Bibelzitat am Berliner Schloss soll Nachts „überdeckt“ werden
Die Kritik am Schloss als ästhetisches architektonisches Kunstwerk, Geschichtszeugnis und Wahrzeichen deutscher kultureller Identität ist nicht neu. Auch nicht die Kritik an der damit verbundenen Präsentation monarchistischer oder christlicher Werte. Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, dem Schloss der Kurfürsten und preußischen Könige und schließlich des deutschen Kaisers, stieß seit den ersten Rekonstruktionsbemühungen auf Widerstand.
Während es für die Einen außer Frage steht, dass sich das Schloss in weitestgehend alter Form samt Kuppelkreuz und Bibelzitat zeigt, gibt es für Andere das dringende Bedürfnis, das Bibelzitat zu verdecken.
Dazu soll eine LED-Installation vor das Spruchband gestellt werden, um ihm „eine dauerhafte, positive und zeitgemäße Aussage entgegenzusetzen“. Texte aus dem Grundgesetz und der Menschenrechtserklärung sollen als Laufschrift um die Kuppel ziehen. Hinter der „Initiative Leuchtturm Berlin“ stehen der Informatiker Sven Lochmann und der Jurist Konrad Miller.
„Frage zu Kreuz und Kuppel muss immer wieder neu gestellt werden“
Die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss ist Betreiberin und Bauherrin des Schlosses, das jetzt „Humboldt Forum“ heißt. Deren Generalintendant Hartmut Dorgerloh erklärte dazu am Donnerstag gegenüber dpa: Die Frage zu Kreuz und Kuppel müsse immer wieder gestellt und „neue Antworten“ formuliert werden. Denn die Diskussion darum sei weiterhin „nicht befriedigt und nicht befriedet“. Das Humboldt Forum solle ein „weltoffener, demokratischer Debattenort“ sein.
Als die Diskussion um das Verdecken des Bibelzitates hochkam, äußerte Wilhelm von Boddien, der wohl wichtigste Initiator für den Wiederaufbau des Schlosses, gegenüber der Süddeutschen Zeitung: Er befürchte einen „kulturellen Bruch, wie wir ihn in unserer Geschichte noch nie hatten – die Herrschaft der Säkularisierung über unsere 2.000 Jahre alten Wurzeln im Christentum“. Von Boddien sammelte mit seinem Förderverein Berliner Schloss über 100 Millionen Euro an Spenden für die Rekonstruktion.
„Bibelzitat kann als Unterwerfungsaufruf verstanden werden“
Michael Mathis, Pressesprecher der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, begründet gegenüber dem christlichen Magazin „PRO“ das Überdecken so:
„Das zusammengesetzte Bibelzitat kann als ein Aufruf verstanden werden, sich dem Christentum zu unterwerfen. Es ist insofern für unser Haus problematisch.“ Für ihn ist das „keine Distanzierung vom Christentum oder von der Bibel. Sondern es ist eine Distanzierung von dem politisch motivierten Unterwerfungsanspruch von Friedrich Wilhelm IV. von Gottes Gnaden“. Im Humboldt Forum seien alle Weltreligionen vertreten. „Insofern ist da schon ein differenzierterer Blick geboten“, so Mathis.
Es stehe aber nicht zur Diskussion, den Spruch oder das Kreuz wegnehmen zu wollen. Den Vorschlag der „Initiative Leuchtturm“ fände man „grundsätzlich gut“, so Mathis. Man prüfe nun, in welcher Form und in welchem Zeitrahmen er umgesetzt werden könne.
Auch lote man verschiedene Optionen aus, wie weitere, alternative Textvorschläge entstehen können. Informationstafeln sollten zudem demnächst auf der Dachterrasse des Humboldt Forums aufgestellt werden, welche die Kuppel und die Inschrift für Besucher „historisch einordnen“. Er versichert: „Es geht keinesfalls um eine konstante Abänderung des Spruchs. Der wird nicht angefasst und tagsüber sowieso immer sichtbar bleiben.“
Theologe: Konflikt war vorherzusehen
Informationstafeln mit einer „Einordnung“ für das Bibelzitat und die ganze Diskussion hält Richard Schröder, Vorsitzender des Fördervereins Berliner Schloss, für abwegig. Der Philosoph und evangelische Theologe, der einst als Professor an der Berliner Humboldt-Universität lehrte, setzte sich im Mai 2022 in einem Artikel ausführlich mit den Vorwürfen gegen das Bibelzitat auseinander.
