Berliner Polizeipräsidentin: Antidiskriminierungsgesetz wird Ermittlungen im Clanmilieu erschweren
Laut der Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik wird das Antidiskriminierungsgesetz Ermittlungen im Clanmilieu zusätzlich erschweren. „Auch Clanmitglieder werden das Gesetz testen und reflexhaft den Vorwurf der Diskriminierung erheben“, sagte Slowik dem „Spiegel“. Es werde auf jeden Fall mehr Diskussionen in alltäglichen Kontrollsituationen geben.
„Wir werden künftig jeden Einsatz noch genauer dokumentieren müssen“, so Slowik. Seit dieser Woche ist das Gesetz in Kraft. Die Bestimmungen sollen es zukünftig einfacher machen, „Rassismus“ von Polizisten zu ahnden.
Kritiker mahnen, das neue Gesetz stelle Berliner Beamte unter Generalverdacht. Viele Kollegen empfänden das Gesetz als Misstrauensvotum, sagte Slowik. „Ich denke, wir hätten das Gesetz nicht gebraucht.“
Beschwerden über diskriminierendes Verhalten seien früher schon möglich gewesen. Die Gesellschaft müsse der Polizei „ein Stück weit vertrauen, damit sie funktionsfähig bleibt“, so die Polizeipräsidentin. Die Auswirkungen des Gesetzes seien in einem Fall bereits vor dessen Inkrafttreten spürbar gewesen.
So habe ein Berliner Kioskbetreiber kürzlich ohne Genehmigung in der Corona-Krise Stühle und Tische aufgebaut. „Als die Kollegen einschritten, drohte er wegen Diskriminierung mit seinem Anwalt.“ Selbstverständlich würden alle Vorwürfe geprüft, so Slowik.
Strobl warnt: „Wir schicken keine Polizei mehr nach Berlin“
Auf der Innenministerkonferenz in der vergangenen Woche hatte es bereits heftigen Streit über die Vorschrift gegeben. Ressortkollegen von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) haben mehr Klarheit über das Gesetz gefordert. Geisel müsse „schriftlich zusichern, dass das Berliner Antidiskriminierungsgesetz nur für Bedienstete des Landes Berlin gilt“, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Bevor wir das nicht schwarz auf weiß lesen, schicken wir keine Polizei mehr nach Berlin.“ Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte Rechtssicherheit für Polizisten anderer Bundesländer.
Die Innenminister von Bund und Ländern haben vergangene Woche bei ihrer turnusgemäßen Konferenz in Erfurt beraten, wo das Antidiskriminierungsgesetz ein Thema war. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin beschloss das Gesetz Anfang des Monats.
Reul bezeichnete das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz als „Misstrauensvotum gegenüber allen Polizisten“. Das Gesetz sei eine „schwere Belastung für das Vertrauensverhältnis in der Solidargemeinschaft der Länder“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Dem „Spiegel“ sagte Reul, es gehe nicht nur um die möglichen Regressforderungen, sondern auch um die disziplinarrechtlichen Folgen für Polizisten. Dies müsse „geklärt werden“. „Es wäre für mich andernfalls unverantwortbar, unsere Polizisten weiterhin nach Berlin zu schicken“, sagte Reul. Auch Strobl betonte, es gehe allem darum, dass Polizisten „nicht dem Generalverdacht der Diskriminierung und des Rassismus ausgesetzt werden“.
Seehofer protestiert gegen das Gesetz
Konkret sieht das Gesetz vor, dass niemand im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung und einer Reihe weiterer Merkmale diskriminiert werden darf. Vorgesehen sind unter anderem gegebenenfalls Schadenersatzpflicht, die Möglichkeit einer Verbandsklage sowie die Einrichtung einer Ombudsstelle.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erwog im Bundestagsinnenausschuss, aus Protest gegen das Gesetz keine Bundespolizisten mehr zu Einsätzen in der Hauptstadt zu senden. Seehofer soll auch angekündigt haben, die Angelegenheit mit den Landesinnenministern in Erfurt klären zu wollen. (so/afp/dts)
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