Berlin: Extinction Rebellion startet mit unangemeldeten Protesten und blockiert Autofahrer

Im Regierungsviertel haben sie ihr Lager aufgeschlagen, nun schwärmen sie in die ganze Stadt aus: Die Aktivistengruppe Extinction Rebellion will den Verkehr in Berlin eine Woche lang stören.
Epoch Times7. Oktober 2019

Die Aktivistengruppe Extinction Rebellion hat am frühen Morgen in Berlin ihre Protestaktion für mehr Klimaschutz gestartet.

Hunderte Anhänger liefen vom Regierungsviertel zur Siegessäule im Ortsteil Tiergarten, wie die Polizei der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Dann besetzten die Aktivisten kurz vor Beginn des Berufsverkehrs den Großen Stern – einen Verkehrsknotenpunkt in der Hauptstadt. Bislang sei alles friedlich. Laut Polizei waren bis 06.00 Uhr rund 1000 Aktivisten zusammengekommen.

Polizei appellierte an Autofahrer

Auf einem von den Aktivisten veröffentlichten Video war zu sehen, wie Dutzende Menschen auf der Fahrbahn liefen und sich setzten.

Auch Einsatzfahrzeuge der Polizei waren zu sehen. Zuvor hatte die Gruppe via soziale Medien dazu aufgerufen, sich schnell auf den Weg zu machen. Die Polizei appellierte an Autofahrer: „Bitte seien Sie vorsichtig und umfahren den Bereich.“

Mit Blockaden und anderen Protestaktionen will die Umweltschutzbewegung von Montag an nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Großstädten in aller Welt auf den Klimawandel aufmerksam machen.

Aktionen soll es unter anderem in London, Paris, Madrid, Amsterdam, New York, Buenos Aires sowie in den australischen Städten Sydney, Melbourne und Perth geben. Die Aktionen sollen mindestens eine Woche lang andauern.

Aktionen größtenteils unangemeldet

Wie genau sie dabei vorgeht, soll erst wenige Minuten vor Beginn der größtenteils unangemeldeten Aktionen bekannt gegeben werden.

Extinction Rebellion (auf Deutsch etwa: Rebellion gegen das Aussterben) kommt ursprünglich aus Großbritannien. Nach eigenen Angaben gibt es die Gruppe seit November vorigen Jahres auch in Deutschland.

Sie fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen. Alle politischen Entscheidungen, die der Bewältigung der Klimakrise entgegenstünden, müssten revidiert werden.

Schon bis 2025 müssten die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen auf netto null senken, verlangt die Gruppe. Zu den Blockaden erklärt die Gruppe: „Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren.“

„Wir stören, weil wir keinen anderen Weg sehen“

Eva Escosa-Jung von Extinction Rebellion sagte zu der ersten Aktion in Berlin: „Heute beginnt die weltweite Rebellion gegen das Aussterben. Wir stören, weil wir keinen anderen Weg sehen, um den umfassenden und tiefgreifenden Wandel herbeizuführen, der das Klima rettet.“

Die Klimapolitik der Regierung habe versagt. „Wälder brennen, die Meeresspiegel steigen, die Ozeane übersäuern und weltweit sterben Wildtiere massenhaft aus – der Menschheit droht eine lebensbedrohende Katastrophe.“

Extinction Rebellion wende keine Gewalt, sondern Kreativität an. Am Mittag (12:05 Uhr) werde Carola Rackete an der Siegessäule eine Rede halten.

In Berlin wollen die Aktivisten am Montag zudem mit einem Marsch gegen das Artensterben aufmerksam machen. Am Mittag soll es dann auch am Potsdamer Platz eine zentrale Veranstaltung geben, von der aus weitere Aktionen ausgehen sollten.

Zur gleichen Zeit soll an einem zunächst nicht bekannt gegebenen Ort im Regierungsviertel eine pinke Arche aufgestellt werden, die an das Artensterben erinnern soll.

U- und S-Bahnverkehr sollten verschont bleiben. Ob sich Extinction Rebellion auf die Straße konzentriert oder auch die Berliner Flughäfen ins Visier nimmt, wollten die Organisatoren nicht verraten.

Extinction Rebellion radikaler als Fridays for Future

Anders als andere Bewegungen wie Greta Thunbergs Fridays for Future, sind die Aktivisten von Extinction Rebellion nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Legale Demonstrationen und parlamentarische Prozesse hätten in den vergangenen 30 Jahren nicht zu den nötigen Veränderungen im Klimaschutz geführt, sagten die Veranstalter am Freitag.

