Berlin baut aus: Flüchtlingszentrum auf ehemaligem Flughafen Tegel

Geht Berlin von einer erneuten Flüchtlingswelle aus? Oder sind es die großen Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Wohnungen an Migranten? Der Berliner Senat baut beispielsweise ein Flüchtlingsankunftszentrum aus, obwohl es aktuell gerade mal etwas über die Hälfte belegt ist.
Titelbild
Arbeiter errichten am 9. Dezember 2022 in Berlin eine von mindestens einem halben Dutzend neuer provisorischer Unterbringungszelte auf dem ehemaligen Flughafen Tegel. Symbolbild.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 28. April 2023

Der Berliner Senat gab bekannt, dass er das Flüchtlingsankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel bis Ende September weiter betreiben möchte. Es wurde zudem eine Verlängerungsoption vereinbart. Gleichzeitig wurde angekündigt, die 4.300 Plätze im Ankunftszentrum weiter auszubauen, um den „prognostizierten“ Bedarf abdecken zu können.

Jeden Monat kostet das Ankunftszentrum das Land Berlin und den Bund einen zweistelligen Millionenbetrag: Konkret sind es rund 12  Millionen Euro, die monatlich für die Nutzung und Betreuung zu zahlen sind. Darin inbegriffen ist mit rund 4 Millionen die Miete (inklusive Nebenkosten), die an zwei landeseigene Unternehmen geht, die Tegel Projekt GmbH und die Messe Berlin.

Dann muss der laufende Betrieb durchs Deutsche Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen (rund 6 Millionen im Monat für circa 200 Kräfte) finanziert werden. Dazu kommen die monatlichen Ausgaben für den Sicherheitsdienst (1,13 Millionen Euro) und die Berliner Verkehrsgesellschaft (rund 1 Million) für den Anschluss des ehemaligen Flughafens ans Busnetz.

„Wir brauchen die 4.300 Plätze dringend“

„Wir brauchen die 4.300 Plätze dringend, im Moment sind sie unverzichtbar“, zitiert die „B.Z.“ Franziska Giffey (44, SPD, zum Zeitpunkt des Zitates Regierende Bürgermeisterin von Berlin). Aufgrund der weiterhin sehr angespannten Unterbringungssituation für Flüchtlinge sei die weitere Nutzung der Ankunfts- und Notunterbringungsstrukturen auf dem ehemaligen Flughafen Tegel auch im Jahr 2023 unvermeidbar, heißt es in einer Stellungnahme vom Senat am 25. April.

Das Ankunftszentrum für Flüchtlinge aus der Ukraine soll daher im Terminal C des ehemaligen Flughafens Tegel weiter genutzt werden. Zudem sollen auch die Notunterkünfte in den acht Leichtbauhallen auf dem Rollfeld nahe Terminal C weiter in Betrieb bleiben.

Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten am 9. Dezember 2022 in Berlin Essen in einer Cafeteria des Flüchtlingsregistrierungszentrums am ehemaligen Flughafen Tegel. Etwa 200 Flüchtlinge aus der Ukraine kamen damals täglich in Berlin an. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Aktuell befinden sich 2.664 von insgesamt 2.714 untergebrachten Flüchtlingen und Migranten länger als drei Tage in den Notunterkünften auf dem ehemaligen Flughafengelände Tegel.

Für alle Personen, die über drei Tage dort untergebracht sind, wird von einem mittel- bis langfristigen Wohnungsbedarf in Berlin ausgegangen. Allerdings ist der Berliner Wohnungsmarkt extrem angespannt und weist gerade mal 0,8 Prozent Leerstand auf.

Neben dem Ausbau des Flüchtlingsaufnahmezentrums auf dem ehemaligen Flughafen soll gleichzeitig eine soziale Infrastruktur „zur Förderung der sozialen und kulturellen Teilhabe“ in Form eines Bildungs- und Kulturgebäudes am Kurt-Schumacher-Platz nahe dem ehemaligen Flughafen Tegel entstehen, teilte der Senat mit. Zu den Kosten gab es keine Informationen.

Berlin will mehrere neue Ankunfts- und Unterbringungszentren einrichten

Gleichzeitig plant der Senat, mehrere alternative Standorte für ein „zukunftsfähiges Ankunfts- und Unterbringungszentrum“ zu schaffen. Sie sollen „langfristig und nachhaltig“ für Ankommen, Registrierung, Verteilung und Erstversorgung aller Flüchtlinge und Migranten zur Verfügung stehen, erklärt der Berliner Senat.

