Berliner Wahl: Die Spitzenkandidaten und ihr Wahlprogramm

Während die rot-rot-grüne Regierungskoalition an Boden verloren hat, legten CDU und AfD zu. Die FDP muss wieder um den Einzug in den Senat zittern. Wie sehen die einzelnen Positionen der Parteien aus, was verbindet sie und wo geht man getrennte Wege? Ein Überblick.
Plakate zur Wahl 2023 in Berlin. Foto: Maja Hitij/Getty Images
Plakate zur Wahl 2023 in Berlin.Foto: Maja Hitij/Getty Images
Von 9. Februar 2023

Die Wiederholungswahl in Berlin am 12. Februar 2023 rückt näher. Wofür stehen die Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien? Wir haben Aussagen der Spitzenkandidaten der einzelnen Fraktionen zu ihren Zielen und Positionen zusammengefasst. Einen weiteren Schnellcheck bietet die IHK Berlin.

Bündnis 90/Die Grünen – Bettina Jarasch

In einem Tweet von Bettina Jarasch (54) vom November 2022 nach ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin heißt es: „Wir kämpfen um Platz 1: Klima, Mieten, Verwaltung, Mobilität – darauf kommt’s jetzt an!“ Sie ist Bürgermeisterin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz in Berlin.

Klimaschutz ist für sie auch eine soziale Frage. Damit Berlin schnellstmöglich klimaneutral werde, brauche man den Druck und die Unterstützung der Klimabewegung. Auch um demokratische Mehrheiten zu finden, betont sie in einem Tweet am Dienstag. Sie bedankt sich dabei bei Fridays For Future.

Was den Ausbau der Stadtautobahn A 100 betrifft, so erklärt Jarasch: „Berlin braucht und will die nicht.“ Diese Stadt brauche Platz für Wohnungen, Grünflächen, Schulen, Kitas und Clubs. In ihren Augen ist der Weiterbau der A 100 ein „verkehrs- und klimapolitischer Irrsinn“, schreibt sie kürzlich bei Twitter.

Für den Bereich Wirtschaft und Verbraucher braucht es ihrer Meinung nach mehr Beratung und finanzielle Unterstützung. Aber man müsse Klimaschutz und der Energiewende auch höchste Priorität einräumen, ergänzt sie. Als Ziel sieht sie: „Berlin soll klimaneutral werden!“

Recht auf Eigentum verpflichtet

Bei einer Podiumsdiskussion mit Spitzenkandidaten am 3. Februar 2023 äußerte sie sich auch zum angespannten Wohnungsmarkt in Berlin. In ihren Augen verpflichte das Recht auf Eigentum auch zur Schaffung von Wohnraum. Auch private Wohnungsunternehmen hätten eine Verpflichtung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das sei in den letzten Jahren nicht passiert. Bettina Jarasch möchte dies gern auch gesetzlich regeln.

Hier erklärt sie: „Wir haben kein Integrationsproblem, sondern wir haben eine Gesellschaft, die vielfältig ist.“ Man habe aber auch Menschen, die sich in dieser Gesellschaft nicht zugehörig fühlen würden. Auch gebe es Probleme mit Jugendgewalt, Aggressivität und Respektlosigkeit gegen Sicherheitskräfte. Teile der Täter hätten eine Migrationsgeschichte, und andere Täter nicht. „Diese ganzen Gewalt- und Kriminalitätsdebatten der letzten Jahre sind keine Integrationsdebatten.“

In Bezug auf Gewaltprävention erarbeite man gerade einen Landesaktionsplan zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Ein weiteres Frauenhaus soll eröffnet und ein Instrument zur Überwachung der Situation soll eingerichtet werden.

CDU – Kai Wegner

Kai Wegner (50), einziger gebürtiger Berliner unter den Spitzenkandidaten, Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus und Landesparteichef, kündigt in einem Tweet eine Verwaltungsreform in Berlin bis zum Ende der Legislaturperiode an.

