Bürokratieabbau – ein Wunschtraum
„Hiermit erklärt der Antragsteller…“ Wer noch nie solch ein Formular ausgefüllt hat, dem ist es gelungen, der allgegenwärtigen Bürokratie zu entkommen. Das fängt beim Kabelanschluss an und hört beim Rentenantrag noch längst nicht auf. Nicht zu zählen, die zahlreichen Möglichkeiten, durch juristische Einsprüche zu hemmen oder gehemmt zu werden. Der Bürger kann in Einsprüchen und Klageverfahren geradezu schwelgen, aber er kann ebenso bei seinen unternehmerischen Wünschen an den Hürden der Bürokratie scheitern. Bürokratieabbau heißt das Zauberwort, das beschwörend die Runde macht.
Kein überfrachtetes Zimtplätzchen, das nicht eine Flut von neuen Verordnungen nach sich zieht, kein Unfall, keine Tragödie, die nicht ein Heer von Besserwissern an die Front schickt, um den Behörden gehörig den Marsch zu blasen, dass sie nicht von der Wiege bis zur Bahre doch zumindest rechtssicher vorgesorgt haben. Wofür auch immer.
Dann meldet sich noch Brüssel mit Übervater-Gesetzen, die von schlauen Lobbyisten gleich dort auf den Weg gebracht wurden, sodass der Bundestag nur noch durchwinken muss. Und er muss. Kurz vor dem bürokratischen Erstickungstod wird jedoch in regelmäßigen Abständen nach Bürokratieabbau gerufen.
Europaparlament sorgt für Abhilfe
Erste Erfolge im Europaparlament teilte am 22. November die Berichterstatterin des Parlaments, Dr. Inge Gräßle (CDU), mit: „Die überarbeitete Haushaltsordnung ist ein Meilenstein für mehr Nutzerfreundlichkeit und für Transparenz von EU-Geldempfängern“, so Gräßle. „Das Parlament hat mit seinen Änderungsanträgen deutlich gemacht, dass es die Klagen der europäischen Öffentlichkeit über Bürokratiekosten gehört hat und ernst nimmt. Wir haben für Abhilfe gesorgt“.
In buchstäblicher letzter Minute wurde die Forderung des Europaparlaments aufgenommen, dass die Mitgliedstaaten künftig wegen Betrugs, Geldwäsche und Korruption rechtskräftig verurteilte und deshalb von EU-Vergabeverfahren ausgeschlossene Unternehmer an die für diese Fälle bereits bestehende Datenbank der Kommission melden müssen. „Die EU hat lange genug die rote Laterne für ungenügende Schritte gegen die Korruptionsbekämpfung getragen. Jetzt gibt es endlich europaweit eine Sperre für Betrug mit EU-Geld“, sagte Gräßle.
Zustimmung für Verheugen
Schon am 20. November äußerte sich EU-Vizepräsident Günter Verheugen zuversichtlich, dass sein Vorstoß zum Bürokratieabbau in Europa zum Erfolg kommen wird. „Ich kann mich stützen auf eine breite Zustimmung in der europäischen Öffentlichkeit“, sagte Verheugen bei einem Treffen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch in Wiesbaden: „So eine überwältigende Zustimmung habe ich noch nie erfahren.“
Verheugen betonte, er wolle Bürokratieabbau durch Rechtsvereinfachung. 270 Basisrechtsakte seien für eine derartige Vereinfachung bereits identifiziert. Es gehe hier vor allem um die Pflicht von Unternehmen, zu Statistiken beizutragen, Anträge zu stellen oder Berichte zu liefern. Der EU-Vizepräsident betonte, beim Thema Bürokratieabbau müssten auch die EU-Mitgliedstaaten mitziehen.
Gesetzesnamen mit zu vielen Buchstaben
Auf der Fünften Maritimen Konferenz in Hamburg betonte Bundeskanzlerin Merkel am Montag vor etwa 1.000 Wirtschaftsfachleuten, dass „Planungszeiten in vielen Bereichen viel zu lang sind.“ Bezogen auf den gesamten Offshore-Bereich fuhr sie humorvoll fort: „Und deshalb ist uns – glaube ich – jetzt ein Durchbruch mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz gelungen. Manchmal wird gesagt, wenn die Gesetzesnamen zu viele Buchstaben haben, könnten sie nichts Ordentliches sein. Aber bei diesem Gesetz ist das anders. Dieses Gesetz hat ja einen Vorgänger, das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Das galt nur für die neuen Bundesländer. Das hat dazu geführt, dass wir in den neuen Bundesländern mit einer Gerichtsinstanz weniger eine Autobahn bauen konnten. Und dass die A 20 so weit reicht, wie sie reicht, ist nur dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz zu verdanken. – Wissen Sie, wer seinen Wahlkreis in Stralsund hat und sein Schicksal an die A 20 gekoppelt hat, dem geht dieser Gesetzesname runter wie Zuckerwatte.“
Planungszeit – sieben Jahre – Bauzeit – dreieinhalb Monate
Nachdem Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust auf das Missverhältnis von Planungszeit – sieben Jahre – und Bauzeit – dreieinhalb Monate – für die Elbvertiefung hingewiesen hatte, bezog sich die Bundeskanzlerin darauf mit weiteren Ankündigungen:
„Wir haben dann also gesagt, dass wir die guten Erfahrungen, die wir in den neuen Bundesländern gemacht haben, doch auf ganz Deutschland übertragen und versuchen sollten, für ganz Deutschland kürzere Planungszeiten zu bekommen – nicht nur für Straßen- und Schienenwege, sondern – deshalb statt der alten Bezeichnung Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs- nunmehr Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz – auch für Hochspannungsleitungen und zum Beispiel auch für Offshore-Anbindungen; so wird auch im Bereich der Windenergie mit diesem Gesetz ein Zeichen gesetzt.“
Zu schätzen wissen umweltbewusste Bürger aber auch, dass nun nicht alles im Eilverfahren gebaut werden kann, was Regierenden und Firmen wünschenswert erscheint. Dann beißt sich die Katze zwar wieder in den Schwanz mit Einsprüchen und einstweiligen Verfügungen, aber manches Unheil konnte dadurch vermieden werden.
Nachhaltigkeit und Klimaneutralität
Gefragt ist dann neben dem Bürokratieabbau, rechtzeitig an die Nachhaltigkeit oder auch an die Klimaneutralität zu denken. So meldete jüngst die UNEP, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland das erste „klimaneutrale“ Turnier und damit auch ein Erfolg für die Umwelt war. Das sagte der Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner, in Lausanne. Wie das alles ohne überbordende bürokratische Kontrolle und Dokumentation zu bewältigen ist, bleibt hinter den Glasfassaden moderner Bürohäuser verborgen.
Der Bürger plant sein selbstständiges Leben möglichst nachhaltig und klimaneutral und steht wieder bei den einfachsten Vorhaben vor dem Formular: „Hiermit erklärt der Antragsteller…“ Ein Ende ist vorerst nicht abzusehen.
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