Berliner Bürgermeister kündigt Kampf gegen Antisemitismus an

174 Festnahmen, 65 verletzte Polizisten. „Es ist eine Schande, dass wir Antisemitismus auf unseren Straßen erleben müssen“, sagt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU).
Zwar erhebt CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner in Berlin einen klaren Regierungsanspruch, aber die bisherigen Koalitionspartner liebäugeln mit einer Fortsetzung ihres Bündnisses.
Der Regiernde Bürgermeister Berlins Kai Wegner (CDU).Foto: Axel Heimken/dpa
Von 19. Oktober 2023

Nach dem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge, dem Markieren von Wohnhäusern von Juden in Berlin mit Davidsternen und anhaltenden gewalttätigen Krawallen in Berlin, die gestern Abend ihren bisherigen Höhepunkt fanden, wandte sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) heute mit einer Regierungserklärung an die Öffentlichkeit.

Eine Sprecherin der Berliner Polizei sprach am Morgen von 174 Festnahmen. Zudem seien 65 Polizisten verletzt worden. Einer davon habe seinen Dienst beenden müssen. Insgesamt seien 65 Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden.

„Schutz jüdischen Lebens ist unverhandelbar“

Mit eindringlichen Worten äußerte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zu den antisemitischen Vorfällen in der Bundeshauptstadt. „Es ist eine Schande, dass wir Antisemitismus auf unseren Straßen erleben müssen“, sagte Wegner am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Berliner Abgeordnetenhaus.

Der Schutz jüdischen Lebens sei unverhandelbar. Die Forderung „nie wieder“ müsse verteidigt werden. „Nie wieder ist jetzt“, sagte Wegner. „Wer Berlin kennt, wer Berlins Geschichte kennt, den kann es nicht kaltlassen, wenn Davidsterne an Wohnhäuser geschmiert werden.“ Dieser Hass passe nicht zu einem weltoffenen, zu einem toleranten Berlin, wo man miteinander leben wolle, sondern das sei Ausgrenzung.

„Als Regierender Bürgermeister dieser Stadt sage ich hier und heute: Unser Berlin ist stärker als Hass und Ausgrenzung“, sagte Wegner. Berlin stehe „voll und ganz“ an der Seite Israels.

Wegner danke jedem Imam, jedem Rabbi, jedem Pastor, jedem Bischof für Aufrufe zu Zusammenhalt und zu Respekt und für Worte gegen Terror und gegen Menschenverachtung.

Wer Terror rechtfertigt, verharmlost, relativiert oder gar verherrlicht, der gehört nicht zu unserem Berlin.“

Der treffe auf einen konsequenten und harten Rechtsstaat. „Ich frage nicht, wo du herkommst, ich frage nur: Stehst du zu unseren Werten oder trittst du unsere Werte mit Füßen“, so der CDU-Politiker.

Man dulde keine Verharmlosung der Verbrechen der Hamas auf Israel, sie seien „durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen“. Israel habe jedes Recht auf Selbstverteidigung. Dieses Recht Israels sei unverhandelbar, ebenso wie das Existenzrecht und die Sicherheit Israels.

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, verfolgte die Regierungserklärung Wegners vor Ort im Abgeordnetenhaus.

„Schulen dürfen keine Orte der Eskalation und Radikalisierung sein“

Wegner erklärte, dass die Berliner Staatsanwaltschaft alle Vorgänge, die im Zusammenhang mit Äußerungsdelikten, Ausschreitungen und ähnlichen Handlungen in Sachen Angriff der Hamas auf Israel stehen, prioritär bearbeiten werde. „Wenn es um Volksverhetzung geht, um Judenhass und Israelfeindlichkeit, dann erwarte ich auch, dass solche Maßnahmen, dass solche Menschen die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“

Auch der Schulfrieden sei nicht irgendetwas Abstraktes. „Schulen dürfen keine Orte der Eskalation, keine Orte der Spaltung und der Radikalisierung sein. Berliner Schulen sind Orte der Demokratie, des Respekts und des Zusammenhalts. Und das werden wir sicherstellen“, so der CDU-Landesvorsitzende.

Er fügte an: „Berlin mit seinem vielfältigen jüdischen Leben darf kein Angstraum für Juden sein.“ Die Hamas und ihr Terror würden versuchen, Berliner für ihre Zwecke zu missbrauchen. Er appelliere an alle Berliner, sich an Recht und Gesetz zu halten.

Grund der Gewalt: AfD kritisiert SPD und Linke

Die Reden der einzelnen Fraktionen ähnelten sich in Tenor und Inhalt. Davon hob sich die Rede der AfD ab. Diese ging auf die aus ihrer Sicht bestehenden Ursachen für die jetzigen Zustände auf Deutschlands Straßen ein.

