BSW sucht weiter nach 9.528 Zweitstimmen – und hofft auf Wahlprüfung durch den Bundestag

Dem Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) haben am 23. Februar exakt 9.528 Zweitstimmen zum Einzug in den Bundestag gefehlt. Dem endgültigen Ergebnis der Bundestagswahl 2025 zufolge ist die erst im Vorjahr gegründete Partei mit 4,981 Prozent nur um Haaresbreite gescheitert.
Im Vorjahr hatte das BSW noch mit 6,2 Prozent auf Anhieb den Einzug ins EU-Parlament und mit zweistelligen Ergebnissen in drei deutsche Landtage geschafft. Nachdem Donald Trump als neu gewählter Präsident der USA die Initiative zur Beendigung des Ukraine-Kriegs an sich gerissen hatte, verlor die Partei jedoch merklich an Rückhalt. Dazu kamen innerparteiliche Konflikte und ein nicht erwarteter Aufwind für die Linkspartei in der Endphase des Wahlkampfs. Aus einer Abspaltung von dieser war das BSW ursprünglich entstanden.
Nachzählungen brachten dem BSW 4.300 zusätzliche Stimmen
Dennoch hofft man in der Wagenknecht-Partei, dass im Hinblick auf die Bundestagswahl das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Immerhin hatten vereinzelte Neuauszählungen dort, wo sie vorgenommen wurden, dem BSW ein deutliches Plus an Stimmen eingebracht. Nach dem vorläufigen Endergebnis aus der Wahlnacht hatte die Partei noch um etwa 13.500 Stimmen die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt.
Vor allem in einigen Wahlkreisen Berlins und Brandenburgs wurden Neuauszählungen und Bereinigungen veranlasst. Das BSW profitierte davon in überdurchschnittlichem Maße. Während die SPD lediglich 840 zusätzliche Stimmen zugesprochen erhielt, waren es bei der Wagenknecht-Partei etwa 4.300.
Typische Fehler, die bei der Auszählung am Wahltag passierten, waren falsche Zuordnungen. In einigen Wahllokalen landeten BSW-Stimmen auf dem Stapel von Bündnis Deutschland, Bündnis C oder BüSo, in einzelnen Fällen sogar der MLPD. In diesen Fällen erregten die ungewöhnlich hohen Stimmenanteile der Kleinstparteien mit ähnlicher Bezeichnung Aufmerksamkeit. Ebenso wurden auf das BSW lautende Stimmzettel vor der Überprüfung als ungültig gewertet, weil Wähler zuvor die Listen verwechselt hatten und ihre Wahlentscheidung auf dem Zettel korrigierten.
Parlamente vertrauten den Gerichten nicht
Einen Eilantrag auf bundesweite Neuauszählung des Ergebnisses lehnte das Bundesverfassungsgericht als unzulässig ab. Es verwies auf Artikel 41 des Grundgesetzes, das die Wahlprüfung zur Sache des Bundestags erklärt. Damit überprüfen Abgeordnete, deren eigenes politisches Schicksal vom Ergebnis der Prüfung abhängen könnte, die Korrektheit der Wahlen.
Wie der frühere Grünen-Politiker und Wahlrechtsexperte Wilko Zicht gegenüber dem MDR erklärt, hat dies historische Gründe:
Die ersten deutschen Parlamente wollten es nicht der damals noch parlamentsfeindlich eingestellten Justiz überlassen, das Wahlergebnis korrigieren zu können.“
Das BSW hat nun die Möglichkeit, formelle Wahlprüfungsbeschwerden beim Bundestag einzureichen. Diese kann das Parlament an das Bundesverfassungsgericht weiterleiten oder selbst eine Entscheidung über eine Neuauszählung treffen. Bis es zu einer endgültigen Entscheidung kommt, ist jedoch damit zu rechnen, dass bis zu zwei Jahre vergehen könnten.
Experten geben dem BSW nur geringe Erfolgschancen
Sollte das BSW Erfolg haben und sich herausstellen, dass es doch mehr als 5 Prozent der Zweitstimmen erreicht habe, hätten Union und SPD keine gemeinsame parlamentarische Mehrheit mehr. Bis dato stützt sich die Argumentation des BSW auf die Verallgemeinerung von Stichproben, die in einzelnen Stimmkreisen zu einer Korrektur des Ergebnisses geführt hatten.
Dazu kommen bekannte Unwägbarkeiten im Kontext der Briefwahlstimmen aus dem Ausland. Für die Bundestagswahl 2025 waren 213.699 Deutsche im Ausland im Wählerverzeichnis registriert. In einigen Fällen wurde bekannt, dass es wegen der knappen Fristen zu verspäteten Zustellungen der Wahlunterlagen gekommen sei.
Allerdings stehen die Chancen, dass die vom BSW behaupteten Mängel eine flächendeckende Neuauszählung zur Folge haben könnten, nach Ansicht von Verfassungsexperten nicht gut. Ein knappes Wahlergebnis und hypothetische Erwägungen reichten nicht aus. Gegenüber „Legal Tribune Online“ (LTO) äußerte etwa die Verfassungsrechtlerin Dr. Roya Sangi:
Hierfür bedarf es einer substantiierten Darlegung eines konkreten Wahlfehlers.“
Statistisch gilt es zudem als unwahrscheinlich, dass eine hypothetische Neuauszählung tatsächlich noch eine Verschiebung in der Größenordnung der vom BSW benötigten 9.529 zusätzlichen Stimmen bewirken würde. Die bis dato festgestellten Zählfehler hätten sich immer noch im üblichen Rahmen bewegt, heißt es aus den Statistischen Landesämtern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
In kleinen Ländern entscheiden oft wenige Hundert Stimmen über Einzug
Vor allem bei Landtagswahlen hatte es in der Vergangenheit häufig Ergebnisse gegeben, die so knapp waren, dass weniger als 1.000 Stimmen über einen Einzug oder Nichteinzug entschieden. Am häufigsten war das in Bremen der Fall, wo Parteien wie die DVU oder „Bürger in Wut“ zwischen 100 und 500 Stimmen über der nötigen Grenze für ein Mandat in Bremerhaven lagen.
Im Jahr 2008 gab es sogar eine Nachwahl zum regulären Urnengang im Jahr davor. Die DVU lag am Ende mit 145 und BIW mit 136 Stimmen über der Sperrhürde. In Hamburg fehlten ihr 1997 ganze 169 Stimmen zum Bürgerschaftseinzug. Bei der Bürgerschaftswahl 2003 konnte die FDP über die Bremerhaven-Schiene einziehen – mit 341 Stimmen mehr als nötig.
Bei der Hamburg-Wahl 2001 schafften die Liberalen mit 680 Stimmen über den 5 Prozent knapp den Einzug. Hingegen scheiterten sie 2020, weil 1.060 Stimmen fehlten. Da zu diesem Zeitpunkt Wähler bis zu fünf Stimmen pro Stimmzettel abgeben konnten, wären das etwas mehr als 200 Einzelstimmen gewesen.
Die bislang knappsten Ergebnisse gab es 2019 in Thüringen, als die FDP mit 73 Stimmen über der Sperrklausel und 5,0066 Prozent in den Landtag kam, und 2022 im Saarland, als die Grünen 23 Stimmen zu wenig hatten.
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