Dort stellt er zunächst klar, dass es sich beim Schloss um einen Sakralbau handelt. Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, hatte dort eine neue Schlosskapelle errichten lassen, als private Hauskirche für die Familie des Schlossherrn.
Eine Kapelle im eigenen Herrschaftssitz sei für alle Burgen und Schlösser Europas typisch, so Schröder. „Mit der Verbindung von Thron und Altar, hat das nichts zu tun.“ Denn die Bezugskirche des Königs als oberster Bischof seiner evangelischen Landeskirchen wäre der Berliner Dom und nicht die Schlosskapelle gewesen.
Er verweist darauf, dass der Schlossbau natürlich in einem feudal-absolutistischen Erscheinungsbild erscheint. Die heutige Aufgabe des Humboldt Forums lautet hingegen – Dialog der Kulturen. In der Umwidmung eines herrschaftlichen Schlosses zu einer bürgerlichen Kultureinrichtung war für Schröder ein Konflikt vorherzusehen.
„Auch der König ist Gott rechenschaftspflichtig“
Der Theologe sieht auch ein Missverständnis in Bezug auf das aus zwei Versen zusammengesetzte Bibelzitat an der Kuppel. Es lautet: „Es ist in keinem andern Heil (…) denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Hierin steckt für Schröder kein politisch motivierter Unterwerfungsanspruch oder Aufruf, sich dem Christentum zu unterwerfen, der durch den preußischen König kreiert wurde.
Der Theologe erklärt, dass der erste Text das Bekenntnis des Petrus wiedergebe, der nach seiner Verhaftung auf das Verbot, weiter von Jesus zu predigen, antworte, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Der zweite Text stammt aus dem Philipper-Brief (2,10). „Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Für Schröder stecke darin, dass Jesus Christus sich bis zum Tode am Kreuz erniedrigt habe und deshalb von Gott erhöht worden sei. Schröder verweist auf den griechischen Text, welcher nicht vom „Sich-Beugen-Müssen“ spricht, sondern vom „Sich-Beugen-Mögen“.
Ein Sieger könne den Besiegten in die Knie zwingen. Es gebe aber auch den freiwilligen Kniefall aus Respekt und Anerkennung. „So muss es hier gemeint sein, denn es folgt ja ein Bekenntnis“, ist sich der Theologe sicher.
Im apostolischen Glaubensbekenntnis würde das mit den Worten „sitzend zur Rechten Gottes“ ausgedrückt. Diese Dialektik von Erniedrigung und Erhöhung mache tatsächlich den Kern der urchristlichen Botschaft aus, so Schröder.
Das heißt: „Auch der König beugt vor Jesus seine Knie. Er ist Gott rechenschaftspflichtig.“
Um die Toleranz ist es schlecht bestellt …
In den Augen des Philosophen rechtfertige die traurige Geschichte der Gewalt im Christentum nicht, „diesem einen wesenseigenen Herrschaftsanspruch zu unterstellen“. Das Neue Testament kenne keine Weltherrschaftsermächtigung für Christen und auch keine Aufforderung zur Unterwerfung Ungläubiger. „Es kennt lediglich einen Missionsbefehl, nämlich unter allen Völkern das Evangelium zu verkünden.“ Jesu Botschaft sei herrschaftskritisch und lehne Gewalt ab, so der Theologe.
Richard Schröder resümiert: „Um die Toleranz ist es schlecht bestellt, wenn nicht einmal der Anblick eines hundertfünfzig Jahre alten Textes ertragen wird, dem doch niemand zustimmen muss.“
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