Scholz: „notwendige Abschreckung gewährleisten“ — der Bundestag befasst sich mit US-Waffen
Das SPD-Präsidium hat sich klar zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland bekannt. Dies ist eine Reaktion auf Kritik an der Vereinbarung der Bundesregierung mit den USA auch in der Kanzlerpartei. Nun soll sich nach der Sommerpause der Bundestag mit dem brisanten Thema befassen. Fragen und Antworten rund um den Stationierungsbeschluss:
Was wurde mit den USA vereinbart?
Die Bundesregierung vereinbarte mit den USA am Rande des Nato-Gipfels am 10. Juli, dass erstmals seit den 1990er-Jahren ab 2026 wieder US-Waffen mit längerer Reichweite in Deutschland stationiert werden sollen. Dabei geht es um konventionell bewaffnete Systeme, eine nukleare Bewaffnung ist nicht geplant.
Wie rechtfertigt die Bundesregierung den Beschluss?
Angesichts des Russland-Ukraine-Kriegs und jahrelangen Verstößen Moskaus gegen Rüstungskontrollvereinbarungen müsse Deutschland „die notwendige Abschreckung gewährleisten, damit es eben nicht zu einem Krieg kommt“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Juli.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verweist auf eine „ernst zu nehmende Fähigkeitslücke“ gegenüber Russland, die durch die US-Waffen geschlossen werden könne, bis die Europäer selbst solche Waffen herstellen können.
Welche Raketen sollen stationiert werden?
Neben SM-6-Raketen mit einigen hundert Kilometern Reichweite sollen auch Tomahawk-Marschflugkörper stationiert werden. Sie können je nach Modell Ziele in einer Entfernung von 1300 bis 2500 Kilometern treffen – und damit auch weit im russischen Staatsgebiet, einschließlich der Hauptstadt Moskau.
Geplant ist zudem die Stationierung von noch in der Entwicklung befindlichen Hyperschallwaffen, die aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit besonders schwer abzuwehren sind. Russland verfügt nach eigenen Angaben bereits über solche Waffen.
Warum kritisieren SPD-Vertreter den Beschluss?
Während die Oppositionsparteien AfD, BSW und Linke die Stationierung ablehnen, kam auch aus der Kanzlerpartei SPD Kritik. „Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich“, sagte SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich. Der SPD-Linke Ralf Stegner warnte vor einem Rüstungswettlauf.
Ein Problem ist die Rüstungsentscheidung auch für die Wahlkämpfer im Osten: Dort lehnen nach einer Forsa-Umfrage von Ende Juli besonders viele Menschen die Stationierung der US-Waffen ab (74 Prozent).
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will dies bei den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September nutzen. Es hat den Verzicht auf die Stationierung zur Bedingung für Koalitionen auf Landesebene gemacht.
Wie steht die Union zu der Stationierung?
Die Union unterstützt die Stationierung der weitreichenden Waffen grundsätzlich. Sie könnten „einen wichtigen Beitrag zur langfristigen und glaubhaften Abschreckung leisten“, erklärte deren Verteidigungsexperte Johann Wadephul (CDU). Sein CDU-Kollege Roderich Kiesewetter sah eine „logische Konsequenz“ aus der Aufrüstungs- und Aggressionspolitik Russlands.
CDU/CSU kritisieren aber, dass die Bundesregierung die Entscheidung im Alleingang getroffen hat und fordern eine Debatte im Bundestag. Diese sagte das SPD-Präsidium nun „nach der parlamentarischen Sommerpause“ zu.
Ist eine Zustimmung des Bundestags nötig?
Eine Kurzeinschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von Ende Juli geht nicht davon aus. Verwiesen wird darin auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1984, die sich mit einem Regierungsbeschluss zur Stationierung nuklearer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses befasste. Die Richter vereinten damals mit sieben zu einer Stimme die Frage, ob die Rechte des Parlaments verletzt worden seien.
Die Bundesregierung sei durch den Nato-Vertrag und den Aufenthaltsvertrag zur Stationierung ausländischer Streitkräfte von 1954 berechtigt, solche Entscheidungen zu treffen, heißt es. Ein gesondertes Zustimmungsgesetz des Parlaments sei nicht nötig. Laut wissenschaftlichem Dienst bestätigte das Verfassungsgericht diese Rechtsprechung 1987 auch in der Frage der Stationierung von US-Chemiewaffen. (afp/red)
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