Er will unter anderem die Landesbauordnung „entschlacken“. Man habe eine Million Menschen mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, aber nur 97.000 Sozialwohnungen. „Da klafft eine Riesenlücke!“

Im Bildungsbereich erklärte er, dass es mit der CDU keine Kita-Gebühren geben wird. Zudem will man in Kitas und Schulen für mehr Qualität sorgen, heißt es in einem Tweet.

Die grüne Verkehrspolitik des Berliner Senats sieht er sehr kritisch: „Die Friedrichstraße wieder für Autos gesperrt?! Mobilitätswende geht anders“, kommentiert er die Berliner Verkehrspolitik per Tweet.

Zum „Klimaschutz“ äußerte er gegenüber der Berliner Zeitung, dass man mit Verboten nicht weiter komme, sondern nur mit Angeboten und Freiwilligkeit.

„Berliner Polizei braucht jetzt konkrete Hilfe“

Im Bereich Sicherheit und Kriminalität merkt er an, dass man in Berlin die vielfältigste Polizei in ganz Deutschland (30 Prozent haben Migrationshintergrund) habe. „Ich finde, das sind wirklich Leuchttürme, Vorbilder, die man zeigen kann.“ Sie könnten auch Vorbilder für junge Leute sein, die sich nicht zugehörig fühlten, die keinen Respekt vor Menschen in Uniform oder vor staatlichen Institutionen hätten, führt er weiter aus.

Im Zusammenhang mit den Silvesterkrawallen forderte er für die Berliner Polizei Bodycams. Zudem erklärte er, dass die CDU dafür sorgen werde, dass Polizei und Feuerwehr wieder den notwendigen Respekt von der Politik bekommen.

Antisemitische Straftaten würden in Deutschland ansteigen. „Trotzdem löst Claudia Roth ihr Referat für Antisemitismus-Prävention auf.“ Er hält die Entscheidung für ein „verheerendes Signal“ und für eine „völlig falsche Entscheidung“, heißt es in einem anderen Tweet.

Thematisch dazu passend forderte er in einer Debatten-Runde mit weiteren Spitzenkandidaten ein Ende des Totschweigens von Problemen. „In einigen Stadtteilen, nicht nur in Neukölln, sind junge Menschen, häufig mit Migrationshintergrund, die sich nicht zugehörig fühlen, die sich abgehängt fühlen und wo es dann häufig zur Gewalteskalation kommt.“

AfD – Dr. Kristin Brinker

Dr. Kristin Brinker (51) ist AfD-Fraktionsvorsitzende und Landesvorsitzende in Berlin. Im Bereich Innere Sicherheit möchte sie nach den Vorfällen zu Silvester, dass Polizei und die Einsatzkräfte besser ausgestattet werden, unter anderem mit Bodycams oder Dashcams. „Die Täter müssen schnell bestraft werden.“ Sie begrüßt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft aktuell eine Art Sonderermittlungsgruppe zu den Silvesterkrawallen eingerichtet hat. „Sie soll dauerhaft Bestand haben.“

Zum Thema Wohnen äußert Brinker gegenüber Epoch Times: Die Situation ist prekär. Die Bürokratie muss abgebaut werden. Die Bauordnung muss entrümpelt und damit gestrafft werden. Es muss schneller möglich sein, Baugenehmigungen zu erhalten. Bei Mietwohnungen müsse über die Betriebskosten gesprochen werden. „Ein Teil der Kosten ist in staatlicher Verantwortung – zum Beispiel die Grundsteuer. Sie muss abgeschafft werden.“

Mit der aktuellen Verkehrspolitik zeigt sie sich nicht einverstanden: Die Friedrichstraße sei durch die grüne Verkehrssenatorin erneut für den Autoverkehr gesperrt worden. „Wir wollen, dass der Verkehr fließt und auch für alle Verkehrsteilnehmer ein Verkehr möglich ist.“ Dabei schließt sie die Radfahrer, als auch die Autofahrer ein.

