Bestätigung von Weidel und Chrupalla wahrscheinlich – Parteirechte könnten sich wechselseitig schachmatt setzen

Bislang hat es keinen Parteitag der AfD ohne Machtkämpfe zwischen „bürgerlichen“ und rechtsnationalistischen Kräften gegeben. Diesmal befehden sich Parteirechte gegenseitig. Auf das Führungsduo aus Alice Weidel und Tino Chrupalla dürfte dies stabilisierend wirken.
Am kommenden Wochenende veranstaltet die AfD in der Essener Grugehalle ihren Bundesparteitag.
Am kommenden Wochenende veranstaltet die AfD in der Essener Grugehalle ihren Bundesparteitag.Foto: Helge Toben/dpa
Von 28. Juni 2024

Am Freitag, 28. Juni, wird in Essen der auf drei Tage anberaumte Bundesparteitag der AfD in der Grugahalle in Essen beginnen. Bereits am Samstag der Vorwoche hatte die Stadt darauf verzichtet, sich weiter gegen die Abhaltung des Parteitags der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei vorzugehen. Am Rande der Veranstaltung wird mit einer fünfstelligen Anzahl an Gegendemonstranten gerechnet.

Reul rechnet mit bis zu 80.000 Gegendemonstranten

Der Innenminister von NRW, Herbert Reul, hält eine Beteiligung von bis zu 80.000 Personen an Protestaktionen gegen den Parteitag für möglich. Unter diesen werden sich seiner Einschätzung zufolge auch mehrere hundert „gewalttätige Störer aus dem Bereich der linksextremistischen Szene“ befinden, prognostizierte er gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).

Diese hätten im Vorfeld des Parteitags auch bundesweite „Aktionstrainings“ durchgeführt, in denen beispielsweise Blockadeoptionen geübt worden seien. Die Polizei in NRW sieht sich jedoch gut gerüstet für die Aufgabe, die dadurch erschwert wird, dass es am Samstag auch eine Reihe von Veranstaltungen mit Bezug zur Fußball-EM geben wird. Um 21:00 Uhr bestreitet die deutsche Nationalelf in Dortmund ihr Achtelfinale gegen Dänemark.

Die Stadt Essen hatte im Vorfeld versucht, über die Messegesellschaft eine Selbstverpflichtung der AfD einzufordern. In dieser sollte die Partei die Verantwortung für mögliche Rechtsverletzungen wie die Äußerung von NS-Parolen während des Parteitags übernehmen. Der stellvertretende AfD-Chef Peter Boehringer erklärte, es sei unmöglich, bei einer Veranstaltung dieser Art jede problematische Äußerung zu kontrollieren.

Die Messegesellschaft kündigte aufgrund der Weigerung der Partei, eine entsprechende Klausel zu unterzeichnen, den Mietvertrag. Am Freitag der Vorwoche stellte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen jedoch fest, dass Essen der AfD aus Gründen der Gleichbehandlung die Nutzung der Halle ermöglichen müsse. Daraufhin wies die Stadt die Messegesellschaft an, dem Urteil zu entsprechen.

Palastrevolte wie 2015 in Essen, diesmal wenig wahrscheinlich

Die AfD hält bereits zum zweiten Mal nach 2015 ihren Bundesparteitag in Essen ab. Damals wurde der Gründungsvorsitzende Bernd Lucke abgewählt. Ihn löste damals Frauke Petry ab, die zwei Jahre später von sich aus die Partei verließ.

Eine Palastrevolte wird es in diesem Jahr kaum geben – auch, wenn die von Parteisprecherin Alice Weidel in Aussicht gestellte Aufarbeitung des jüngsten Wahlergebnisses für Kontroversen sorgen dürfte. Bei der EU-Wahl ist die AfD mit einem Ergebnis von 15,9 Prozent bundesweit zweitstärkste Kraft geworden.

Damit konnte sie sich gegenüber 2019 um fast fünf Prozent steigern – in den ostdeutschen Bundesländern wurde die AfD sogar stimmenstärkste Partei. Das Ergebnis gilt parteiintern jedoch nicht als optimal, zumal die bundesweiten Umfrageergebnisse zu Beginn des Jahres noch deutlich über 20 Prozent gelegen hatten.

ID-Fraktion nimmt AfD-Abgeordnete nicht mehr auf

Die AfD-Delegation im EU-Parlament hat den Spitzenkandidaten Maximilian Krah nicht in ihre Reihen aufgenommen. Damit werden nur 14 Gewählte der Delegation angehören. Krah war im Laufe des Wahlkampfs unter Druck geraten, weil einer seiner Mitarbeiter unter dem Verdacht festgenommen wurde, für Chinas KP-Regime spioniert zu haben.

Dazu hat er sich gegenüber einer italienischen Zeitung in einer als apologetisch gelesenen Weise über Soldaten der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg geäußert. Dies nahm die ID-Fraktion im EU-Parlament auf Betreiben von „Rassemblement National“-Chefin Marine Le Pen zum Anlass, einen Ausschluss der gesamten AfD aus der Fraktion zu erwirken.

Dass die Delegation sich nun bereiterklärt hatte, Krah auszuschließen, um erneut Teil der ID-Fraktion werden zu können, änderte nichts an deren Weigerung, die Abgeordneten wieder aufzunehmen. Zuletzt war die Gründung einer möglichen Fraktion „Die Souveränisten“ im Gespräch. Bedenken bezüglich einzelner potenzieller Partner hatten jedoch zu Beginn der Woche zur Entscheidung der AfD-Abgeordneten geführt, das Vorhaben derzeit nicht weiterzuverfolgen. Krah will man dennoch nicht wieder in die Delegation aufnehmen – anders als den Listenzweiten Petr Bystron, gegen den sich Bestechungsvorwürfe mit Bezug zu Russland gerichtet haben.

