Berlin: Rot-Rot-Grün beschließt Mietendeckel – CDU und FDP kündigen Verfassungsklage an
Berlin führt als erstes Bundesland einen Mietendeckel ein. Das Abgeordnetenhaus beschloss das Gesetz mit seiner rot-rot-grünen Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition, die den Mietendeckel geschlossen ablehnte.
Mit dem Gesetz sollen die Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre nicht steigen dürfen, nachdem die Preise für Wohnraum in den vergangenen Jahren spürbar geklettert sind. Klagen gegen den Mietendeckel gelten als sicher.
„Die einzig verantwortungsvolle Handlungsoption“, nannte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) das Gesetz in der Debatte vor der namentlichen Abstimmung. „Der Mietendeckel wird wieder so etwas wie Augenhöhe zwischen Vermietern und Mietern schaffen.“
Die Linken-Bundesspitze begrüßte das Gesetz. „Dies ist ein gemeinsamer Erfolg von Mieterinnen und Mietern, Initiativen und der rot-rot-grünen Landesregierung“, erklärte Bundeschefin Katja Kipping. Auch ihr Kovorsitzender Bernd Riexinger erklärte, Politik und Zivilgesellschaft hätten „in einem gemeinsamen Kraftakt der Immobilienlobby ihre Grenzen aufgezeigt und gewonnen“.
Für Berlins CDU-Fraktionschef Burkard Dregger deckelt das Gesetz nicht die Mieten, sondern den Wohnungsbau. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nannte den Mietendeckel populistisch.
Beide Fraktionen CDU und FDP kündigten an, gemeinsam vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof gegen den Mietendeckel zu klagen. Beide Fraktionen wollen am Freitag gemeinsam ihren Prozessbevollmächtigten für die Klage gegen das Gesetz vorstellen. Sie wollten schnellstmöglich Rechtssicherheit für die Mieter schaffen, wie die Fraktionen mitteilten.
Union will vor Bundesverfassungsgericht klagen
Zudem bekräftigte die Union ihr Vorhaben, gegen den Mietendeckel mit einer Normenkontrollklage vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Der Mietendeckel führe den Wohnungsmarkt „geradewegs in eine sozialistische Planwirtschaft, Mieten werden staatlich festgesetzt, staatlich überwacht und Vermieter kriminalisiert“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak. Das Gesetz verhindere dringend benötigten Neubau und führe zu einem Modernisierungsstopp.
Nach dem Gesetz dürfen Bestandsmieten gesenkt werden, wenn sie die in der Mietentabelle festgelegte Obergrenze um mehr als 20 Prozent überschreiten. Das gilt aber erst neun Monate nach Verkündung des Gesetzes. Ausgenommen von den Mietendeckel-Regelungen sind alle Neubauwohnungen, die ab dem 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden.
Mietobergrenzen von Alter und Ausstattung abhängig
Das neue Gesetz sieht Mietobergrenzen vor, die abhängig sind von Alter und Ausstattung einer Wohnung: Bei Wiedervermietungen dürfen Vermieter grundsätzlich nicht mehr als die Nettokaltmiete des Vorgängers verlangen – maximal jedoch bis zur Höhe der nun festgelegten Mietobergrenze, also höchstens 9,80 Euro pro Quadratmeter.
Modernisierungen dürfen Vermieter in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter und Monat auf die Miete umlegen. Für Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es eine Sonderregelung: Liegt der Wohnraum in Gebäuden mit höchstens zwei Wohnungen, erhöht sich die Mietobergrenze um zehn Prozent.
Verstöße gegen die Regeln sollen mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro geahndet werden können. Ab dem Jahr 2022 soll es den Plänen zufolge zudem einen Inflationsausgleich von 1,3 Prozent pro Jahr geben – Vermieter können die Mieten dann also wieder leicht anheben.
Wohnungsbau- und Immobilienwirtschaft kritisiert Mietendeckel
Kritiker halten den Mietendeckel für ungeeignet, um den Anstieg der Mieten zu verhindern. Der Mietendeckel trage auch nicht zur Entspannung am Wohnungsmarkt bei. Verbände aus der Wohnungsbau- und Immobilienwirtschaft werfen dem Senat vor: Der Mietendeckel werde das Problem sogar noch verschärfen, weil Investoren abgeschreckt würden.
Auch die Immobilienwirtschaft übt scharfe Kritik am Mietendeckel. Der Bauindustrieverband Ost äußerte die Befürchtung, das Gesetz werde zu einer Abnahme der Investitionen in den Erhalt, die Sanierung und Modernisierung der Berliner Wohnungsbausubstanz führen. Entsprechende Umsatzausfälle könnten sich auf 750 Millionen Euro jährlich belaufen, warnte Hauptgeschäftsführer Robert Momberg.
Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck, beklagte ebenfalls, der Mietendeckel sei juristisch „höchst riskant“ und bremse Investitionen. Bereits jetzt führe das Gesetz „zu erheblichen Auftragseinbrüchen in der Berliner und Brandenburger Bauwirtschaft“, mahnte auch Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau.
Die Berliner Oppositionsparteien bemängeln, dass der Mietendeckel nicht nur in der Praxis scheitern werde, sondern auch gegen die Verfassung verstoße. In dieser Frage sind allerdings eine Reihe von juristischen Gutachtern zu unterschiedlichen Einschätzungen gekommen. Unter anderem gilt als unsicher, ob ein Bundesland wie Berlin überhaupt ein solches Gesetz beschließen kann.
Lompscher: Mietendeckel ist „juristisches Neuland“
Lompscher bezeichnete den Mietendeckel als „juristisches Neuland“. Auch im Regierungsbündnis war nicht zuletzt die Frage umstritten, ob und wie Mieten nicht nur gedeckelt, sondern auch gesenkt werden könnten.
Darauf verlassen, dass die Mieten in den nächsten fünf Jahren tatsächlich nicht mehr erhöht werden, können sich die Berliner nicht: Entscheidend wird sein, wie die Gerichte urteilen. Lompscher sagte, der inhaltliche und juristische Streit sei nicht beendet. (dpa/afp/er)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion