BKA-Präsident: Es werden „nicht massenhaft Daten unbescholtener Bürger gespeichert“ – Ex-Datenschutzbeauftragter widerspricht
Trotz der Kritik wegen Fehlern bei der Datenspeicherung im Bundeskriminalamt (BKA) lehnt Behördenchef Holger Münch eine Generalrevision des Datenbestandes vorerst ab. Dies erübrige sich, weil das BKA ohnehin eine komplette Änderung des Speicherverfahrens plane, sagte Münch am Freitag in Berlin. Er wies Vorwürfe einer massenhaften Speicherung der Daten unbescholtener Bürger zurück, räumte aber auch Schwachstellen im bisherigen System ein.
Hintergrund der Vorwürfe ist der Entzug der Akkreditierung von 32 Journalisten für den G20-Gipfel in Hamburg wegen Sicherheitsbedenken. Das Bundesinnenministerium hatte eingestanden, dass dies mindestens in vier Fällen auf Datenfehler zurückging. ARD-Recherchen hatten daraufhin ergeben, dass allein in der BKA-Fallgruppe zur Inneren Sicherheit derzeit 109.625 Menschen und mehr als eine Million Datensätze zu politischen Delikten womöglich teilweise unrechtmäßig gespeichert sind.
Münch sagte in Berlin, die bisherige Berichterstattung über die Vorgänge vermittle „ein völlig falsches Bild“. Bei den unrechtmäßig entzogenen Akkreditierungen gehe es um vier Einzelfälle. „Das bedauern wir sehr und wir ziehen unsere Konsequenzen daraus.“
Es werden „nicht massenhaft Daten unbescholtener Bürger“ gespeichert
Der BKA-Chef verteidigte aber im Grundsatz das bestehende System der Datenspeicherung in dem zentralen polizeilichen Informationssystem Inpol: „Die Polizeien des Bundes und der Länder speichern nicht massenhaft Daten unbescholtener Bürger.“ Für die Speicherung und auch das Löschen der Daten sei immer die Behörde verantwortlich, die diese eingespeist habe. Dies seien in den meisten Fällen die Polizeien der Länder.
Als Knackpunkt erweist sich allerdings die Überprüfung von Inpol-Einträgen. Diese erfolgt laut Münch automatisch nach Ablauf bestimmter Fristen. Diese sind je nach Schwere des Vorwurfs zwischen einem und zehn Jahren gestaffelt, können aber auch verlängert werden. Bei dieser Prüfung würden dem BKA-Chef zufolge üblicherweise etwa 90 Prozent der geprüften Daten gelöscht.
Eine sofortige Löschung muss jedoch dann erfolgen, wenn etwa ein Freispruch vor Gericht klarstellt, dass ein Vorwurf unberechtigt war. Dazu müssten jedoch von der zuständigen Staatsanwaltschaft Informationen über einen Verfahrensausgang an die Polizei weitergegeben werden – was offensichtlich nicht immer passiert. „Das ist eine Schwachstelle, wo wir mit weiterer Automatisierung weiterkommen müssen“, sagte Münch.
Allerdings werden auch bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung Daten über den Beschuldigten weiterhin gespeichert, wenn die Polizei Anhaltspunkte hat, dass dieser künftig Straftaten begehen könnte. Dieses Vorgehen verteidigte Münch mit Blick auf die Gefahrenabwehr. Allerdings waren in den vergangenen Tagen Zweifel geäußert worden, ob die laut Bundesverfassungsgericht für eine solche Negativprognose erforderliche konkrete Einzelfallprüfung tatsächlich üblicherweise erfolgt.
Zu den deswegen erhobenen Forderungen nach einer Generalrevision des Datenbestandes sagte der BKA-Chef, es werde derzeit an der Einführung eines „polizeilichen Analyseverbundes“ gearbeitet, der die bisherigen Falldateien ablösten solle. Dies werde „mehr Datenschutz“ bei gleichzeitig „höherer Effektivität“ bedeuten“ und auch zu einer „Qualitätskontrolle“ hinsichtlich der Bestandsdaten genutzt werden.
Ex-Datenschutzbeauftragter Schaar widerspricht BKA-Präsident
Unterdessen hat der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar der Einschätzung von Münch widersprochen, wonach es bei der Datenspeicherung keine grundsätzlichen Probleme gebe.
„Die jüngsten Vorkommnisse um den Entzug der Akkreditierung belegen das Gegenteil“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Samstagsausgabe). „Es gibt ein riesiges Problem. Im polizeilichen Bereich werden Daten in erheblichem Umfang gespeichert, die nicht in die Dateien hätten gelangen dürfen. Auch bei der Prüfung der fortgesetzten Speicherung gibt es erhebliche Defizite“, so Schaar.
„Die Daten bleiben viel zu lange ungeprüft in den Datenbeständen. Im Ergebnis ist das nicht nur rechtlich problematisch. Es schadet überdies der Polizeiarbeit. Zu viele Daten bedeuten nicht automatisch bessere Erkenntnisse.“ Schaar fügte hinzu: „Bei der Kommunikation zwischen Polizei und Justiz gibt es ebenfalls erhebliche Mängel. Dass betrifft sogar Fälle, in denen eine Person oder ein Angeklagter wegen erwiesener Unschuld frei gesprochen wurde.“ (dts/afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion