Bürgergeld-Verschärfungen: So sollen Arbeitsverweigerer motiviert werden

Die Bundesregierung sieht im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative strengere Regelungen für Bürgergeldempfänger vor. Jobcenter sollen künftig monatlich Termine ansetzen dürfen, um die Einhaltung von Absprachen zu überwachen. Zudem gibt es mehr Raum für Sanktionen.
Bürgergeld wird an schärfere Bedingungen geknüpft.
Bürgergeld wird an schärfere Bedingungen geknüpft.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 8. Oktober 2024

Die Bundesregierung hat sich im Rahmen ihrer sogenannten Wachstumsinitiative auf Verschärfungen beim Bürgergeld geeinigt. So soll den Jobcentern ermöglicht werden, eine – wie es heißt – höhere Kontaktdichte mit den Beziehern herzustellen. Am Mittwoch, 9. Oktober, soll die Neuerung im Kabinett beschlossen werden.

Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) berichtet, sollen Jobcenter künftig auch monatlich Bezieher von Arbeitslosengeld oder Bürgergeld einbestellen können. Damit solle die „Überprüfung von Absprachen“ kontrolliert werden. Ein persönliches Gespräch solle demnach stattfinden, „wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist“.

Jobcenter bestimmen Rhythmen der Kontaktaufnahme

Derzeit variieren die Regeln bezüglich der Häufigkeit des Kontakts zu Kunden der Jobcenter. Jenes für Passau-Land sah beispielsweise 2017 vor, bei Personen, die im Alter von 25 bis 35 Jahren bis zu einem Jahr arbeitslos sind, mindestens zweimonatlich ein Gespräch anzuberaumen.

Bei 35- bis 50-Jährigen, die bis zu zwei Jahre arbeitslos sind, sollten Jobcenter-Mitarbeiter einen Mindestkontakt von alle vier Monate sicherstellen. Für Langzeitarbeitslose – also mehr als zwei Jahre ohne Job – und/oder einem Alter von 50 Jahren aufwärts, solle die Kontaktdichte mindestens alle sechs Monate betragen. In Ausnahmefällen, in denen auch bei Jüngeren oder kürzer Arbeitslosen ein solcher Rhythmus festgelegt werde, seien die Gründe zu dokumentieren.

In Würzburg folgt das Jobcenter hingegen etwas anderen Rhythmen. Im Kern lauten Anweisungen meist darauf hinaus, dass jüngere und mutmaßlich leichter vermittelbare Kunden häufiger vorgeladen werden. Wo sich hingegen größere Schwierigkeiten bezüglich der Vermittelbarkeit zeigen, wird die Kontaktdichte geringer gehalten.

Im Vorjahr 130.000 Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger – 16.000 wegen Verweigerung

Künftig sollen bei jugendlichen Empfängern von Bürgergeld, aber auch bei Beziehern, die in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen drohen, monatliche Termine die Regel werden. Dafür sollen auch bereits in den ersten zwölf Bezugsmonaten „Personen mit hohem Verbleibsrisiko“ identifiziert werden.

Das Bundesarbeitsministerium spricht von „Personen mit komplexeren Problemlagen“, bei denen eine „monatliche Gesprächsdichte“ wünschenswert sein könne. Dauer und inhaltliche Ausrichtung der persönlichen Gespräche sollen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende jedoch selbst festlegen.

Die Bundesregierung will in den kommenden Wochen jenen Teil ihrer „Wachstumsinitiative“ auf den Weg bringen, der sich auf das Bürgergeld bezieht. Diese sieht eine Vielzahl an Verschärfungen für Bezieher vor – offenbar davon ausgehend, dass es eine hohe Dunkelziffer an Arbeitsverweigerern darunter gebe. Offiziell wurden im Vorjahr Sanktionen gegen etwa 16.000 Bürgergeldberechtigte aufgrund der Verweigerung von Mitwirkung bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausgesprochen. Vorübergehende Kürzungen gab es in knapp 130.000 Fällen, in den meisten Fällen waren Meldeversäumnisse der Anlass.

