Berlin: Linke brechen Parteitag nach Antisemitismus-Streit ab – und fordern Aufnahme von Gaza-Flüchtlingen

Am Freitagabend endete der Parteitag der Berliner Linkspartei im Chaos. Anlass war ein Streit über die Verurteilung von linkem Antisemitismus. Delegierte hatten Änderungen im Text erzwungen. Initiatoren sahen darin eine Verwässerung und teilweise Umkehrung des Anliegens.
2009 hatte die Linke noch gut 78.000 Mitglieder - heute sind es es gut 52.000. (Archivbild)
Symbolbild: Fahnen der Linkspartei.Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von 13. Oktober 2024

Wenige Tage nach gewalttätigen Anti-Israel-Demonstrationen wollten führende Persönlichkeiten der Linkspartei in Berlin ein Signal gegen Antisemitismus setzen. Im Umfeld des Jahrestages des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 hatte es in der Hauptstadt mehrere Kundgebungen gegeben, die mit Gewalt gegen Polizeibeamte endeten.

Die Delegierten zum Landesparteitag am Freitag, 11.10., sollten den Initiatoren jedoch einen Strich durch die Rechnung machen. Dass einige prominente und regierungserfahrene Politiker der Berliner Linken wie Ex-Kultursenator Klaus Lederer zu den Unterstützern zählten, half nichts.

Massaker der Hamas von Teilen „sogar gefeiert“

In dem Antrag, um den es ging, wurden Erscheinungsformen von linkem Antisemitismus verurteilt, wie er sich auch im Umfeld von „Pro-Palästina“-Kundgebungen gezeigt hatte. Personen, die sich zur politischen Linken zählten, hätten dort das Massaker der Hamas relativiert und „sogar gefeiert“. Antisemitische Äußerungen und sogar offene Aufrufe zur Vernichtung Israels hätten Linke hingenommen.

Dies sei, so hieß es in dem Antrag, „zutiefst alarmierend“. In dessen Text hieß es weiter:

„Niemals dürfen Linke die Rolle des eliminatorischen Antisemitismus ignorieren, der den Terror und die Strategien von Akteuren wie der Hamas und der Hisbollah sowie deren Unterstützung durch das iranische Mullah-Regime antreibt.“

Unterstützt hatten den Antrag unter anderem Ex-Parteichefin Katina Schubert oder Fraktionsvorsitzende Anne Helm. Demgegenüber dichten Parteiexponenten wie die Ex-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz oder der Exponent der „Palästina-Solidarität“ Ramsy Kilani Israel einen „genozidalen Krieg“ an:

In der Debatte zeichnete sich in weiterer Folge keine Mehrheit für den Antrag in seiner ursprünglichen Form ab. Es gab eine Vielzahl an Änderungsvorschlägen, die aus Sicht der Initiatoren gezielt darauf ausgerichtet waren, die Verurteilung von Antisemitismus zu relativieren.

Eine knappe Mehrheit fand sich für einen Abänderungsantrag, aus dem sowohl die Bezugnahme auf Forderungen nach einer Vernichtung Israels als auch die Feststellung, die Hamas einen „eliminatorischen Antisemitismus“ pflege, verschwunden waren. Als Delegierte diesen Vorwurf als „Relativierung der Shoah“ bezeichnet hätten, hätten X-Einträgen zufolge Befürworter des Antrags „unter Schreien, Beleidigungen und Mittelfingern“ den Parteitag verlassen.

Am Ende stellte sich heraus, dass dieser nicht mehr beschlussfähig war, was einen Abbruch zur Folge hatte. Der Landessprecher Max Schirmer versuchte, die Gemüter zu beruhigen, und betonte, die Linkspartei stehe „fest für den Schutz des jüdischen Lebens ein“ und stelle sich „gegen jede Form des Antisemitismus“.

Fraktion im Abgeordnetenhaus will weiteres Landesaufnahmeprogramm

Die Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte im Vorfeld des Parteitags ebenfalls einen Schritt gesetzt, der aus ihrer Sicht zur Deeskalation zwischen den Lagern beitragen sollte. Wie die BZ berichtet, hat die Abgeordnete Elif Eralp gefordert, Geflüchtete aus dem Gazastreifen und dem Libanon aufzunehmen.

