Bewegung bei Taurus? Koalitionsantrag zu Waffen geplant

Der Kanzler zögert mit der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Mit ihnen könnte Moskau erreicht werden. Die Koalitionsfraktionen erhöhen nun den Druck.
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen.
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen.Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa
Epoch Times20. Februar 2024

Im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erhöht sich der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Koalitionsfraktionen wollen die Bundesregierung im Bundestag gemeinsam auffordern, weitere Waffen an die Ukraine zu liefern – und zwar Systeme, die weit hinter die russische Frontlinie reichen.

Im Entwurf für einen gemeinsamen Koalitionsantrag werden die Taurus, gegen die Scholz sich bisher sträubt, nicht namentlich erwähnt.

Das Papier der Fraktionsvorsitzenden, das dem Magazin „Stern“ und der dpa vorliegt, fordert „die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition, um die Ukraine (…) in die Lage zu versetzten, völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen“.

Heute tagen die Bundestagsfraktionen intern. Der Antrag von SPD, Grünen und FDP soll laut „Stern“ in dieser Woche im Parlament zur Abstimmung gestellt werden. Formeller Anlass ist der zehnte Jahrestag des russischen Eingriffs auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Wie die Forderung begründet wird

„Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können“, heißt es im Antragsentwurf der Fraktionschefs.

„Der Bundestag begrüßt daher die Lieferungen von Lenkflugkörpern unserer französischen und britischen Partner an die Ukraine. Der Einsatz von präzisen Abstandswaffen zur Landesverteidigung ist mit dem Völkerrecht vereinbar und für den Schutz der Ukraine unverzichtbar.“

Großbritannien und Frankreich liefern der Ukraine bereits seit langem Marschflugkörper der praktisch identischen Typen Storm Shadow und Scalp. Diese gelten aber als nicht so präzise und leistungsstark wie Taurus.

Was Taurus eigentlich sind

Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen. Sie können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung mit großer Präzision treffen.

Die Marschflugkörper Taurus KEPD-350 können Bunker sowie andere gut gesicherte Anlagen wie Munitionsdepots oder Kommandoposten zerstören. Der fünf Meter lange Marschflugkörper orientiert sich bei seinem Flug anhand von Daten über die Geländebeschaffenheit und gleicht seinen Standort über Bild- und Infrarotsensoren sowie GPS-Navigationsdaten ab. Taurus kann dabei feindliches Radar mit hoher Geschwindigkeit in weniger als 50 Meter Höhe unterfliegen.

Beim Aufschlag sprengt eine erste Ladung eine Lücke in die Wand oder Decke der Ziele. Durch diese dringt dann ein 400 Kilo schwerer und mit Sprengstoff gefüllter Metallstab ein und explodiert.

Mit der Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten die Marschflugkörper auch russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentren zerstören. Moskau liegt etwas weniger als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt, also in Taurus-Reichweite.

Wie Scholz bisher agiert

Die Regierung der angegriffenen Ukraine hatte die Taurus-Marschflugkörper im Mai 2023 offiziell von Deutschland erbeten. Der Kanzler erklärte im Oktober, dass Deutschland Taurus vorerst nicht liefern werde.

Dahinter steht die Befürchtung, dass die Flugkörper russisches Territorium treffen könnten und Russland dies als direkten Angriff mit deutscher Beteiligung werten würde.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wich Scholz am Samstag der Frage aus, ob er sie vielleicht doch noch freigeben will.

Er versicherte in einem Interview lediglich, dass Deutschland immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstützen. Auch gegen die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern hatte sich Scholz lange gesträubt: Im Januar 2023 gab er dann nach, nachdem die USA die Lieferung von Abrams-Panzern zugesagt hatten, im März wurden sie geliefert.

Was die Parteien wollen

FDP und Grüne werben seit langem dafür, der Ukraine mit Taurus-Waffen die Möglichkeit zu geben, russische Nachschublinien hinter der Front zu attackieren. Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) will für einen Antrag der Unionsfraktion stimmen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern.

Dass der Begriff Taurus nicht im Text steht, dafür macht Strack-Zimmermann die SPD verantwortlich: „Eine namentliche Nennung scheiterte an der SPD-Fraktionsspitze und der Starrköpfigkeit des Kanzleramtes.“ Es hätten noch immer nicht alle in der SPD verstanden, „dass die Ukraine um unseren Frieden und unsere Freiheit und unsere Zukunft in Europa kämpft“.

Die Union will dem angekündigten Antrag nur zustimmen, wenn dieser auch Taurus-Marschflugkörper umfasst. „Wir machen es von der Sache abhängig und auch der Klarheit, die sich in dem Antrag wiederfindet“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen am Dienstag den Sendern RTL und ntv.

Dies sei aktuell nicht der Fall. Die Union erklärt: „Die FDP hat es nicht mal geschafft, das Wort Taurus in diesen Antrag zu bekommen.“ Die aktuelle Fassung nannte Röttgen „verschwurbelte Koalitionsformulierungen“, die Union sei nicht dafür zuständig, dem Antrag zuzustimmen und so dafür zu sorgen, dass die Ampel „ihren inneren Frieden findet“.

Auch erneuerte das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses seine Forderung für Taurus-Lieferungen an die Ukraine: „Wir als Union sind einstimmig dafür, dass diese Waffen geliefert werden müssen. Weil sie auf ukrainischem Territorium russische Waffen und Munition zerstören, bevor diese Waffen und diese Munition Zivilisten töten.“

Was noch im Antrag steht

„Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen auch längerfristig in die Lage versetzt werden, sich der Aggression des russischen Präsidenten Putin entgegenzustellen. Das ist eine unverzichtbare, klare Botschaft an den russischen Präsidenten, der offensichtlich darauf setzt, dass die internationale Unterstützung der Ukraine nachlässt“, heißt es im Antragsentwurf. „Die Europäische Union sollte sich zum Ziel setzen, die langfristige Unterstützung der Ukraine aus eigener Kraft sicherstellen zu können.“

Gefordert wird auch, die Ukraine „mit der Lieferung von gepanzerten Kampfsystemen und geschützten Fahrzeugen weiter zu stärken“.

Das Papier enthält darüber hinaus eine Vielzahl von Forderungen an die Bundesregierung politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Art: etwa weitere Sanktionen zu unterstützen; für die Aktivierung eingefrorener russischer Vermögen zugunsten der Ukraine einzutreten; die Dokumentation von Völkerrechtsverbrechen zu unterstützen; den Ministerien zu empfehlen, ukrainische Namen und Orte in ukrainischer statt russischer Schreibweise zu benennen. (dpa/dts/red)



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