Blutspende zukünftig ohne Arzt vor Ort? Ärztepräsident kritisiert Lauterbachs geplante Verordnung
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran. Die Telemedizin könnte schon bald auch in der Blutspende umgesetzt werden. So sieht es zumindest ein Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor. Was jedoch als kostengünstig und effektiv dargestellt wird, ruft Kritik in der Ärzteschaft hervor.
Um dem Mangel an ärztlichem Fachpersonal in Blutspendeeinrichtungen Rechnung zu tragen, soll zukünftig auf die physische Anwesenheit eines Arztes verzichtet werden. Auch wenn es weder Erfahrungswerte noch wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, inwieweit sich dieses Szenario auf die Blutspendenbereitschaft auswirkt, setzt Lauterbach auch in diesem Bereich auf Telemedizin.
Der Arzt soll vom Bildschirm aus nicht nur die Spendertauglichkeit feststellen, sondern auch verantworten. Unter berufs- und haftungsrechtlichen Gesichtspunkten rät die Bundesärztekammer Ärzten jedoch ausdrücklich von einer Teilnahme an telemedizinisch betreuten Spendeterminen ohne Arztpräsenz ab.
Es sei bisher gar nicht überprüft worden, „ob die fehlende ärztliche Präsenz dazu führt, dass an sich Spendenwillige der Blutspende fernbleiben“, so Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.
Zwar beinhaltet eine von der Bundesärztekammer mit dem Paul-Ehrlich-Institut erarbeitete „Richtlinie Hämotherapie“, die für Blutspenden gilt, auch ein schrittweises Vorgehen zur Telemedizin, aber nur in Verbindung mit einer Evaluierung. Lauterbach hingegen geht einen Schritt weiter.
Erfahrene Blutspender zunächst im Fokus
Der Einsatz der Telemedizin soll laut Referentenentwurf zunächst nur bei Menschen zum Einsatz kommen, die bereits in der Vergangenheit Blut gespendet haben.
Denn anders als bei Erstspendern seien hier im Regelfall keine ausführlichen körperlichen Untersuchungen zur Feststellung der Spendereignung erforderlich, heißt es in dem Entwurf
Technische Voraussetzungen
Natürlich muss die Spendeneinrichtung über die erforderliche technische Ausstattung verfügen. Diese umfasst neben entsprechenden Computern und Webcams auch Software und sichere Dokumentationsprogramme – zumal die Technik über den gesamten Spendezeitraum uneingeschränkt funktionsfähig sein muss. Der entstehende Kostenaufwand wird auf etwa 15.000 Euro jährlich geschätzt.
„Den Kosten stehen Einsparungen durch die vereinfachte Organisation und Durchführbarkeit von Blut- und Spendeterminen gegenüber, die die Kosten der Spendeeinrichtungen mittel- und langfristig aller Voraussicht nach übersteigen“, heißt es weiter in dem Entwurf. Auf diese Weise würden die Kosten vollständig ausgeglichen.
Klar ist jedoch auch, dass bei fehlender Verbindung zum Arzt keine Blutspende erfolgen kann. Mit anderen Worten: Reißt die Internetverbindung zum Arzt ab, wird niemand zur Ader gelassen.
Höhe Anforderung an Personal
Auf das nicht ärztliche Personal, das die Blutspende vor Ort gewährleistet, kommen Schulungen sowie Aus- und Weiterbildungen zu. Denn für die Mitarbeiter sollen höhere Anforderungen gelten.
Sie müssen in der Lage sein, die notfallmedizinische Erstversorgung der Spender selbstständig durchführen zu können, und eine mindestens einjährige Erfahrung im Bereich der Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in einer Spender- oder vergleichbaren Einrichtung aufweisen.
Keine Evaluierung geplant
Eine ausdrückliche Evaluation für das Verfahren ist in der neuen Verordnung nicht vorgesehen, dafür aber eine umfassende Berichterstattung durch die jeweiligen Blutspendeeinrichtungen. Im ersten Jahr des Einsatzes der Telemedizin sollen die Einrichtungen halbjährlich und danach jährlich einen Bericht über die Auswirkungen auf die Spendersicherheit und das Spendeaufkommen erstellen – insbesondere hinsichtlich „unbeabsichtigter Reaktionen“ bei den Spendern sowie der notfallmedizinischen Erstversorgung und weiteren Folgemaßnahmen.
Aus den Berichten soll ferner hervorgehen, wie die Einrichtung den Einsatz der Telemedizin bewertet und wie dieser die Spendenbereitschaft beeinflusst.
Die Berichte sollen jeweils der zuständigen Behörde und dem Paul-Ehrlich-Institut übermittelt werden. Soweit die Behörde feststellt, dass bestehende Anforderungen nicht erfüllt werden, kann die Genehmigung für den Telemedizineinsatz widerrufen werden. Das gilt auch für den Fall, dass aus den Berichten hervorgeht, dass durch den Einsatz des Verfahrens ein Rückgang der Blutspenden verzeichnet wurde oder nicht auszuschließen ist.
Der Referentenentwurf befindet sich derzeit im laufenden Verfahren. Ob und wann mit einer Umsetzung gerechnet werden kann, bleibt somit abzuwarten.
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