Blumenverbot für Kriegsgräberstätten? – Anwalt sieht „grundlegende Rechtsverletzung“

Mit einem „Blumenverbot“ auf seinen bekanntesten Soldatenfriedhöfen sorgt der Kreis Düren für Ärgernis. Als regelmäßiger Besucher dieser Kriegsgräberstätten hat ein Düsseldorfer Rechtsanwalt rechtliche Schritte gegen das Verbot eingeleitet. Das Verwaltungsgericht Aachen traf nun eine Entscheidung.
Titelbild
Eine deutsche Kriegsgräberstätte in Ysselsteyn (Niederlanden).Foto: iStock
Von 2. April 2023

Seit Jahren schon zieht es den Düsseldorfer Rechtsanwalt Ingve Stjerna wie viele andere Menschen auch zu den im August 1952 eingerichteten Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren, um dort Blumen oder Kerzen als Trauerbekundung zu hinterlassen. Hintergrund sind Kriegsopfer in seiner eigenen Familie, durch die er sich verbunden fühlt mit den Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges.

Doch seit Sommer 2022 ist damit zumindest auf diesen Gräberstätten Schluss. Von diesem Zeitpunkt an erreichten den Rechtsanwalt mehrere Mitteilungen, dass der Kreis Düren jeglichen Grabschmuck von den beiden Kriegsgräberstätten entfernen ließ.

Verantwortlich für die Entfernung des Grabschmucks ist die CDU-geführte Verwaltung des Kreises Düren. Als die für diese Friedhöfe zuständige Verwaltung erließ sie eine neue Friedhofsordnung, die am 19. September 2022 durch einstimmige Zustimmung des Kreistags in Kraft trat.

Verpflichtung des Opfergedenkens entfernt

Die in der bisherigen „Friedhofsordnung“ besonders betonte gesetzliche Verpflichtung des Opfergedenkens aus § 1 Abs. 1 Gräbergesetz wurde in der Neufassung der Friedhofsordnung fallengelassen.

Dies begründete der Kreis Düren auf Anfrage damit, dass die spezifisch deutsche Formel vom „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ mittlerweile umstritten sei.

Unterschiedslos würden damit getötete Juden, Opfer von Massenmorden durch Wehrmacht und SS in Dörfern und Städten der Sowjetunion sowie gefallene Wehrmachtsoldaten und Angehörige der Waffen-SS zu eben jenen „Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ vereint. Folge man dieser Formel, habe es im Zweiten Weltkrieg nur Opfer gegeben – und keine Täter.

Unter der neuen Friedhofsordnung ist nicht mehr nur das Niederlegen von „Kränzen und ähnlichen Gebinden“, sondern auch dasjenige von „Blumen, Vasen oder anderen Zeichen der Trauerbekundung“ verboten.

Seitdem werden auf den Friedhöfen abgelegte Blumen und Kerzen entfernt und vernichtet – unter anderem am Volkstrauertag im vergangenen November, weiß Stjerna zu berichten.

Kreis Düren: „Inhaltlich“ gab es keine Änderung

Auf Nachfrage teilte der Kreis Düren mit, dass „inhaltlich nichts“ an der bisherigen Friedhofsordnung geändert worden sei. Der Begriff „Ehrenfriedhof“ sei lediglich durch den Begriff „Kriegsgräberstätte“ ausgetauscht worden.

Gleichzeitig erklärte man, dass im Laufe des Jahres – insbesondere zum Volkstrauertag – Angehörige oder Bekannte von Bestatteten Kränze, Gestecke, Blumen, Grableuchten, Fotos der Verstorbenen et cetera an den Gräbern ablegen dürfen.

„Der Kreis Düren hat festgelegt, dass diese Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis unter die Ausnahmeregelung fallen und keiner vorherigen Genehmigung bedarf“, heißt es.

Aussage Landrat vs. Kreis Düren

Diese Aussage widerspricht jedoch einer zuvor getroffenen Aussage des Landrates des Kreises Düren, Wolfgang Spelthahn (CDU).

Auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erklärte er schriftlich am 26.10.2022 zur Frage, ob die Angehörigen informiert wurden, dass ihr Grabschmuck von der Kriegsgräberstätte entfernt und entsorgt wurde: Die Angehörigen seien durch die aushängende Friedhofsordnung über die Nichtzulässigkeit des Anbringens von Grabschmuck informiert und müssten daher nicht zusätzlich über die Entfernung informiert werden.

Die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorgehens sei aufgrund der Friedhofsordnung gegeben. Der Friedhofswärter sei durch seinen Arbeitgeber, den Kreis Düren, mündlich angewiesen worden, entsprechend der Friedhofsordnung zu handeln. Der Kreis Düren könne gemäß der Friedhofsordnung Ausnahmen zulassen, wenn ihm dies angezeigt beziehungsweise dies beantragt werde. Eine derartige Anzeige oder Antrag habe es bislang nie gegeben, so der Landrat.

Entgegen der Aussage der Pressestelle des Kreises Düren ließ der Kreis also mithilfe mündlicher Anweisung Grabschmuck entfernen und entsorgen, ohne die Angehörigen zu informieren. Denn es sei ja kein Antrag zu einer Ausnahmegenehmigung gestellt worden.

