„Begleitetes Trinken“ ab 14 Jahren könnte demnächst Geschichte sein

Kein Alkohol mehr unter 16 Jahren, kein frei verkäufliches Lachgas aus der Dose und auch keine K.-o.-Tropfen mehr: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will nach der Sommerpause die bislang recht liberalen deutschen Gesetze ändern lassen.
Setzen Bierbrauer zukünftig auf Künstlicher Intelligenz?
Das Symbolbild zeigt einen Wirt beim Bierzapfen.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 11. Juli 2024

„Das sogenannte begleitete Trinken sollte untersagt werden.“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) wenig Raum für Spekulationen gelassen: Er wird sich dafür einsetzen, dass Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren auch in Anwesenheit von Sorgeberechtigten kein Bier, keinen Wein und auch kein Gläschen Sekt mehr trinken dürfen.

Das ist in Deutschland bislang erlaubt. Doch Lauterbach betrachtet ein Aus der entsprechenden Regelung aus dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) offenbar als alternativlos: „Aus gesundheitspolitischer Sicht kann es zu diesem Thema keine zwei Meinungen geben“, gab er sich überzeugt. Denn es spiele keine Rolle, ob Alkohol im Beisein oder in Abwesenheit der Eltern getrunken werde: Schädlich sei die Substanz auf jeden Fall.

Lachgas nur noch für medizinische und industrielle Zwecke

Nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ (Bezahlschranke) will Lauterbach auch bisher frei verkäufliches Lachgas aus dem Verkehr ziehen lassen. Das Gas Distickstoffmonoxid (N2O) werde schon von Kindern und auch von Jugendlichen gerne als Partydroge genutzt, obwohl es zu Schwindel, Übelkeit und sogar zu Lähmungserscheinungen führen könne, schreibt die „Zeit“.

Der Petitionsausschuss im Bundestag hatte nach einem „Zeit“-Artikel vom 12. Juni bereits vor rund vier Wochen für eine strengere Regulierung des Narkose- und Industriemittels plädiert: Es bestehe die Gefahr von Langzeitschäden, etwa einer schlechteren Entwicklung des Gehirns. Damit pflichtete der Ausschuss Lauterbach bei, der sich bereits Ende Mai im ARD-„Morgenmagazin“ für eine Neuregelung eingesetzt hatte: Lachgas sei „sehr gefährlich“ insbesondere für Kinder und Jugendliche, weil es bei regelmäßigem Konsum zu Unfällen oder neurologischen Schäden kommen könne. Eine industrielle, gewerbliche oder wissenschaftliche Nutzung von Lachgas will Lauterbach allerdings weiter gestatten, sofern der Missbrauch als Droge verunmöglicht werde.

In Deutschland wird das Gas derzeit noch ohne Altersbeschränkung in bunten Dosen verkauft. Manche Hersteller bieten Produkte mit Erdbeer- oder Kokosgeschmack an. Auch in manchen Sprühflaschen, die etwa Schlagsahne enthalten, dient Lachgas als Treibmittel. In der Schweiz, in den Niederlanden, in Dänemark und in Großbritannien ist der Verkauf an Minderjährige laut „Zeit“ verboten.

Gesundheitsminister Lauterbach will, dass junge Menschen künftig nicht mehr so einfach an Lachgas kommen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will, dass junge Menschen künftig nicht mehr so einfach an Lachgas kommen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Demnächst K. o. für K.-o.-Tropfen?

Auch den Substanzen Gammabutyrolacton und 1,4-Butandiol, im Volksmund und in der Klubszene besser als K.-o.-Tropfen bekannt, sagt Lauterbach nun den Kampf an: Sie sollen laut „Zeit“ ebenfalls verboten werden. Nach einem Bericht der „Welt“ gelten die Chemikalien als „Vergewaltigungsdroge“ und werden zuweilen von Sexualstraftätern eingesetzt.

Für seine Verbotspläne hat Lauterbach nach „Zeit“-Informationen bereits einen Gesetzesänderungsantrag vorbereitet. Den wolle der Minister nach der Parlamentssommerpause einbringen. Eine Neuregelung im Sinne des Gesundheitsministers könne dann womöglich noch 2024 greifen.