Die Folgen des Krieges seien „insbesondere für Kriegsverwundete, Schwangere, chronisch Erkrankte, Menschen mit Behinderung und Kinder akut lebensbedrohlich“, so Eralp. Aus diesem Grund müsse der Senat „seiner humanitären Verantwortung gerecht werden“ und ein neues Landesaufnahmeprogramm für Gaza- und Libanon-Flüchtlinge ins Leben rufen. Die CDU fordert, solche Programme, die es für Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und dem Irak gibt, zu stoppen. Die SPD sperrt sich gegen dieses Vorhaben.

Die Linke will nun in Berlin einen Antrag einbringen, ein solches Programm auch für Gaza und den Libanon einzurichten. Eralp weist darauf hin, dass in Berlin „etwa 30.000 bis 40.000 Menschen mit palästinensischen Wurzeln“ lebten. Dies sei „die größte palästinensische Community Europas“. Sie müssten die Gelegenheit erhalten, ihre Angehörigen bei sich aufzunehmen. Den Eklat auf dem Parteitag konnte der Vorstoß allerdings nicht verhindern.

Tiefe Kluft entzweit prowestliche und „antiimperialistische“ Linke

Der Streit um den Umgang mit Israel offenbart einen tiefen ideologischen Riss, der sich durch die politische Linke zieht. Dieser zeigt sich nicht nur in Deutschland und in den USA, wo Anti-Israel-Demonstrationen an Universitäten stattfinden und die Demokraten spalten.

Auch in Frankreich gibt es in dieser Frage Uneinigkeit innerhalb des Linksbündnisses. Dort äußert sich in den Reihen von Sozialisten oder Grünen zumindest ein erheblicher Teil Solidarität mit dem jüdischen Staat.

Demgegenüber ist eine solche Position „La France Insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon vollständig fremd. Dieser setzt auf die Kinder arabischer Einwanderer aus den heruntergekommenen Vorstädten als künftige Wähler – und auf politische Exponenten, die aus ihrer Abneigung gegen Israel keinen Hehl machen.

Zum Teil scheint sich auch das BSW von Sahra Wagenknecht diese Strategie anzueignen. Ihre Abgeordneten waren im Bundestag jüngst die Einzigen, die sich explizit gegen Waffenlieferungen für den jüdischen Staat ausgesprochen hatten.

In ihren Reden verwenden Spitzenfunktionäre Rhetorik wie jene vom „Völkermord“, den Israel im Gazastreifen betreiben würde, oder sprechen von einem „Vernichtungsfeldzug“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wirft der Wagenknecht-Partei vor, Israelhass und Verschwörungstheorien zu verbreiten.

Linke im Bund hofft auf Neuanfang in Halle (an der Saale)

Wie es in der Berliner Linkspartei weitergehen soll, bleibt offen. Die Bundespartei hofft indes, am kommenden Wochenende auf ihrem Bundesparteitag in Halle/Saale in ein ruhigeres Fahrwasser zu gelangen. Mit einer neuen Führungsspitze aus Ines Schwerdtner und Jan van Aken will sie einen Neuanfang wagen.

Zuletzt hatte die Partei eine Reihe desaströser Wahlergebnisse zu verzeichnen. Bei der EU-Wahl stürzte sie auf 2,7 Prozent ab, bei der Landtagswahl in Thüringen verlor sie trotz Ministerpräsidentenbonus mehr als die Hälfte der Stimmen. In Sachsen konnte sie sich nur durch zwei Direktmandate retten, in ihrer früheren Hochburg Brandenburg flog sie aus dem Landtag.

Die neue Spitze will nun „ein bis zwei Kernthemen ins Zentrum“ rücken, äußerte van Aken, etwa den Mietendeckel oder die Bürgerversicherung. Diese müssten „so konkret sein, dass die Leute wissen, es geht mir morgen besser, wenn das kommt“. Schwerdtner glaubt, dass das BSW „schnell an der Realität zerschellen“ werde. Dann müsse „die Linke für deren enttäuschte Wähler da sein“.

 



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