Beweismittelsicherung oder Einschüchterung? Hausdurchsuchung bei Corona-Maßnahmenkritikerin
Björn Lars Oberndorf, Vorsitzender des Vereins Polizisten für Aufklärung, erklärte kürzlich, er sehe mit Beginn der Corona-Maßnahmen im März 2020 eine Häufung an vollstreckten Durchsuchungsmaßnahmen zum Nachteil von Corona-Maßnahmenkritikern.
Oberndorf war dieses Jahr selbst Ziel einer Hausdurchsuchung durch die Polizei-Eliteeinheit GSG 9. Er ist Zeuge in einem Gerichtsprozess. Hausdurchsuchungen müssen generell durch Richter erlassen werden. Er vermutet in vielen Fällen eine politische Motivation dahinter.
Hausdurchsuchung aufgrund von mutmaßlicher Beleidigung
Anzeichen dafür sah er dafür auch in der am 1. November 2023 durchgeführten Hausdurchsuchung in Berlin bei der ehemaligen Krankenschwester Sabrina Kollmorgen (50).
Kollmorgen nahm während der Corona-Krise mehrfach an Corona-Demos teil und war bis zum Frühjahr 2023 Mitglied bei der Corona-maßnahmenkritischen Partei dieBasis. Für diese ließ sich die Berlinerin bei der Bezirksverordnetenwahl 2021 in der Hauptstadt als Direktkandidatin aufstellen. Nach ihren Angaben ist sie aktuell Mitarbeiterin in den Büros von zwei AfD-Bundespolitikern.
Die Berliner Staatsanwaltschaft beantragte Ende Oktober 2023 eine Hausdurchsuchung bei ihr wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen § 185 StGB – also Beleidigung.
Ihr wird vorgeworfen, mittels einer WhatsApp-Nachricht Kontakt zu einem Mitglied des Berliner Remmo-Clans aufgenommen zu haben, welcher laut Staatsanwaltschaft „wegen Delikten gegen die Person zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde“.
Dabei soll sie in einer Nachricht an ihn eine Staatsanwältin, die mit ihrem Fall (Anklage auf Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte im Rahmen einer Corona-Demo) vor Gericht befasst sein soll, beleidigt haben.
In der Nachricht soll Kollmorgen geschrieben haben: „Das ist meine Faschisten Staatsanwältin“ und ein Profil der zum Verwechseln ähnelnden Schwester der Berliner Staatsanwältin beigefügt haben. Für das Gericht beabsichtigte Kollmorgen damit, die Staatsbeamtin in ihrer Ehre herabzusetzen.
„Mit Schussweste, Waffen und Rammbock vor der Haustür“
Diese Nachricht gelangte von dem Clanmitglied per Screenshot über die Schwester der Staatsanwältin offenbar zur Berliner Staatsanwaltschaft. Zur Auffindung weiterer Beweismittel, „nämlich mobiler und internetfähiger Endgeräte“, durch die man Rückschlüsse auf die Urheberschaft der Chatnachricht erhoffte, beantragte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl. Das Berliner Amtsgericht gab dem Gesuch statt.
Gegenüber der Epoch Times erklärte Kollmorgen, dass am 1. November morgens gegen 6 Uhr Polizisten mit „Schussweste, Waffen und Rammbock vor der Haustür“ gestanden hätten, die sie und ihren 19-jährigen Sohn aus dem Bett geholt haben. Dann wären die Beamten „sehr gewaltsam durch die Wohnung gerannt […] und haben alles auseinandergerupft“.
Als sie ihre Rechtsanwältin anrufen wollte, sei ihr dies erst erlaubt worden. Doch kaum habe sie das Handy entsperrt, habe ein Polizist versucht, ihr das Gerät aus der Hand zu reißen, berichtete Kollmorgen. Allerdings konnte sie nach eigenen Angaben das Handy hinter ihrem Rücken „schnell verbergen“.
„Polizist stand beim Zähneputzen daneben“
Der Polizist habe sich dann ohne Vorwarnung auf sie „gestürzt“. „Ich hatte seine Knie in meinem Unterleib, seinen Oberkörper auf meinem Brustkorb.“ Dabei habe er ihr das Handy entwendet. Dabei sei sie nach eigenen Angaben verletzt worden. Sie habe aber bisher keine Strafanzeige gestellt. Jedoch sollen die Verletzungen ärztlich dokumentiert sein.
Ihrer Ansicht nach ging es dem Polizisten darum, das Handy entsperrt zu bekommen. Insgesamt wurden vier Handys und der Laptop ihres Sohnes beschlagnahmt.
Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft schildert den Sachverhalt anders: „Nach Auffinden des Mobiltelefons wurde durch den Beamten und dem die Maßnahmen begleitenden Staatsanwalt mehrfach nachgefragt, ob die Beschuldigte Personen kontaktieren wolle. Die Beschuldigte verneinte dies. Überdies wusste sie ihre PIN nicht mehr und konnte ihr Telefon daher nicht entsperren.“
„Der Beschuldigten wurde zudem gestattet, über den Dienstlaptop Kontakt zu ihrem Arbeitgeber aufzunehmen.“ Kollmorgen kann sich nicht daran erinnern, gefragt worden zu sein, äußert sie der Epoch Times auf Nachfrage.