Dabei betonten sie allerdings stets, dass sämtliche Aktionen friedlich ablaufen sollten. Dafür sollten unter anderem Mediatoren sorgen, die Konflikte zwischen den Aktivisten und anderen – etwa Polizisten oder aufgehaltenen Autofahrern – während der Aktionen vermeiden sollten.

SPD begrüßt „frühzeitige Aktionen jeglicher Art“

Die Regierungspartei SPD reagierte aufgeschlossen auf die Ankündigungen. „Ich verstehe die Ungeduld von vielen“, sagte die Interims-Parteivorsitzende Malu Dreyer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Ich begrüße frühzeitige Aktionen jeglicher Art, die die Dringlichkeit der Aufgabe deutlich machen.“ Zugleich mahnte sie: „Natürlich gilt für alle, dass es gewaltfrei bleiben muss.“

Die FDP hingegen warnte vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. „Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage“, sagte Parteichef Christian Lindner der Deutschen Presse-Agentur.

„Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren.“ Klimaschutz sei keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nehme, sagte der Liberale.

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte der „Bild“ zu den Protesten: „Hier vereinnahmen Radikale das Thema Klimaschutz für einen Angriff auf unser politisches und wirtschaftliches System. Für gezielten Rechtsbruch ist kein Platz in demokratischen Debatten.“

Grüne kritisieren Extinction Rebellion

Der radikalere Klima-Protest unter anderem der Aktivisten-Gruppe „Extinction Rebellion“ stößt selbst bei Grünen-Politikern nun auf Ablehnung.

Die Protestler, die bereits den Flughafen London mit Drohnen lahmlegen wollten und nun Straßen-Blockaden angekündigt haben, hätten zwar damit Recht, dass das Klima-Paket der Bundesregierung „ein unverantwortlicher Witz“ sei, sagte der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold der „Bild“ (Montagsausgabe).

„Aber: In keiner Demokratie darf man Veränderung durch Protest erzwingen. Bei Drohnen am Flughafen gehen Proteste zu weit“, so Giegold weiter.

Ähnlich äußerte sich der Grüne Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer: „Es gibt gute Gründe, endlich entschiedenes Handeln für den Klimaschutz zu fordern. Wer aber Demokratie und Rechtsstaat dafür über Bord wirft, wird ziemlich sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren. Protest ja, Rebellion nein.“

Kanzleramtschef kritisiert radikale Klimaproteste

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat die neuerdings radikaleren Klimaproteste scharf kritisiert und jeden Dialog mit Aktivisten-Gruppen wie „Extinction Rebellion“ ausgeschlossen. „Das Anliegen, das Klima zu schützen, teilen sehr, sehr viele in diesem Land. Aber gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, das geht nicht“, sagte Braun in der „Bild“-Sendung „Die richtigen Fragen“.

Solche Aktivisten seien „dann auch kein Gesprächspartner“, so Braun weiter. Er halte gezielte Tabubrüche beim Protest für falsch. Straßenblockaden seien „natürlich kein Kavaliersdelikt, Verkehrseingriffe sind gefährlich“, sagte der Kanzleramtschef am Montagmorgen. „Ich glaube, dass man damit kein Ziel erreicht. Wenn die Menschen sich ärgern, weil es zu Problemen kommt auf dem Weg zur Arbeit, dann nutzt das nicht dem Klima.“ Ein Dialog sei „mit diesen Aktivisten nicht geplant.“ Braun nahm in der „Bild“-Sendung auch Stellung zur neuen Diskussion um ein Tempolimit: „Mit der Union wird es keine Zustimmung zu einem Tempolimit geben“, legte sich der Kanzleramtschef fest. „Darauf wollen wir gerne verzichten.“

Das Verhalten während der Aktionen war auch Thema in einem sogenannten Klimacamp, das die Aktivisten bereits am Samstag im Berliner Regierungsviertel aufgeschlagen hatten.

In Workshops und Diskussionsveranstaltungen bereitete Extinction Rebellion die Teilnehmer auf Demonstrationen und andere Protestformen vor.

Bis zu 3.000 Menschen kamen am Sonntag in das Camp zwischen Reichstag und Kanzleramt. Für die Proteste ab Montag in Berlin erwarteten die Veranstalter „Tausende Menschen“ aus Deutschland, Polen, Dänemark und Schweden. (dpa/dts)



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