Seit 1952: sieben Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund

Als Grund für das Verbot verweist der Kreis Düren auf rechtsextreme Vorfälle, die sich auf den besagten Soldatenfriedhöfen ereignet hätten. Rechtsanwalt Stjerna hatte hierzu im vergangenen Jahr um Auskunft gebeten, wie oft es solche Vorfälle zwischen 1952 und 2021 gegeben habe.

Die Antwort nannte insgesamt sieben Vorfälle – drei bis 2016 und vier nach 2016. Dabei ging es um Kranzniederlegungen und die Ablage von Symbolen und Zeichen mit rechtsextremem Hintergrund.

Nur in einem dieser Fälle sei Strafanzeige erstattet worden, dies wegen Bedrohung des damaligen Friedhofswärters.

Stjerna sieht eine grundlegende Rechtsverletzung

Der Kreis Düren erklärte Rechtsanwalt Stjerna, dass eine Änderung der Friedhofsordnung derzeit nicht vorgesehen ist. Er kündigte eine Dienstanweisung an, gerichtet an die Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter, wonach Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis der auf den Kriegsgräberstätten Bestatteten stets unter die Ausnahmeregelung fallen. Ausgenommen sind Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften.

Für Stjerna handelt es sich dennoch um eine grundlegende Rechtsverletzung, die gleich mehrere Grundrechte betreffe.

Auch scheint ihm die zukünftige Dienstanweisung nicht praktikabel: „Soll der Friedhofswärter zukünftig die Personalien der Besucher der Kriegsgräberstätten kontrollieren, um festzustellen, ob es Angehörige sind? Wie soll dies bei abweichenden Familiennamen überhaupt möglich sein?“

Davon abgesehen: Wollte man wirklich einen Unterschied zwischen Angehörigen/Bekannten und Dritten machen, würde dies schon angesichts des Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) einen weiteren rechtlichen Problemkreis eröffnen, denn ein legitimer Grund für eine solche Ungleichbehandlung Dritter sei nicht ersichtlich, so der Jurist.

Eilantrag vor Verwaltungsgericht Aachen

Bereits im Februar hatte er beim Verwaltungsgericht Aachen einen Eilantrag gegen das Verbot in der Friedhofsordnung zum Ablegen vom Grabschmuck eingereicht.

Mit einem Verweis darauf, dass er ja eine Ausnahmegenehmigung beantragen könne, verwarf das Gericht diesen Antrag am 22. März 2023.

„Angesichts der Friedhofsordnung für die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack vom 13. September 2022 bestehenden Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung für das grundsätzlich untersagte Niederlegen von Zeichen der Trauerbekundung zu beantragen, besteht für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis“, heißt es im Ablehnungsbescheid unter anderem.

In seinem Antrag an das Verwaltungsgericht hatte der Jurist eine in seinen Augen drohende Verletzung verschiedener Grundrechte – zum Beispiel der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die entsprechende Friedhofsordnung vom 13.09.2022 sowie deren mangelnde Bestimmtheit und mangelnde Verhältnismäßigkeit – gerügt.

Doch das schien das Gericht nicht zu überzeugen. Stjerna kündigte an, die Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht anzufechten:

„Das Verwaltungsgericht ist in seinem Beschluss über alle im Eilantrag geltend gemachten drohenden Grundrechtsrechtsverletzungen ohne jede inhaltliche Befassung lapidar hinweggegangen.“ Die Ausübung grundrechtlich geschützten Verhaltens wie die Ablage von Blumen auf einem Friedhof kann in den Augen des Juristen nicht ohne Weiteres verboten und von der Beantragung einer Ausnahmegenehmigung abhängig gemacht werden.

„Die Entscheidung ist schon ihrer Form nach hochgradig zweifelhaft und erst recht inhaltlich, ich werde sie daher beim OVG Nordrhein-Westfalen anfechten.“

5.300 Kriegsgräberstätten in Hürtgen und Vossenack

Die Schlacht im Hürtgenwald zwischen September 1944 und Februar 1945 in der Nordeifel bei Aachen ist als eine der längsten und verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte eingegangen.

Tausende deutsche und amerikanische Soldaten kamen hier in erbitterten Waldkämpfen ums Leben. Darunter waren auch zahlreiche Zivilisten und ausländische Staatsangehörige, vermutlich Zwangsarbeiter. Hinzu kommen auch über 130 Männer, die nach dem Krieg als Mitglieder von Minensuchkommandos ihr Leben verloren.

Die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren mit ihren mehr als 5.300 Kriegstoten, angelegt durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von 1949 bis 1952, sollen Zeugnis dieser Schlacht und ein Ort des Gedenkens, Erinnerns und des Trauerns für Überlebende, Angehörige und alle Menschen sein, die die vielen Todesopfer beklagen.

Bis 2008 gab es keinerlei Friedhofsordnung für die beiden Soldatenfriedhöfe. Mit dem Motiv, „Aufmärsche und Veranstaltungen auf den Ehrenfriedhöfen zu unterbinden, die der Würde der Friedhöfe als Ort der Trauer, des Totengedenkens und der Besinnung widersprechen“, führte der Kreis Düren dann eine erste Friedhofssatzung ein, die einstimmig vom Kreistag angenommen wurde. Untersagt wurde damals lediglich das Niederlegen von „Kränzen oder ähnlichen Gebinden an den Hochkreuzen, den Gedenksteinen oder dem Sarkophag in Vossenack“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion