BGH entscheidet über Urteil gegen ehemaligen Weimarer Familienrichter Dettmar

Fast genau vor einem Jahr verurteilte das Landgericht Erfurt den ehemaligen Weimarer Familienrichter Christian Dettmar wegen Rechtsbeugung. Dagegen legte seine Verteidigung Revision ein. Mit Spannung schaut man nun nach Karlsruhe in einem der seltenen Fälle, bei dem in der Bundesrepublik Deutschland ein Richter vorm obersten Gericht für Zivil- und Strafverfahren steht.
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Ende August 2023 wurde ein Urteil im Fall des Weimarer Familienrichters Christian Dettmar (sitzend) gesprochen.Foto: Epoch Times
Von 27. August 2024

Am 28. August entscheidet der Bundesgerichtshof in Karlsruhe über die Revision des ehemaligen Weimarer Familienrichters Christian Dettmar. Das Gericht prüft dabei, ob es Rechtsfehler im Urteil des Landgerichtes Erfurt (LG Erfurt) vom 23. August 2023 sieht.

Dettmar wurde durch das LG Erfurt wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine Verteidigung forderte damals einen Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine dreijährige Haftstrafe ohne Bewährung. Dettmars Verteidiger Gerhard Strate kündigte unmittelbar nach der Urteilsverkündung in Erfurt an, Revision einlegen zu wollen.

Hintergrund ist, dass der damalige Familienrichter des Amtsgerichts Weimar im April 2021 – also während der Corona-Zeit – per einstweiliger Anordnung den Schulleitungen und Lehrkräften zweier Schulen die Durchführung einzelner Corona-Maßnahmen untersagte, weil er das Kindeswohl gefährdet sah.

Dabei ging es um das Maskentragen, das Einhalten von Mindestabständen und das Durchführen von Corona-Schnelltests.

Entscheidung des Familiengerichtes sorgte für Aufsehen

Die Entscheidung des dreifachen Familienvaters sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Auch die anschließenden Hausdurchsuchungen bei Dettmar und mindestens acht Personen seines Umkreises beziehungsweise den Prozessbeteiligten sorgten in der Anwaltschaft, Richterschaft und unter Rechtsgelehrten für Aufsehen.

So sahen einige ein Novum in der Rechtsgeschichte und befürchteten eine Aufweichung der Unabhängigkeit der Richterschaft durch staatlich verfügte, in ihren Augen unverhältnismäßige, Durchsuchungen.

„Wir sind entsetzt“, sagte ein Sprecher des Netzwerks Kritische Richter und Staatsanwälte gegenüber „Tichys Einblick“. „Es handelt sich unseres Erachtens um einen krassen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Durch diese Maßnahme wird sich kein Richter in Deutschland mehr trauen, eine Entscheidung zu treffen, die in diese Richtung geht.“

Das LG Erfurt erklärte zu der Bewährungsstrafe, die es schließlich gegen Dettmar erteilte, dass er in seinem Verhalten „einen sehr schwerwiegenden Rechtsverstoß gegen die Grundprinzipien eines Rechtsstaats“ begangen habe.

Dettmar sei gezielt im Vorfeld auf Eltern zugegangen und habe Anwälte angesprochen, damit ein Kindeswohlverfahren am Amtsgericht Weimar mit ihm als Richter zustande komme. Daher spiele das Urteil und ob es rechtmäßig im Sinne des Inhalts war, gar keine Rolle.

„Er hat dafür das ihm übertragene Richteramt zielgerichtet benutzt und damit missbraucht“, heißt es in dem Urteil.

Und weiter: „Zur Verschleierung seiner Voreingenommenheit suchte er für eine Anregung eines Kinderschutzverfahrens (…) gezielt nach geeigneten Betroffenen, die aufgrund des Familiennamens der Kinder seiner Zuständigkeit unterfallen würden, bearbeitete die Anregung der Familie maßgebend mit und achtete während des familiengerichtlichen Verfahrens darauf, dass seine vorgefasste Position, die ihm bewusst war, nicht nach außen erkennbar wird.“

„Blanke Selbstverständlichkeit“

Dettmar erwiderte damals vor Gericht auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, dass es für ihn als Familienrichter eine „blanke Selbstverständlichkeit“ sei, dass man unmittelbar Betroffenen oder ihrem Umfeld nahelegen könne, geeignete Fälle von Kindeswohlgefährdung an das Familiengericht heranzutragen.

„Als Familienrichter kann ich also von mir aus – und bin dazu sogar verpflichtet – ein solches Verfahren einzuleiten, wenn mir Umstände bekannt werden, die den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung begründen.“ Doch initiiert habe er das Verfahren nicht. „Die Kindesmutter, die die Verfahren angeregt hat, hat die Angelegenheit von sich aus an das Familiengericht herangetragen.“

Auf die Anregung der Mutter zweier Schüler an den betroffenen Schulen hin habe er dann am 15. März 2021 ein Verfahren zur Überprüfung von Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet.

Verteidiger Strate zeigte sich damals gegenüber Epoch Times überrascht vom Urteil: „Wir hatten fest mit einer Freisprechung von Herrn Dettmar gerechnet, weil die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft unsinnig waren.“ Sie blieben es auch in der Interpretation durch dieses Gericht, erklärte der Verteidiger gegenüber Epoch Times.

Jeder Richter sei ab einem bestimmten Zeitpunkt befangen, wenn er sich mit einem Problem befasse, befand der Hamburger. Man wisse nicht so recht, was seinem Mandanten eigentlich vorgeworfen werde.

„Nach der Rechtsprechung ist es so: Wenn ein befangener Richter entscheidet, ist immer noch die Frage zu stellen, ob die Entscheidung eine richtige gewesen ist oder eine falsche.“ Diese Frage habe das Gericht an keiner Stelle beantwortet.

Aus Richterschaft entlassen

Bereits im Vorfeld des damaligen Verfahrens in Erfurt wurde Dettmar vom Richterdienstgericht Meiningen seines Richteramtes enthoben.

Sollte der BGH die Revision ablehnen, wäre Dettmar rechtskräftig verurteilt und automatisch aus dem Richteramt entfernt. Jede Strafe von mehr als einem Jahr – auch auf Bewährung – schließt den Richterdienst aus.

Unter Rechtsexperten ist der Ausgang ungewiss: So sehen Elisa Hoven und Frauke Rostalski keine Straftat. Beide sind Professorinnen für Strafrecht, die eine an der Universität Leipzig, die andere an der Universität Köln.



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