Umstrittene Prämie soll Langzeitarbeitslose mobilisieren

Künftig soll es Kürzungen von 30 Prozent für drei Monate beim Bürgergeld geben, wenn jemand „eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt“. Eine einmonatige Kürzung um 30 Prozent soll es bei einem Meldeversäumnis geben. Kürzungen und eine Meldeverpflichtung der Jobcenter an die Zollbehörden soll es auch geben, wenn ein Verdacht auf Schwarzarbeit neben dem Bürgergeld besteht.

Hingegen soll eine Prämie von 1.000 Euro Langzeitarbeitslose motivieren, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen. Diese soll bezahlt werden, wenn der Betroffene mindestens ein Jahr in diesem Arbeitsverhältnis verblieben ist. Die Maßnahme ist auch innerhalb der Koalition noch umstritten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will dadurch allerdings Einbußen von Leistungen wie Wohngeld entgegenwirken, die mit einer Arbeitsaufnahme verbunden sein können.

In Mecklenburg-Vorpommern kann es für Bürgergeldempfänger zudem einen Familienzuschuss von bis zu 30 Tagen pro Person zu Erholungszwecken geben. Dieser könne bis zu sieben Tagen gewährt werden, wenn die Berechtigten in einer als gemeinnützig anerkannten Familienferienstätte urlauben. Vor allem Bürgergeldempfänger mit Kindern und solche, die Angehörige pflegen, sollen davon profitieren.

Zumutbarer Arbeitsweg wird deutlich länger – Erstattung restriktiver

Gleichzeitig soll jedoch auch die Bedeutung von Ein-Euro-Jobs wieder steigen. Deutliche Verschärfungen soll es auch beim zumutbaren Arbeitsweg und der Kürzung der Karenzzeit beim Schonvermögen geben.

Bei einer täglichen Arbeitszeit bis zu sechs Stunden sollen 2,5 Stunden Pendelzeit grundsätzlich zumutbar sein. Beträgt sie Arbeitszeit mehr als sechs Stunden, seien bis zu drei Stunden des Pendelns zumutbar. Ausnahmen solle es nur für Pfleger und Erzieher geben. Beim Pendeln werden auch nur die Kosten für den ÖPNV ersetzt – auch wenn die Strecke mit dem Auto deutlich schneller zu bewältigen wäre. Auf X sorgt dies für scharfe Kritik.

Auch der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, kritisiert die Verschärfungen. In einer TV-Debatte erklärt er, der größte Teil der Bürgergeldempfänger sei krank, arbeitsunfähig, alleinerziehend oder müsse zu geringe Arbeitsverdienste aufstocken. Lediglich „ein ganz marginaler Bruchteil“ von wenigen tausend Menschen versuche, „dabei etwas rauszuschlagen“.

Wagenknecht weist auf hohen Ausländeranteil beim Bürgergeld hin

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht wiederum betont, der verhältnismäßig hohe Ausländeranteil an den Bürgergeldbeziehern sei ein Zeichen misslungener Integration. Gegenüber der „Welt“ äußerte sie:

Ein starker Sozialstaat funktioniert nur, wenn nicht jeder in ihn einwandern kann.“

Zuvor hatte die BSW-Gruppe im Bundestag über eine Anfrage zutage gefördert, dass im Jahr 2023 insgesamt 2,6 von mehr als 5,5 Millionen Bürgergeldbeziehern keinen deutschen Pass hatte. Mit 2,9 Millionen waren nur etwas mehr als die Hälfte davon Deutsche.

Ein wesentlicher Grund für die Entwicklung ist, dass es weiterhin Verzögerungen bei der Eingliederung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt gibt. Diese haben anders als reguläre Asylsuchende umgehend Anspruch auf Bürgergeld.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel hält den Weg der Arbeitsmarktintegration über die Grundsicherung dennoch für den richtigen. Die Grundsicherung ermögliche eine arbeitsmarktpolitische Betreuung der Betroffenen. Mit der Zeit stellten sich auch Erfolge ein: Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) würden im laufenden Jahr pro Monat doppelt so viele Ukrainer aus der Arbeitslosigkeit in Jobs vermittelt wie im Vorjahr. Piel dazu:

Die Erwerbsquote steigt mit der Dauer des Aufenthalts.“



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