Bund: Kein Fracking, aber einfachere Enteignungen für LNG-Infrastruktur

Beim Erdgas setzt die Ampel weiter ausschließlich auf Importe. Für LNG-Infrastruktur sollen Enteignungen leichter werden. Eine Warnung kommt aus Katar.
Stahlrohre liegen im Stahlwerk Mannesmann Line Pipe, der Salzgitter AG auf Halde. In dem Werk werden Rohre für die Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven gefertigt.
Stahlrohre liegen im Stahlwerk Mannesmann Line Pipe, der Salzgitter AG auf Halde. In dem Werk werden Rohre für die Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven gefertigt.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 3. November 2022

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Die Bundesregierung sieht sich bei der Versorgung mit Erdgas auf dem richtigen Weg – und bleibt bei ihrer ausschließlich auf Importe ausgerichteten Strategie. Um diese zu erleichtern, sollen zusätzliche LNG-Terminals entstehen, und das möglichst schnell. Wie das „Handelsblatt“ am Mittwoch (2.11.) berichtet, soll dazu auch die Enteignung von infrastrukturrelevanten Unternehmen einfacher vonstattengehen.

Grundlage für Entzug und Rationierung von Energie

Wie aus einer Formulierungshilfe hervorgeht, über die das Blatt berichtet, wird das Kabinett heute dazu eine Rechtsgrundlage beschließen. Diese beziehe sich auf „bewegliche Sachen“, die „für die Errichtung von Erdgasleitungen oder verbundener Infrastruktur erforderlich sind“. Die neue Bestimmung will man im Energiesicherungsgesetz verankern.

Ziel des Vorhabens sei es, ein schwimmendes Terminal zur Anlandung von Flüssiggas (LNG) zu schaffen. Ein möglicher Anwendungsfall ist das geplante Terminal in Lubmin. Infrastruktur der Nord-Stream-Pipeline, über die in der Vergangenheit russisches Gas nach Lubmin kam, könnte demnach für das neue LNG-Terminal genutzt werden.

Außerdem will die Bundesregierung Erdöl, Gas oder elektrische Energie für Unternehmen rationieren können, „wenn dies zur Sicherung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie erforderlich ist“.

Bis zum Jahreswechsel sollen drei Terminals betriebsbereit sein

Bei Uniper beginnt sich aus Sicht der Bundesregierung die im September vollzogene Verstaatlichung bereits zu lohnen. Wie die „Kreiszeitung“ berichtet, soll das geplante schwimmende LNG-Terminal im Tiefwasserhafen von Wilhelmshaven noch vor den Weihnachtsfeiertagen einsatzbereit sein.

Auf diese Weise könnte Deutschland erstmals LNG auf dem Seeweg erhalten. Bis dato war dies lediglich auf dem Wege von Pipelines möglich, was die Abhängigkeit von russischen Lieferungen verstärkt hat.

Die „Deutsche ReGas“, die als Betreiber des Terminals in Lubmin an der Ostsee auftritt, will ebenfalls Ende Dezember den Betrieb aufnehmen. RWE rechnet mit der Fertigstellung des schwimmenden Terminals in Brunsbüttel rund um den Jahreswechsel.

Der Bundesregierung zufolge sind die Gasspeicher für den bevorstehenden Winter zu fast 100 Prozent gefüllt. Lediglich der größte europäische Speicher in Rehden sei dies erst zu 90 Prozent.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich laut „Deutscher Presse-Agentur“ (dpa) bei einer Veranstaltung in Dresden zufrieden. Man habe „eine Situation geschaffen, die besser und stabiler ist, als man zu Beginn des Jahres vorhersehen konnte“. Dennoch sei es erforderlich, Energie einzusparen.

Bemühungen um LNG-Importe aus Katar gescheitert

Demgegenüber ist Habecks Versuch, Erdgaslieferungen aus Katar sicherzustellen, offenbar gescheitert. Obwohl die deutsche Bundesregierung im März mit dem Emirat eine Absichtserklärung bezüglich einer künftigen Kooperation unterzeichnet hatte, kam es zu keiner Umsetzung. Kein deutsches Unternehmen hat mit dem Golfstaat eine Einigung erzielt. Katar hatte von Beginn an deutlich gemacht, dass man ausschließlich an längerfristigen Lieferbeziehungen interessiert sei. Immerhin sei Deutschland nicht das einzige Land, das sich um Geschäftsbeziehungen bemühe.