Ihre Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode gegen die Einrichtung der Pop-up Radwege geklagt. Am Anfang erfolgreich, am Ende sei es von der nächsten Instanz wieder einkassiert worden, erklärt sie. „Es ist wichtig, dass wir uns wehren“, findet sie. Man werde sich auch zukünftig dafür einsetzen, dass für Menschen mit Autos auch Platz in der Stadt sei und es ausreichend Parkplätze gebe, verspricht sie.

In ihren Augen würde ideologisch getriebene Politik, „wie man es bei linksgrün erlebe“, die Welt und die Stadt nicht besser machen, sondern noch chaotischer.

SPD – Franziska Giffey

Für die 44-Jährige amtierende Bürgermeisterin und Landesparteichefin Franziska Giffey ist wichtig, dass diese Stadt „vorankommt“, dass man international wettbewerbsfähig ist. Und: „Dass man das Soziale nicht aus dem Blick geraten lässt“, erklärte sie kürzlich in einer Diskussionsrunde.

Hier verspricht sie, angesprochen auf Gerüchte, sie könnte bei einem zweiten Platz bei den Wahlen auf den vielleicht frei werdenden Bundesinnenministerposten wechseln: „Ich bin nach Berlin gekommen, um zu bleiben. Ich bin nicht die Person, die schon nach anderen Posten schielt. Das ist wirklich Quatsch.“

Für sie sei entscheidend, dass Berlin sich wirtschaftlich weiter so gut entwickelt. Der Einsatz für Klimaschutz sei für sie keine Frage und Digitalisierung sei auch ein Thema. „Natürlich muss man da vorankommen.“ Man habe im letzten Jahr sehr viel dafür gemacht.

Verkehrstechnisch setzt sich Giffey für einen Weiterbau der U-Bahnlinie 7 zum BER-Flughafen ein. Und beim Thema Wohnen will sie die Attraktivität des sozialen Wohnungsbaus erhöhen. Dafür möchte sie für Investoren die Mehrwertsteuer reduzieren und Abschreibungsmöglichkeiten schaffen. „Ich bin für Angebote statt Verbote.“ Man müsse die Stadt umbauen, aber dabei müsste man auch die Menschen mitnehmen, erklärt die SPD-Politikerin.

In einem Tweet zur Eröffnung der Polizeiwache am Brennpunkt Kottbusser Tor erklärte sie: „In allen Berliner Kiezen sollen sich die Bewohner sicher fühlen können.“

FDP – Sebastian Czaja

Der Fraktionsvorsitzende und Landesvorsitzende der Berliner FDP, Sebastian Czaja (39), erklärt, dass es einen Bedarf von 250.000 Wohnungen in Berlin gäbe. „Die müssen gebaut werden. Stattdessen diskutiert die Stadt über Enteignungen.“ Nur eine Erweiterung des Wohnangebots führe seiner Meinung nach zu bezahlbaren Mieten. Er strebt ein Baubeschleunigungsprogramm an.

Zudem möchte er einen „Mieten-TÜV“ einführen und alle Gesetze darauf prüfen, welche Kosten sie tatsächlich für das Bauen und die Betriebskosten bringen. Man wolle der Reformmotor in einer Deutschlandkoalition sein, so Czaja.

Genossenschaften sind in seinen Augen die perfekte Mischform aus Miete und Eigentum und würden die „eigenverantwortlichen Mieter“ in den Mittelpunkt stellen, erklärt er in einem Tweet. Den Anteil an Genossenschaftswohnungen im Bestand will er daher berlinweit auf 30 Prozent erhöhen.