„Ich fühlte mich entmenschlicht und entrechtet“
Nach der Durchsuchung habe man ihr erklärt, man müsse sie mit auf die Polizeidienststelle nehmen, um Fingerabdrücke und Fotos von ihr aufzunehmen. Als sie sich dann fertig machte, soll beim Zähneputzen ein Polizist neben ihr zur Bewachung im Bad gestanden haben. „Eine fremde Person neben mir im Bad zu haben. […] Ich fühlte mich entmenschlicht und entrechtet. Mir wurde jede Würde genommen.“
Auf der Straße auf dem Weg zum Polizeiauto, umringt von Polizisten, sei sie auf Nachbarn mit ihren Kindern getroffen. Ihrer Aussage nach habe sie ein gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn. „Sie waren sehr erschrocken, als sie mich so in Begleitung der Polizei antrafen.“
Ein Polizist habe ihr dann gesagt, dass er ihr Handfesseln für die Fahrt anlegen will. Nach einem Einwand von Kollmorgen hätte man jedoch davon abgelassen. Danach sei sie zur „erkennungsdienstlichen Behandlung“ mit auf ein Polizeirevier genommen worden.
Sie bezeichnete gegenüber der Epoch Times die Polizei-Aktion als „sehr groben, vorsätzlichen und schweren Rechtsbruch“. „Hier wird eine Straftat konstruiert, um mich mundtot zu machen, um mich zu brechen.“
Die Beamten, die das Recht umsetzen sollten, wären in diesem Fall die, die es brechen würden, so die zweifache Mutter.
Polizei gibt keine Auskunft
Wir fragten die Berliner Staatsanwaltschaft, warum die Beschuldigte erkennungsdienstlich behandelt wurde. Sie war durch ihre Teilnahmen an Corona-Demos und dortigen polizeilichen Maßnahmen bereits polizeibekannt. Diese verwies uns an die Polizei-Pressestelle.
Die Polizei gab jedoch keine Auskunft: „Eine Beantwortung der Frage kann aus persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen.“
Bei der Frage an die Staatsanwaltschaft, warum die Beschuldigte nicht zur Klärung in ein Polizeirevier geladen wurde, verwies man auf die Suche nach Beweismitteln „durch die Rückschlüsse auf die Urheberschaft der Chatnachricht möglich wären“.
Offene Fragen
Für den Kriminologen Oberndorf wirft der Fall mehrere Fragen auf. Zum einen müsse die Polizei einem erlauben, einen Rechtsbeistand zu kontaktieren, so der frühere Polizist. Ein Recht dazu, sein eigenes Handy nutzen zu können, gebe es allerdings nicht. „Es kann die Nummer aus dem Handy rausgeschrieben und über das Diensthandy angerufen werden“, erklärt er.
Es gebe auch Situationen, wo dies aus einsatztaktischen Gründe nicht möglich sei, zum Beispiel, wenn eine Gefährdungslage herrsche. Im Fall der „sehr zierlichen“ Kollmorgen sehe er keine. Auch habe man das Recht, einen Zeugen für das polizeiliche Vorgehen herbeizurufen, wobei man nicht verlangen kann, dass so lange gewartet würde, bis dieser eintreffe.
Bei der Durchsuchung bei Kollmorgen war ihrer Aussage nach neben den Polizeibeamten auch ein Oberstaatsanwalt der Berliner Staatsanwaltschaft und ein nicht näher bekannter Gemeindevertreter anwesend.
Auffinden von Beweismitteln oder Einschüchterung?
Oberndorf sieht im Fall Kollmorgen eine Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Es gelte der Artikel 13 des Grundgesetzes – die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese dürfe nur zum Schutz unerlässlicher öffentlicher Interessen eingegriffen werden, so der Kriminologe.
Auch die Mitnahme von Kollmorgen und eine erkennungsdienstliche Behandlung aufgrund einer Beleidigung sowie eine mögliche Missachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung müsse man rechtlich prüfen. „Auf den beschlagnahmten Mobiltelefonen sind sicherlich Kontakte, Fotos, Videos, Sprach- und Textnachrichten abgespeichert.“
Für ihn steht der Anfangsverdacht im Raum, dass es gegebenenfalls gar nicht um das Auffinden von Beweismitteln ging, sondern gegebenenfalls um eine „Ausforschungsdurchsuchung“ oder Einschüchterung der parlamentarischen Opposition.
Verletzung der Vertraulichkeit?
Noch kritischer äußert sich Udo Leibmann, CEO und Pressesprecher für die Menschenrechtsorganisation United for Freedom mit Sitz in Großbritannien.
Er setzt sich mit einem Schreiben an die Berliner Generalanwaltschaft für Kollmorgen ein. Ob sich durch die Beschlagnahmung der Handys und des Laptops gerichtsfest nachweisen lässt, dass eine bestimmte Nachricht über eine App von einer bestimmten Person abgeschickt wurde, hält er für fraglich. Die Übersendung von Screenshots einer privaten Konversation sieht er als eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB.
Damit wäre die Weiterleitung der Screenshots des Zeugen [des Clanmitgliedes] an die Schwester der Staatsanwältin die schwerwiegendere Tat als die vermeintliche Beleidigung nach § 185 StGB.“
Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch illegal erlangte Informationen und die daraufhin angeordnete Durchsuchung verstoße in seinen Augen somit gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 17 ICCPR – dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
„Willkürliche Festnahme“
Das Verhindern einer Smartphone-Aufzeichnung vom Sohn von Frau Kollmorgen „der durch die Polizei und den Staatsanwalt begangenen Straftaten unter Gewaltandrohung gegen ihn“, sieht er als Strafvereitlung nach § 258 StGB.
Zudem sei die „willkürliche Festnahme“ der Beschuldigten und anschließende Abnahme ihrer Fingerabdrücke Freiheitsberaubung nach § 239 StGB und Verstoß gegen die EU-Richtlinie 2016/680 zum Schutz personenbezogener Daten.
Er fordert eine umgehende Einstellung des Verfahrens und die sofortige Herausgabe der in seinen Augen rechtswidrig beschlagnahmten Gegenstände.
„Wenn man solch unbequeme Bürger wie Kollmorgen einschüchtern will, spielen die Menschenrechte de facto keine Rolle.“
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