„Bilanzen müssen ehrlich sein“: Kündigungsbrief an Söder mit messerscharfer Analyse der CSU-Politik
Mit Florian Stumfall (78) verlässt ein Urgestein die CSU – und das nach über einem halben Jahrhundert Parteimitgliedschaft. Der promovierte Politikwissenschaftler war 52 Jahre lang Mitglied der CSU. Zudem war er 25 Jahre lang politischer Redakteur beim „Bayernkurier“ und fünf Jahre lang außenpolitischer Referent in der CSU-Landesleitung. Daneben war Stumfall zeitweise Referent von Alfons Goppel im Europäischen Parlament und zuvor Referent der Hanns-Seidel-Stiftung.
Was könnte Florian Stumfall dazu veranlasst haben, seiner politischen Heimat nach solch einer langen Zeit den Rücken zu kehren? Die innere Loslösung von der Partei sei ein langwieriger und mühsamer Prozess für ihn gewesen, erklärt Stumfall in einem Interview bei „Tichys Einblick“.
Begonnen habe sein Loslösungsprozess aufgrund des von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschuldeten „Verlustes ordnungspolitischer Klarheit“. Der letzte Anstoß sei aber die Gender-Politik von CDU und CSU gewesen, der bereits Kleinkinder zum Opfer fielen, betont Stumfall.
Lange Liste des Versagens
In seinem Kündigungsbrief, den er an den bayrischen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Markus Söder adressiert hat, begründet Stumfall seinen Austritt aus der CSU mit einer langen Liste des Versagens der Partei.
Er schreibt: „Sehr geehrter Herr Vorsitzender, seit ich Ihre ersten Schritte im Landtag publizistisch begleitet habe, ist sehr viel anders geworden, vor allem die CSU. Ich will deshalb hier eine politische Summa der Politik der CSU und im Besonderen die Rolle darstellen, welche die CSU als Koalitionspartner in den Regierungsjahren Merkel gespielt hat. Bilanzen aber müssen ehrlich sein, in diesem Falle schonungslos.“
Sein Brief ist eine messerscharfe politische Analyse über den Zustand Deutschlands: Von der enormen Staatsverschuldung und der De-Industrialisierung des Landes über die Gefährdung der inneren und der äußeren Sicherheit Deutschlands bis hin zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit und zur Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien durch Kanzlerin Merkel, der CDU und CSU – Stumfall lässt so gut wie nichts aus und rechnet gnadenlos ab.
„Das ist nicht mehr die Partei, der ich vor 52 Jahren beigetreten bin, und für die ich ein Leben lang gearbeitet habe. Deshalb trete ich mit sofortiger Wirkung aus“, heißt es in seinem Austrittsschreiben.
Unter Kanzlerin Merkel und mit der Unterstützung durch CDU und CSU habe Deutschland „aufgehört, ein Rechtsstaat zu sein“, wirft Stumfall dem CSU-Vorsitzenden Söder vor:
Die Grenzöffnung, die Energiewende, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die verschiedenen Euro-Rettungen, vor allem die EU-Politik der Auflösung nationaler Souveränität, welche den mit einem Widerstandsrecht bewehrten Artikel 20 GG verletzt – alles geschieht gegen Recht und Gesetz.“
Weiter schreibt er: „Die Meinungsfreiheit wird mehr und mehr eingeschränkt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Netzwerkumsetzungsgesetz, das den Weg zu umfassender Kontrolle und Zensur freigibt. Medienleute oder Wissenschaftler, die nicht der Regierungslinie folgen, müssen mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen. Professor Bhakdi etwa hat wegen eines gescheiten aber missliebigen Buches sein Institut verloren. Dass Leuten, die in den freien Medien unbequeme Themen behandeln, der Zugang zum System gesperrt wird, ist längst Alltag. Zudem werden aufgrund jenes Gesetzes einzelne Beiträge in großer Zahl gelöscht.“
Scharfe Kritik an Gender-Politik
Über die Infrastruktur in Deutschland schreibt Stumfall: „Die Infrastruktur des Landes ist marode. Brücken und Straßen entsprechen nicht mehr dem Standard. Das Stromnetz ist überaltert und kann jederzeit kollabieren. Die Bahn ist dringend sanierungsbedürftig. Die traditionell zentralen Industriezweige, der Autobau, die Chemie und die Pharmazie befinden sich am Rande des Niedergangs. Das Gesundheitssystem ist ruinös. Es ist gekennzeichnet von Ärztemangel und Krankenhäusern, die hoffnungslos überlastet sind. In Deutschland, einst ‚Apotheke der Welt‘, kommt es zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten. Außerdem ist das Konstrukt kaum mehr finanzierbar.“
Auch der von der CSU mit erarbeitete Entwurf zum Geschlechtseintragungsänderungsgesetz wird von Stumfall scharf kritisiert. Das Gesetz gibt Kindern ab 14 Jahren die Entscheidungsfreiheit darüber, welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen, und zwar unabhängig der Meinung eines Arztes oder die der eigenen Eltern.
„Das CSU-geführte Bundesinnenministerium hat den Entwurf zum Geschlechtseintragungsänderungsgesetz mit erarbeitet, der Kindern ab 14 Jahren die Entscheidung darüber gibt, welches Geschlecht sie haben wollen, unabhängig von einem Arzt und auch gegen den Willen der Eltern. Immerhin fürchtet man den Wähler und hält den Entwurf bis zum Wahltag weitgehend unter Verschluss. Hier wird der Schritt von einer katastrophalen Politik hin zum Verbrechen getan. Ungeachtet ihrer christlichen Referenz beteiligt sich die CSU an einer Sünde gegen die eigene Jugend, die in ihrer Verworfenheit an die Versuche von KZ-Ärzten erinnert.“
Abschließend schreibt Florian Stumfall in seinem Brief an CSU-Chef Söder: „Früher hat die CSU dem Zeitgeist widerstanden und sogar der CDU etwas Halt gegeben. Heute beugt sie sich ihm in lustvoll-schmerzlicher Proskynese. Kennen Sie auch nur zehn Landtagsabgeordnete, welche die drei Prinzipien der Partei hersagen können, von der Bayern-Hymne ganz zu schweigen? Nein? Sehen Sie, in solch einem Zustand befindet sich die CSU!“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion