Berliner Universitätsklinik Charité zu DDR-Zeit maßgeblich von Stasi beeinflusst
Die Arbeit der Berliner Universitätsklinik Charité ist zur DDR-Zeit maßgeblich vom damaligen Ministerium für Staatssicherheit beeinflusst worden.
„Das war auch das Ergebnis einer völligen Paranoia“, sagte die Medizinsoziologin Jutta Begenau der Nachrichtenagentur AFP. Ihr Buch „Staatssicherheit an der Charité“, das am Donnerstagabend in der Klinik vorgestellt wird, befasst sich mit der Zeit von 1972 bis 1987.
Begenau arbeitete seit 1983 rund drei Jahrzehnte an der Charité und geriet dabei selbst in Konflikt mit dem Obrigkeitsstaat. „Ich wollte die Stasi-Leute nicht davonkommen lassen“, sagte Begenau über ihr Buch. Darin zeichnet sie die Karriere des hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiters Helmut Weidmann nach, der getarnt als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Strukturen zur Überwachung des Charité-Personals maßgeblich aufbaute.
„Ich hatte das Glück, Unterlagen von ihm zu finden, die Weidmann durch seinen Tod im Jahr 1987 nicht mehr vernichtet hatte“, sagte Begenau. Weidmann habe zunächst Inoffizielle Mitarbeiter (IM) an der Charité geführt, bevor er 1975 in der Leitungsebene der Klinik platziert wurde. Fortan habe Weidmann unter dem Titel eines Beauftragten für Sicherheit und Geheimnisschutz das Geschehen an der Charité überwacht.
„Er hatte freien Zugang zu allen Ebenen und Dokumenten“, sagte Begenau. Dadurch und mithilfe der IM sei Weidmann „immer bestens informiert gewesen“. Das MfS habe den Verrat möglicher Forschungsgeheimnisse an den „Klassenfeind“ gefürchtet. Zudem habe die Stasi mit entschieden, wer an der Charité Karriere machte und wer ins Ausland reisen durfte. Die Republikflucht eines renommierten Charité-Arzts war unbedingt zu vermeiden.
Begenau schildert in ihrem Buch, dass die Stasi nicht nur in Personalfragen mitreden wollte, sondern auch auf die Zusammensetzung von Kommissionen oder die Hausordnung Einfluss nahm. „Weidmann hat den betrieblichen Rahmen mitbestimmt, um den Zugriff der Stasi zu erleichtern“, sagte Begenau. Er installierte eine Struktur zur Durchsetzung von „Sicherheit und Ordnung“, in deren Rahmen etwa Mitarbeiter heimlich nachts die Dienstzimmer ihrer Kollegen kontrollierten.
Neben den mit staatlichen Fragen befassten Abteilungen habe vor allem die Klinikverwaltung mit der Stasi kooperiert, sagte Begenau und zeigte sich überzeugt: „Die staatlichen Leiter wussten genau, wen sie da vor sich hatten.“
Knapp 80 IM konnte Begenau identifizieren. „Selbst wenn da noch eine Dunkelziffer hinzukommt, ist das bei 5000 Charité-Mitarbeitern nicht besonders viel.“ Die Stasi habe vor allem bei den Ärzten um IM geworben. „Manche haben das für sich ausgenutzt und Vorgesetzte angeschwärzt.“
„Andere Ärzte haben ein doppeltes Spiel gespielt und sich bei der Stasi über die medizinischen Missstände beschwert“, sagte Begenau. Manchmal habe das zu Verbesserungen geführt. Weidmann und seine Stasi-Kollegen hätten das Ziel verfolgt, die Charité als Aushängeschild der DDR zu beherrschen. „Aber dass alle denken wie sie, was die Stasi ja wollte, das haben sie nicht geschafft.“ (afp)
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