Hierfür soll unter anderem der aktuelle Standort des „Asyl-Ankunftszentrums“ auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Neukölln durch eine Machbarkeitsstudie geprüft werden.

Bereits jetzt existiert dort ein Ankunftszentrum, indem maximal 861 Menschen aufgenommen werden können. Sie würden durch 80 Vollzeitkräfte versorgt. Allerdings waren Mitte März lediglich 477 Menschen dort untergebracht, die daher nur durch 64 Vollzeitkräfte betreut wurden.

„Neben Aufgaben, die auch in anderen Unterkünften anfallen, hat das Personal auch Aufgaben im Umfeld der Erfassung, Registrierung und Folgemaßnahmen, zum Beispiel medizinische Erstuntersuchungen zu bedienen“, heißt es zu ihrem Tätigkeitsschwerpunkt.

Aktuell 18 Aufnahmeeinrichtungen

Unabhängig vom Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel und dem Ankunftszentrum auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik betreibt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten berlinweit aktuell 18 Aufnahmeeinrichtungen mit Vollverpflegung für Asylsuchende und Migranten in Berlin, teilte der Senat Ende März mit. Zu dem Zeitpunkt waren diese Einrichtungen mit 5.204 Menschen belegt.

Zudem werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Erstaufnahme- und Clearingstelle des Landes Berlin erst erfasst und dann bei zahlreichen weiteren freien Trägern der Jugendhilfe untergebracht. Die Einrichtungen sind im gesamten Stadtgebiet verteilt. Mitte Februar wurden so 793 Kinder vorläufig und 457 bestätigt durch den Senat in Obhut genommen. Hierfür fielen 2022 Kosten in Höhe von 24,3 Millionen Euro für den Berliner Senat an.

EU-Gelder für Flüchtlingsaufnahme

Für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine im Jahr 2022 hat das Land Berlin keine EU-Mittel erhalten. Ob und in welcher Höhe das Land Berlin für das Jahr 2023 EU-Mittel für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine erhalten werde, könne derzeit noch nicht beziffert werden, teilte der Senat mit.

Im Jahr 2021 hat das Land Berlin Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU für die „humanitäre Aufnahme“ von Flüchtlingen und Migranten aus Syrien und der Türkei in Höhe von 700.760,46 Euro (für 2018 bis 2019) erhalten. Für die Umsiedlung dieser Menschen gab es aus Brüssel zusätzlich 98.742,48 Euro (für 2018 bis 2019).

Im Jahr 2022 hat das Land Berlin Mittel aus dem gleichen EU-Fonds für die Aufnahme von Menschen aus Syrien 841.986,24 Euro (für 2019 bis 2021) erhalten. Für die Aufnahme von Menschen aus Griechenland gab es 652.625,83 Euro (2020 bis 2021). Für die Umsiedlung dieser Menschen gab es zudem 667.624,16 Euro (2019 bis 2021).

Allerdings ist Deutschland auch größter Nettozahler an die EU. 2021 war es die Rekordsumme von rund -21,3 Milliarden Euro, die es an Brüssel überwies.

38,6 Prozent der Berliner haben Migrationshintergrund

In Berlin steigt derzeit sowohl der Ausländeranteil als auch die Einwohnerzahl.

Der Ausländeranteil lag am 31.12.2022 in Berlin bei 24,3 Prozent – mit großen Unterschieden zwischen den Bezirken. Ähnlich sieht es bei den Einwohnern mit Migrationshintergrund aus. Ihr Anteil lag 2022 insgesamt bei 38,6 Prozent. Auch hier gibt es große Schwankungen zwischen den Bezirken.

Die beiden größten Gruppen von Ausländern im Berliner Einwohnermelderegister waren Ende 2022 Staatsangehörige aus der Türkei mit 101.325 Personen (+2 371) und seit 2022 erstmals aus der Ukraine mit 57.495 Personen. Polen folgt mit 54.068 Personen (–382) auf Platz 3.

Insgesamt hat wie bereits die letzten Jahre auch 2022 die Zahl der Deutschen in der Hauptstadt abgenommen (-13.481 Personen). Gleichzeitig nahm die Zahl der Ausländer um 88.810 Personen zu (ohne Ukrainer: +32.413 Personen).

Somit erreichte Berlin am 31.12.2022  mit 3.850.809 Menschen, die ihren Hauptwohnsitz in Berlin hatten, einen neuen Rekord. Im Vergleich zum Vorjahresende waren dies 75.329 Personen bzw. 2,0 Prozent mehr, so das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion