Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang auf die Bedürfnisse der Praxis und die vielfach geäußerte Forderung nach einer verlässlichen und planbaren Steuerpolitik hin“, heißt es in der Stellungnahme.
Der Bundesrat schlägt weiter vor, die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von 800 Euro auf 1.000 Euro anzuheben. In einer Gegenäußerung lehnt die Bundesregierung das allerdings „aus haushälterischen Gründen“ ab. Offenbar sieht sie in diesem Punkt keinen finanziellen Spielraum angesichts der Haushaltslöcher im Haushalt für das kommende Jahr.
Weiter regt der Bundesrat in seiner Stellungnahme eine Anhebung des Übungsleiterfreibetrags von 3.000 auf 3.300 Euro und der Ehrenamtspauschale von 840 auf 900 Euro an. Eine Prüfung dieses Themas hatte die Bundesregierung schon im Vorfeld in Aussicht gestellt. Allerdings weist sie in ihrer Gegenäußerung auch darauf hin, dass die Pauschalen bereits 2020 um 25 Prozent erhöht wurden.
Im Bereich des Steuerrechts für gemeinnützige Vereine besteht Uneinigkeit über die Abschaffung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung, welches die Länder ablehnen. Stattdessen schlagen sie eine Erhöhung der bisherigen Betragsgrenze auf 80.000 Euro vor.
Die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen Bund und Ländern zeigen sich auch im Unternehmenssteuerrecht, in dem die Bundesregierung weitere Erhöhungen der Gewinn- und Umsatzgrenzen zu steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ablehnt.
In Deutschland müssen Unternehmen und Selbstständige eine detaillierte Buchführung führen, wenn sie bestimmte Gewinn- oder Umsatzgrenzen überschreiten. Die aktuellen Grenzwerte setzen eine Buchführungspflicht voraus, wenn Unternehmen mehr als 600.000 Euro Umsatz oder mehr als 60.000 Euro Gewinn erzielen. Eine Erhöhung dieser Grenzen würde die Anzahl der buchführungspflichtigen Unternehmen verringern, wodurch kleinere Betriebe weniger bürokratische Hürden hätten.
Von wichtigeren Steuerthemen ablenken
Nicht nur der Bundesrat sieht das Steuerfortentwicklungsgesetz kritisch. Am vergangenen Mittwoch meldete sich auch der Bund der Steuerzahler (BdSt) mit einer Stellungnahme öffentlich zu Wort.
Der Verein weist darauf hin, dass die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und die Verschiebung des Einkommensteuertarifs „kein Geschenk an die Steuerzahler sind, sondern eine zwingende verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit“. Der Bund der Steuerzahler sieht daher in der Diskussion darüber eine unnötige Ablenkung von „wichtigeren steuerpolitischen Themen“.
Die Stellungnahme fordert die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, gestützt auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. Januar 2023, das die Ergänzungsabgabe ab dem Jahr 2025 als ungerechtfertigt ansieht. Der Bund der Steuerzahler plädiert dafür, nicht auf die noch anstehenden mündlichen Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts zu warten, sondern sofort zu handeln.
Weiterhin kritisiert die Organisation den Gesetzentwurf für seine mangelnden Anpassungen der steuerlichen Pauschalen und Freibeträge an die Inflation. Solche Anpassungen sollten nach Meinung des Lobbyverbands der Steuerzahler regelmäßig im Rahmen der Verabschiedung des „Jahressteuergesetzes“ erfolgen. „Hier bleibt der aktuelle Gesetzentwurf erneut absolut hinter den Erwartungen zurück“, heißt es dazu in der BdSt-Stellungnahme.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die geplanten Anzeigepflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen. Anzeigepflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen sind gesetzliche Regelungen, die Steuerpflichtige und ihre Berater dazu verpflichten, bestimmte Steuerstrategien den Finanzbehörden zu melden. Diese Vorschriften zielen darauf ab, aggressive Steuerplanung transparent zu machen und Steuervermeidung zu kontrollieren. Sie betreffen vorrangig Gestaltungen, die aufgrund spezifischer Merkmale als potenziell risikoreich oder missbräuchlich gelten. Diese Maßnahmen sollen die Transparenz erhöhen und den Behörden helfen, die Steuergesetzgebung effektiver zu gestalten und durchzusetzen.
Diese Maßnahme bezeichnet der BdSt als „Misstrauensvotum gegenüber Steuerzahlern und Steuerberatern“. Der Bund der Steuerzahler beklagt, dass diese Vorschrift unnötig sei, und verweist darauf, dass ähnliche Regelungen bereits im Frühjahr dieses Jahres aus dem Wachstumschancengesetz gestrichen wurden.
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