Man müsse endlich begreifen, woher dieser Hass und diese Gewalt kämen, führte die AfD-Fraktions- und Landesvorsitzende Dr. Kristin Brinker in ihrer Rede aus.

Sie finde es beschämend, dass der Chef der Samidoun-Bewegung am Morgen der Terrorangriffe in den Redaktionsräumen des „Neuen Deutschland“ bei einem Kommunismus-Kongress auftrat. „Der Mann ist 2015 als syrischer Flüchtling nach Deutschland gekommen und jetzt Kopf einer Organisation, die für israelfeindliche Aufmärsche verantwortlich ist.“ Ihr Ziel sei die Auslöschung Israels und seiner Bevölkerung, so Brinker.

Während die Hamas in Israel Jagd auf feiernde junge Menschen machte, würden linke Politiker einem syrischen Antisemiten applaudieren und eine Abschlusserklärung verabschieden, in der es hieße, dass man die Angriffe auf Israel als „leuchtendes Signal für den weltweiten Kampf gegen die Barbarei begrüße“. Das sei ungeheuerlich.

An die Adresse der Linken hier im Haus kann ich deshalb nur sagen: Hören Sie auf, dem muslimischen und linken Antisemitismus eine Plattform zu bieten.“

„Finanzielle Förderung von judenfeindlichen Vereinen stoppen“

Nicht nur die Linke war am Kommunismus-Kongress des „Neuen Deutschland“ beteiligt, so die AfD-Politikerin. Redner sei auch ein ehemaliger Landesvorsitzender der Jusos gewesen. Dort sei von einem Kooperationsabkommen zwischen den Jusos und der Jugendorganisation der Fatah im Jahr 2020 berichtet worden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert habe das Kooperationsabkommen unterzeichnet. Die Fatah hat demnach das Abkommen mittlerweile beendet.

Die AfD fordert den Stopp der finanziellen Förderung von antiisraelischen und judenfeindlichen Imamen, Moscheen, Vereinen. Allein in diesem Jahr habe der Senat wieder 80.000 Euro an den Rat der Berliner Imame ausgezahlt, obwohl Mitglieder dieses Rates vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Die Verbindungen reichen laut einem Beitrag in der „Welt“ von der Muslimbruderschaft über die Hamas bis hin zu den Salafisten des Islamischen Staates.

„Sorgen Sie dafür, dass das Geld der Berliner nicht in die Kassen von Hasspredigern und Terroristen fließen“, fordert die Partei.

Anne Helm, Fraktionsvorsitzende der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, verurteilte in ihrer Rede den Brandanschlag auf die Jüdische Gemeinde in Berlin-Mitte. „Wohnungen und Häuser, in denen Juden leben, wurden markiert. Das ist unerträglich, absolut unbegreiflich und nicht zu tolerieren, wenn dieser Terror als Widerstandskampf verharmlost oder gar glorifiziert wird.“ Das akzeptiere man nicht.

Sie ruft die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die Zivilbevölkerung in Gaza nicht zwischen israelischer Armee und Hamas zerrieben werde. „Es droht eine katastrophale humanitäre Situation.“

SPD: „Wer Polizisten mit Steinen beschmeißt, greift uns alle an!“

Der religionspolitische Sprecher der SPD, Reinhard Naumann, vertrat den SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Er verurteile die Angriffe auf die Berliner Polizei und Berliner Feuerwehr. „Wer in unserem Berlin brennende Barrikaden errichtet, Feuerwehrleute mit Pyrotechnik beschießt, Polizisten mit Steinen beschmeißt, greift uns alle an!“

Der Kampf gegen Antisemitismus werde aber nicht auf den Straßen gewonnen. „Er wird gewonnen in den Köpfen der Menschen.“ Dazu brauche man Bildung, brauche man Aufklärung und vor allem viele Begegnungen miteinander. „Hier gilt es vor allem, die Lehrkräfte und alle in der Jugendsozialarbeit Tätigen zu unterstützen.“ Deshalb müsse man die vielen guten Projekte in Berlin gegen Antisemitismus und für ein demokratisches Miteinander weiter gut finanzieren.“

Die Grünen „verurteilen jeden Angriff auf jüdische Bürger in Berlin“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch erklärte in ihrer Rede: „Antisemitismus hat in Berlin keinen Platz, in keiner Form. Nicht heute, nicht morgen, niemals wieder.“ Deshalb verurteile man jeden Angriff auf jüdische Bürger in Berlin und man verurteile den brutalen Terrorangriff der Hamas und ihrer Verbündeten in Israel. Die Hamas nimmt Menschen als Geisel, Israelis und auch die eigene Bevölkerung. „Sie feiert tote Israelis und der Tod von palästinensischen Kindern, Frauen und Zivilisten ist ihnen völlig egal.“



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