220 Millionen Euro: Bund und Länder beschließen „Pakt für den Rechtsstaat“
Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf einen „Pakt für den Rechtsstaat“ verständigt. Vorgesehen ist unter anderem die Schaffung von 2000 neuen Stellen für Richter und Staatsanwälte bis Ende 2021. Den Bürgern sei ein „funktionierender und schneller Rechtsstaat sehr wichtig“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Dazu leiste der Pakt einen großen Beitrag.
Der Bund wird den Ländern für die Umsetzung des Paktes einmalig Mittel in Höhe von 220 Millionen Euro zu Verfügung stellen, aufgeteilt in zwei Tranchen, wie Merkel weiter sagte. Die ersten 110 Millionen Euro werden demnach gezahlt, sobald die Länder 1000 Stellen geschaffen haben, die zweite nach Schaffung der vereinbarten 2000 Stellen.
7500 neue Stellen bei der Polizei
Neben den Stellen für Richter und Staatsanwälte sieht der Pakt vor, dass für Polizeiaufgaben Bund und Länder in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen je 7500 neue Stellen schaffen.
Der Bund erhöht im Zeitraum 2018/2019 die Anzahl der Stellen beim Generalbundesanwalt um 71 (30,4 Prozent) und schafft beim Bundesgerichtshof 24 neue Stellen für einen Zivilsenat in Karlsruhe und einen Strafsenat in Leipzig. Die Länder wollen bis 31. Dezember 2021 insgesamt 2.000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte zuzüglich des dafür notwendigen Personals schaffen und besetzen.
Um den „medienbruchfreien Austausch“ zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft von Bund und Ländern sowie die Interoperabilität mit den Gerichten zu ermöglichen, wird die Schaffung einer Kommunikationsschnittstelle zwischen Justiz und Polizei vorangetrieben. Der Bund ist nach eigenen Angaben bereit, in Abstimmung mit den Ländern eine Konzeption der Schnittstelle zu beauftragen und dafür die Kosten zu übernehmen.
Außerdem soll ein Polizei-IT-Fonds für die „Polizei 2020“ geschaffen werden. Das Bundeskriminalamt soll als zentrales Datenhaus im polizeilichen Informationsverbund etabliert werden. Zur Beschleunigung und Vereinfachung von Gerichtsverfahren sollen Vorschriften modernisiert und überprüft werden, insbesondere in der Strafprozessordnung, in der Zivilprozessordnung und im Verwaltungsverfahrensrecht, „ohne dabei die rechts- staatlichen Verfahrensgarantien anzutasten“, wie es am Donnerstag hieß.
Im Bereich der gerichtlichen Asylverfahren sollen obergerichtliche Leitentscheidungen ermöglicht werden, um eine stärkere Vereinheitlichung der Rechtsprechung und eine schnellere Erledigung von ähnlich gelagerten Fällen zu erreichen. Der Bund will hierzu kurzfristig Vorschläge vorlegen.
Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder wollen nach eigenem Bekunden weitere Spezialisierungen innerhalb der Justiz voranbringen und Konzepte zur Vermittlung psychologischer Kompetenz, vor allem im Umgang mit Kindern und Eltern im Rahmen familiengerichtlicher Verfahren, sowie digitaler und interkultureller Kompetenz entwickeln und verbessern.
Kommentare vom Richterbund und aus der Politik
Der Deutsche Richterbund sprach von einem „guten Tag für den Rechtsstaat“. Der Pakt „markiert eine politische Trendwende nach vielen Jahren eines verfehlten Sparkurses in der Justiz“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Nachrichtenagentur AFP. Der Richterbund werde nun „sehr genau darauf achten“, dass die beschlossenen Stellen wie vereinbart in der Justiz ankämen.
Rebehn verwies auf die Überlastung insbesondere in der Strafjustiz:
Verfahren ziehen sich in die Länge und zuletzt ist die Zahl der Fälle gestiegen, in denen dringend Tatverdächtige wegen einer zu langen Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten.“
Bis zum Jahr 2030 gingen bundesweit etwa 40 Prozent aller Staatsanwälte und Richter in den Ruhestand.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) erklärte, die Bürger müssten „sich darauf verlassen können, dass Verfahren schnell entschieden werden“. „Nur eine schnelle und effiziente Justiz kann Kriminalität nachhaltig bekämpfen“, so Brinkhaus.
Der CSU-Innenpolitiker Volker Ullrich erklärte, nun stehe der zweite Schritt an. Das Bundesjustizministerium müsse die Reform des Strafprozessrechts zügig voranbringen, um moderne und beschleunigte Verfahren zu ermöglichen.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nannte die Hilfen des Bundes eine „gute Unterstützung“. Er verwies zugleich darauf, dass die Länder weiterhin die Hauptlast der Personalkosten bei Justiz und Polizei trügen. Es sei bereits damit begonnen worden, die Polizei- und Justizkräfte zu verstärken. Neben den 2000 Stellen für Richter und Staatsanwälte sieht der Pakt vor, dass für Polizeiaufgaben Bund und Länder in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen je 7500 neue Stellen schaffen.
Der „Pakt für den Rechtsstaat“ ist eines der zentralen Vorhaben im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Das Thema war mehrfach verschoben worden, weil sich Bund und Länder nicht über die Finanzierung der Stellen hatten einigen können.
Ein weiteres Thema der Ministerpräsidentenkonferenz war die Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten für Flüchtlinge. Dazu wurde noch kein Ergebnis erzielt. (afp)
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