Die Bundesregierung steht jedoch auf dem Standpunkt, dass eine längerfristige Versorgung nicht erforderlich sei. Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge werde Deutschland zwar „für einen überschaubaren Zeitraum noch Gas brauchen“. Dies werde jedoch „kontinuierlich zurückgehen“ – bis man spätestens 2045 als „weiterhin führendes Industrieland“ CO2-frei produzieren wolle.

Katars Energieminister Saad Sherida al-Kaabi hält dies für unrealistisch. Zudem kritisiert er die Pläne der Europäischen Union, den Erdgaspreis künftig deckeln zu wollen. Die Begrenzung des Gaspreises sei ein Eingriff in den freien Markt – „auf den die EU gegenüber Produzenten jedoch immer gepocht habe“.

CEOs von Energiekonzernen warnen vor Winter 2023/24

Eine mögliche Konsequenz dieser Politik sei es, dass Europa zu den gewünschten Preisen keine Anbieter finde. Und auch Katar könne nach Europa verschickte Lieferungen noch umleiten, wenn ein Drittabnehmer „auch nur einen Cent mehr“ böte.

Zudem werde Europa weiterhin enorme Schwierigkeiten bei der Gasversorgung haben, mahnt Minister Al Kaabi. Sollte Russland seine Pipeline-Lieferungen nicht wieder auf das Vorkriegsniveau hochschrauben, würde die aktuelle Gas-Notlage bis mindestens 2025 andauern.

Auch die Vertreter großer Energiekonzerne warnen die Europäer davor, sich in Sicherheit zu wiegen. Eni-CEO Claudio Descalzi äußerte während einer Veranstaltung in Abu Dhabi gegenüber CNBC:

Wir sind aufgestellt für diesen Winter. Aber wie wir gesagt hatten, das Problem ist nicht dieser Winter. Es wird der nächste sein, weil wir dann gar kein russisches Gas mehr haben werden – dann sind es 98 Prozent weniger, vielleicht auch gar nichts.“

BP-CEO Bernard Looney pflichtete Descalzi bei. Die Energiepreise „nähern sich der Unerschwinglichkeit“, wobei einige Menschen bereits „50 Prozent ihres verfügbaren Einkommens oder mehr für Energie ausgeben“. Die Energiepreise in Europa betrügen das Sieben-, Acht- und manchmal sogar das 15-fache jener in den USA.

Fracking im Inland könnte deutsche Gasversorgung auf Jahre sichern

Niedersachsens Noch-Umweltminister Olaf Lies fordert unterdessen, Deutschland solle eine eigene Tankerflotte aufbauen. Diese solle zunächst LNG und in weiterer Folge grünen Wasserstoff importieren und transportieren. In der „Hannoverschen Allgemeinen“ erklärte der künftige Wirtschaftsminister, das Land müsse sich „aus der Krise rausinvestieren“ und „ein Stück Energieunabhängigkeit“ in die eigene Hand nehmen.

FDP-Chef Christian Lindner erhielt demgegenüber eine erneute Absage hinsichtlich seiner Forderung nach Nutzung eigener Erdgasressourcen. Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, schätzt der Bundesverband Erdgas (BVEG) das Potenzial der heimischen Vorkommen auf 450 Milliarden Kubikmeter technisch erschließbaren Erdgases aus Kohleflözen.

Hinzu kämen bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Schiefergesteinen. Fördere man dieses mittels Frackings zutage, ließe sich die deutsche Versorgung für mehrere Jahre sichern.

Lindner betonte, Deutschland habe „erhebliche Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu gefährden“. Es sei angesichts der Gasknappheit „nicht hinnehmbar, aus rein ideologischen Gründen auf Fracking zu verzichten“.

Scholz: Bemühungen um importiertes LNG reichen aus

Bundeskanzler Olaf Scholz erteilte Lindners Vorstoß bei einem Besuch im BASF-Werk von Schwarzheide unterdessen erneut eine Absage. Man sorge bereits jetzt „für Tempo beim Aufbau einer Importinfrastruktur“, betonte der Kanzler.

Die Bemühungen der Bundesregierung liefen auf Hochtouren, über die norddeutschen Häfen und den verstärkten Bau von Pipelines LNG zu importieren. Insbesondere LNG aus den USA ist häufig aus Fracking gewonnen. Ob die Gasgewinnungstechnologie dort weniger umweltschädlich sei als sie es angeblich in Deutschland wäre, ließ der Kanzler offen.

(Mit Material von dts)



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