Berlin: Rot-rot-grüner Senat plant Arabisch als Schulfach und prüft zweisprachigen Unterricht

Die neue Regierung in Berlin plant Arabisch als reguläres Unterrichtsfach einzuführen. Doch der rot-rot-grüne Bildungsvorstoß wird nicht überall begeistert aufgenommen, wenn auch oft mit zurückhaltender Reaktion geäußert.
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SymbolbildFoto: Screenshot/Youtube
Von 1. Dezember 2016

Der Senat von Berlin plant Arabisch als reguläres Unterrichtsfach zu etablieren.

Außerdem soll an einzelnen Schulen zweisprachig, in Deutsch und Arabisch, unterrichtet werden. „Ja, wir prüfen das“, heißt es von der Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers, zum bilingualen Angebot, wie der „Berliner Kurier“ berichtet.

Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, habe die neue Regierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die zweisprachige Bildung und Erziehung ausgebaut werden soll. Ausdrücklich wurden dabei die Sprachen Türkisch, Arabisch und Kurdisch genannt und im allgemeinen osteuropäische Sprachen.

Die Grund-Stimmung gegenüber diesen Vorhaben spiegelte sich auch in den sozialen Medien wieder. Einerseits fanden User es gut, dass jetzt „Arabisch auch als Kultursprache wahrgenommen“ werde, andererseits forderten viele Kommentatoren, dass arabischstämmige Schüler zunächst einmal mit oberster Priorität gutes Deutsch in Wort und Schrift lernen sollten, so der „Kurier“.

Politische Standpunkte

Die politischen Reaktionen auf den rot-rot-grünen Bildungsvorstoß waren ganz unterschiedlich:

Die CDU-Bildungspolitikerin Hildegard Bentele findet es prinzipiell gut, dass Mehrsprachigkeit stärker gefördert werden soll, da ohnehin „mehr als 50 Prozent der in Berlin geborenen Kinder“ ausländische Wurzeln hätten. Allerdings forderte Bentele für den Unterricht Fachkräfte, die bestenfalls in Deutschland ausgebildet wurden, genaue Lehrpläne und Prüfungsstandards, sowie mehr Lehrer. Bisher sei muttersprachlicher Unterricht an Grundschulen oft über die Botschaften organisiert und wenig kontrolliert worden.

Die Bezirksbürgermeisterin aus Berlins Brandbezirk Neukölln, Franziska Giffey (SPD) äußerte sich eher zurückhaltend. Sie verwies darauf, dass das bilinguale Angebot nicht dazu führen dürfe, dass beide Sprachen nur halbwegs erlernt werden. Man müsse auf die Qualität und die Schülermischung achten.

Die Bildungspolitikerin der Grünen, Stefanie Remlinger, macht sich für den Ausbau der arabischen oder türkischen Sprachangebote stark: „Wichtig ist, dass man eine solche Sprache dann auch durchgängig erlernen kann“, so Remlinger in der „Berliner Zeitung“, dann käme Arabisch in Zukunft auch als Abiturfach infrage. Außerdem würden die Lehrerkollegien durch arabischsprachige Pädagogen vielfältiger und damit der breiten Schülermischung an vielen Berliner Schulen eher gerecht.

Entschieden dagegen äußerte sich die Oppositionspartei AfD, wie „Tag24“ berichtet:

„Diese Maßnahme dient nicht wie behauptet der Integration, sondern dem Gegenteil: der weiteren Etablierung von Parallelgesellschaften, ja der Desintegration der deutschen Bevölkerung.“

(AfD)

https://www.youtube.com/watch?v=WyOEcGlkL7E

Was sagt die Lehrerschaft?

Claudia Deutscher, Leiterin der Kreuzberger Nydahl-Schule, alphabetisiert seit Jahren Grundschüler auf Deutsch und Türkisch, während viele andere Schule das aufgegeben haben. Das Kollegium sehe es umstritten, die Kinder mit zusätzlichen Stunden zu belasten. Man müsse darauf achten, dass sie im Deutschen gut vorankommen.

Mohamad Beidoun unterrichtet an der Bolle-Grundschule in Moabit zwei Stunden wöchentlich in Arabisch. Seiner Meinung nach sei es erst einmal wichtig, dass Arabisch überhaupt als Unterrichtsfach anerkannt werde, da bisher keine staatliche Schule die Weltsprache Arabisch anbiete, so Beidoun. Außerdem sehe er darin auch eine Berufsperspektive für arabischstämmige Akademiker in Berlin, so der „Kurier“.

Michaela Ghazi von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist selbst mit einem Libanesen verheiratet und weiß: „Viele arabischstämmige Berliner sprechen heute kein gutes Arabisch mehr.“ Im öffentlichen Bewusstsein würden Sprachen wie Englisch, Italienisch oder gar Chinesisch für Weltläufigkeit stehen. Anders sehe es mit Arabisch aus. Die Sprache sei negativ belegt, weil sie „viele pauschal mit Extremismus und Islamismus verbinden“ würden, sagte Ghazi der „Berliner Zeitung“ dazu.

Eine Schulleiterin, namentlich will sie nicht genannt werden, erklärte, dass viele Schulleiter die Befürchtung hegen würden, dass eine Schule, die Arabisch anbiete, bald von einer arabisch sprechenden Bevölkerung dominiert werde, was kontraproduktiv sei, da die Schüler wenig deutsche Sprachvorbilder hätten, um gut Deutsch zu lernen.

Rainer Völkel vom Kreuzberger Robert-Koch-Gymnasium kritisiert, dass seine Schule seit vielen Jahren Türkisch als zweite Fremdsprache anbiete, was zur Folge hatte, dass viele türkischstämmige Jugendliche ohne Gymnasialempfehlung an die Schule gedrängt seien.

Ähnlich sieht es Petra Stanat, Institutsleiterin für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität:

Ein solch bilinguales Angebot steht und fällt mit der Qualität des Lehrpersonals.“

(P. Stanat, Humboldt-Universität)

Prinzipiell bestehe das Risiko, dass die jeweiligen Muttersprachler die Schule dominieren, weshalb die Bildungspolitik ein ganz besonderes Augenmerk auf das Aufnahmeverfahren an einer solchen Schule legen müsse.

Ob die Regierung von Rot-Rot-Grün in Berlin das ebenso sieht, bleibt abzuwarten. Doch könnte in der allgemeinen politischen Situation dieser Zeit ein solches, rein auf Leistung bezogenes, Aufnahmeverfahren durchaus als diskriminierend und unkorrekt gewertet werden.

 



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