Weidel indirekt selbst in die Skandale im Vorfeld der Wahlen involviert

Anhänger von Krah, der dank seiner offensiven Selbstvermarktung über die von Chinas KP-Regime kontrollierte Videoplattform TikTok als beliebt unter jüngeren AfD-Anhängern gilt, werfen der Parteispitze hingegen mangelnde Rückendeckung vor. Sie weisen darauf hin, dass Alice Weidel selbst nicht völlig unbeteiligt ist an dem Verlust an Rückhalt, den die Partei seit Beginn des Jahres zu beklagen hat.

Begonnen hatte der Abwärtstrend im Januar mit einem Bericht der Plattform „Correctiv“ zu Beginn des Jahres über ein Treffen nahe Potsdam im November des Vorjahres. Bei diesem soll der als Rechtsextremist eingestufte österreichische „Identitären“-Gründer Martin Sellner seine Vorstellungen über eine „Remigration“ dargelegt haben.

Sein Konzept, zu dem er auch ein Buch geschrieben hat, beinhaltet nicht nur eine Beendigung des Aufenthalts ausreisepflichtiger Personen in Deutschland. Vorgesehen sind auch gezielte unfreundliche Maßnahmen gegen vermeintlich nicht ausreichend assimilierte deutsche Staatsangehörige, die bewirken sollen, dass diese das Land verlassen.

AfD soll erstmals einen Generalsekretär bekommen

Inwieweit Sellner dieses Konzept in Potsdam vorgetragen und inwieweit er dafür Applaus von anwesenden hochrangigen AfD-Vertretern erhalten hatte, darüber gehen die Darstellungen von „Correctiv“ und von Anwesenden auseinander. Fest steht jedoch, dass mit Roland Hartwig auch der damalige persönliche Referent von Alice Weidel bei der Zusammenkunft anwesend war.

Der Bericht hatte Großdemonstrationen gegen die AfD in deutschen Städten zur Folge, aber auch Marine Le Pen ging zum Konzept der „Remigration“ auf Distanz. Dies war ein erster Schritt hin zum späteren Bruch in der EU-Parlamentsfraktion. In Umfragen verlor die Partei im weiteren Verlaufe des Jahres an Boden, was auch an der Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) lag, das neben SPD und Linken auch die AfD Stimmen kostete.

Die Doppelspitze aus Weidel und Chrupalla dürfte dennoch am Wochenende in Essen fest im Sattel sitzen. Zwar ist angedacht, das Amt eines Generalsekretärs zu schaffen – und diese Funktion soll speziell mit der Perspektive installiert werden, die Doppelspitze auf eine Einerspitze zu reduzieren. Allerdings herrscht zwischen Weidel und Chrupalla Konsens, dass dieser Schritt erst zu einem späteren Parteitag erfolgen solle.

Einerspitze würde voraussichtlich auf Kosten Chrupallas gehen

Denkbar wäre dennoch, dass aus den Reihen der Delegierten der Antrag kommt, bereits jetzt die Einerspitze einzuführen – was im Fall einer Annahme die Konsequenz hätte, dass einer der beiden derzeitigen Parteisprecher auf sein Amt verzichten müsste. Dass es dazu kommen wird, gilt jedoch aus mehreren Gründen als unwahrscheinlich.

Der eine ist, dass in etwas mehr als zwei Monate für die AfD außerordentlich wichtige Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stattfinden. Das wäre ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für ein Bloßstellen der Parteiführung. Sollte einer Einerspitze beschlossen werden, würde voraussichtlich Chrupalla sein Amt einbüßen. Dies wäre vor den Landtagswahlen ein verheerendes Signal in Richtung des sächsischen Landesverbandes.

Der andere ist, dass bislang die Geschlossenheit der Parteirechten das Geheimnis hinter ihren Erfolgen war. Dass es gelang, gegen die Widerstände der Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen die Partei kontinuierlich noch weiter nach rechts zu rücken, wäre ohne diese Einigkeit nicht denkbar gewesen.

Krah: „René Aust ist ein ehrenwerter Mann“

Mit der Einigkeit ist es jedoch vorerst vorbei. Bereits im September 2023 kam es zu einem Bruch zwischen dem thüringischen Landeschef Björn Höcke und dem früheren Vizechef in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. Dieser soll bei der Listenaufstellung zur Europawahl gegen Höckes Netzwerk gearbeitet und damit mehrere von seinen Vertrauten wählbare Plätze gekostet haben.

Tillschneider fiel in Ungnade, Höcke blieb unbestrittene Autoritätsperson der Parteirechten. Dies hat sich nun jedoch mit der Causa Krah offenbar geändert. René Aust aus Höckes Landesverband ließ sich zum Delegationsleiter wählen – und damit auf einen Posten, der üblicherweise dem Spitzenkandidaten zusteht.

Krah selbst hatte mit einer Anspielung auf Caesar-Verräter Brutus im Alten Rom entsprechende Vorwürfe gegen Aust befeuert. Höcke und sein Thüringer Sprecherkollege Stefan Möller verurteilten in einer Erklärung eine „zutiefst ehrenrührige Kampagne“ gegen Aust und äußerten sich enttäuscht über das Schweigen Krahs zu der Kampagne, die einer seiner engsten Vertrauten initiiert hatte. Gleichzeitig klangen Vorwürfe an Weidel und Chrupalla an, diese hätten mit einem Beharren auf der Nichtaufnahme Krahs der Kampagne Vorschub geleistet. Die Bundesspitze könnte die Uneinigkeit der Parteirechten nun bei der Neubesetzung des Bundesvorstands zu ihren Gunsten nutzen.



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