Haushaltsdisziplin ist für ihn zwar wichtig, aber „an der Bildung von Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen dürfe in Berlin nie wieder gespart werden.“ Man brauche ein Bildungssystem, in dem jeder so individuell gefördert wird, wie es nur geht. Man brauche gleiche Chancen, keine Gleichmacherei, erklärt der FDP-Politiker.

Man will Geld gezielt in Bildung, Jugend- und Sozialarbeit in schwierigen Kiezen investieren, z. B. in Leuchtturmschulen. „Neues Aufstiegsversprechen ist auch ein Beitrag zur sozialen Sicherheit“, heißt es in einem weiteren Tweet.

„Nicht zuständig– dürfe es zukünftig nicht mehr geben!“

In Bezug auf die Berliner Verwaltungsarbeit erklärt Czaja: „Nicht zuständig“, dürfe es zukünftig nicht mehr geben. In einer „historischen Reform“ will er die Stadträte abschaffen und alle Zuständigkeiten beim Land ansiedeln.

Im Bereich Sicherheit und Kriminalität macht er die Linken und Grünen dafür verantwortlich, Hass auf die Polizei zu decken. Czaja tweetet: „Das ist inakzeptabel! Wir brauchen eine Politik, die unseren Rettungs- und Sicherheitskräften mehr Respekt entgegenbringt!“

Mit der aktuellen Verkehrspolitik zeigt er sich unzufrieden: „Druck, Stress und Konfrontation, das sind die Leitlinien der Verkehrspolitik von Bettina Jarasch.“ Das Auto aus der Innenstadt zu verbannen, dürfe nicht das Ziel sein. Zudem dürfe es für ihn kein stadtweites Tempo 30 geben. „Es gibt keinen Grund, die Bundesstraße 1 auf 30 km/h zu begrenzen.“

Die Linke – Klaus Lederer

Klaus Lederer (49) ist Berliner Bürgermeister und Kultursenator. Er fordert im Bereich der Wohnungsbaupolitik die Ausweitung des gemeinwohlorientierten Wohnungsbestandes durch kommunalen Neubau und Vergesellschaftung.

„Eine Wohnung ist ein Grundrecht, das darf nicht von den Launen des Marktes abhängen.“ Er fordert die Enteignung von Deutsche Wohnen.

In einem anderen Tweet äußert er sich zum Bereich Arbeitspolitik. Er betont, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist und unterstützt die Forderungen nach mehr Gehalt und einen Inflationsausgleich.

„Der Markt ist offensichtlich nicht in der Lage, die wesentlichen Bereiche unseres Lebens im Interesse der Menschen zu regeln“, erklärt er mit Bezug auf die aktuellen Teuerungen. In den aktuellen Krisen würden Konzerne noch immense Gewinne machen. „Was der Markt nicht regelt, regeln wir. Gemeinsam“, so der Linken-Politiker.

Linke will Verwaltung resilienter aufstellen

Beim Thema Verwaltungsarbeit strebt seine Partei eine höhere Resilienz durch mehr Personal und bessere Ausstattung an. Damit soll sie höheren Anforderungen in Krisen gewachsen sein. Seine Partei will „das Kaputtsparen der Verwaltung“ beenden.

Auch die Kinder- und Jugendtheaterarbeit will er weiter stärken, tweetet er. Zudem will er sich dafür einsetzen, dass an Sonntagen weiter der Eintritt in Museen für alle kostenfrei bleibt. „Kulturelle Teilhabe unabhängig vom Geldbeutel. Das muss weitergehen!“

Außerdem erklärt er in einem Tweet, dass er sich nach der Wiederholungswahl weiter für das Wahlalter 16 in Berlin einsetzen will.

Eine Verlängerung des Sozialtickets ist ihm ebenfalls wichtig. „Für 9 Euro im Monat ermöglicht es allen, die Anspruch auf den Berlinpass haben, Mobilität und Teilhabe.“ Ein ÖPNV, den sich alle leisten können, sei für ihn der beste Beitrag für mehr Klimaschutz in der Stadt.



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