Buch-Rezension: „Himmelsbegräbnis“ von Xinran Xue
„Was? Nur weil er einen Geier getötet hatte? Einer unserer Soldaten hat für den Tod eines Geiers mit seinem Leben bezahlt?“
Mit diesen Worten beginnt die Chinesin Xinran Xue ihren Roman „Himmelsbegräbnis“. Die junge Ärztin Shu Wen muss sich im China der fünfziger Jahre von ihrem Mann, der ebenfalls als Arzt tätig ist, trennen. Kejun wird drei Wochen nach ihrer Hochzeit zum Militär einberufen. Sein Einsatzgebiet: Tibet.
Knapp drei Monate später erhält Shu Wen vom Militärbüro in Suzhou eine Benachrichtigung: ihr Mann ist tot. Fassungslos steht die junge Witwe vor der Nachricht – und kann sie nicht akzeptieren. Entschlossen tritt sie als Ärztin in die Militäreinheit ihres Mannes ein. Sie will in Tibet nach ihm suchen. Ohne sich über das Ausmaß ihres Entschlusses im Klaren zu sein, wird er zum Ausgangspunkt einer über dreißigjährigen Reise durch Tibet…
Der Roman basiert auf der wahren Geschichte von Shu Wen. Die Radiojournalistin und Autorin Xinran Xue hatte sie 1994 in einem Interview mit der Protagonistin in Suzhou aufgezeichnet.
Vor dem Hintergrund von Shu Wens Suche nach ihrem „verschollenen“ Ehemann lernt der Leser sowohl die gesellschaftlichen als auch die politischen Verhältnisse im China der fünfziger Jahre kennen. Dazu gehören unter anderem die Folgen der als „Befreiung“ propagierten Besetzung Tibets zwischen 1950 und 1951 sowie das Leben der tibetischen Nomaden in der schier endlos erscheinenden Weite des tibetischen Hochlandes.
Shu Wen lebte über dreißig Jahre bei einer Nomadenfamilie. Ohne zunächst ein Wort zu verstehen, lernte sie allmählich ihre Sprache, ihren entbehrungsreichen Alltag, ihre gesellschaftlichen Regeln, die sich oft so sehr von den chinesischen unterschieden, und ihre tiefe, alles umfassende Religiosität kennen, die für sie, die in das kommunistische Denken hineingewachsen war, etwas völlig Neues darstellte.
Sie versteht es, in einer kurzen, knappen und klaren Sprache die Herzen der Leser zu gewinnen.
Xinran: „Himmelsbegräbnis.“
München, 2005.
Droemer – Verlag. 18, – €.
Im Droemer – Verlag erschien 2003 das erste Buch von Xinran Xue: „Verborgene Stimmen. Chinesische Frauen erzählen ihr Schicksal.“
Xinran Xue wurde 1958 in Beijing (Peking) geboren.
Als Kind wurde sie während der Kulturrevolution von 1964 – 1968 in ein Umerziehungslager eingewiesen. Ihre Eltern – beide Militäroffiziere – wurden als sogenannte „Reaktionäre“ verurteilt. Sie „verschwanden“ für zehn Jahre in verschiedenen Arbeitslagern, die sich unter anderem in der Nähe der Großen Mauer und in der Provinz Hubei befunden haben sollen.
Nach ihrer Ausbildung arbeitete Xinran als Radiojournalistin und moderierte von 1989 bis 1997 die äußerst beliebte Rundfunksendung „Qin Feng Ye Hua“ – „Worte im Abendwind“. In der Sendung erhielten die Zuhörer zum ersten Mal seit der sogenannten „Öffnung“ – vor allem chinesische Frauen – die Chance, zu Wort zu kommen und über ihr persönliches Leben zu berichten.
1997 emigrierte Xinran Xue nach Großbritannien. Dort entstand auf der Basis ihrer Rundfunksendungen ihr erstes Buch „Verborgene Stimmen. Chinesische Frauen erzählen ihr Schicksal“. Es wurde in 27 Sprachen übersetzt. Sie schreibt inzwischen regelmäßig für „The Guardian“ und setzt sich für Frauen und Waisenkinder ein. Xinran lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in England.
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