Breite Zustimmung für Alkoholverbot unter 16 Jahren

Auch Lauterbachs Parteikollege Andreas Philippi, der Landesgesundheitsminister Niedersachsens, hatte sich jüngst für einen Wegfall von Paragraf 9 (2) JuSchG geäußert: „Es ist ein völlig falsches gesellschaftliches Signal, wenn Eltern oder ältere Geschwister oder Freunde mit 14-Jährigen Bier oder Wein trinken“, hatte Philippi gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Bezahlschranke) gesagt.

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) machte sich gegenüber dem RND ebenfalls für die Abschaffung des begleiteten Trinkens stark. Sie sehe einen Widerspruch in der Behandlung von Cannabis- und Alkoholkonsum: Mit der Teillegalisierung von Cannabis ab 18 Jahren habe man den Bereich der Drogen- und Suchtprävention erweitert, erklärte Czyborra. Sie griff damit ein Argument von Karl Lauterbach auf, das der Gesundheitsminister während der Legalisierungsdebatte benutzt hatte. Dazu passe nicht, Jugendlichen schon ab 14 Jahren Alkohol zu gestatten, selbst wenn die Eltern dabei seien. Immerhin gefährde das Trinken die körperliche und geistige Entwicklung Jugendlicher in hohem Maße, so Czyborra. „Diese Meinung werde ich auch auf der nächsten Gesundheitsminister*innenkonferenz vertreten und darauf hinwirken, dass das Jugendschutzgesetz entsprechend geändert wird“, betonte die Sozialdemokratin laut RND.

Nach Angaben des „Radio Bremen“-Regionalmagazins „buten un binnen“ will die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder spätestens bis November Regelungsvorschläge zur Begrenzung des Alkoholkonsums ausarbeiten. Nach Angaben der GMK-Website treffen sich Vertreter der obersten Landesgesundheitsbehörden am 13. und 14. November 2024 in Neumünster (Schleswig-Holstein).

Laut „Radio Bremen“ steht auch das Gesundheitsressort des Bremer Senats Lauterbachs Vorstoß zum generellen Verbot des Alkoholkonsums unter 16 Jahren positiv gegenüber. „Alkohol sollte nicht von Kindern und Jugendlichen konsumiert werden – auch nicht im Beisein der Eltern. Es ist davon auszugehen, dass die Begleitungsregel eher eine verharmlosende Wirkung auf den frühen Alkoholkonsum hat“, habe eine Sprecherin auf Anfrage geantwortet.

Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hält die aktuelle Regelung im Jugendschutzgesetz „mit Blick auf unsere Präventionsziele“ ebenfalls für kontraproduktiv: „Der Konsum von Alkohol bedeutet für Kinder und Jugendliche ein besonders hohes Gesundheitsrisiko“, so die Christsoziale auf RND-Anfrage. Nach Angaben von RTL hatte sich Gerlachs Vorgänger Klaus Holetschek (CSU) bereits im Frühjahr 2023 für ein Verbot des „begleiteten Trinkens“ eingesetzt. Sowohl Holetschek als auch Gerlach hatten zudem immer wieder Front gegen Lauterbachs Cannabisgesetz gemacht.

Suchtexperten für Werbeverbote und höhere Preise

Zuspruch für ein generelles Alkoholverbot für unter 16-Jährige kam laut RND auch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm. DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel bezeichnete Alkohol als „ein höchst gesundheitsgefährdendes Produkt“, das seine schädliche Wirkung besonders gut bei jugendlichen Gehirnen entfalten könne. „Grundsätzlich gilt: Je früher der Alkoholkonsum beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit und desto geringer die Wahrscheinlichkeit, diese Abhängigkeit zu überwinden“, erklärte Rummel gegenüber dem RND.

Ginge es nach ihr, so gäbe es auch strengere Regulierungen zur Verfügbarkeit von Alkohol und bei Werbung und Sponsoring. Auch eine „spürbare Anhebung der Alkoholpreise“ käme ihrer Ansicht nach der Prävention zugute.

Drogenbeauftragter schon länger für Konsum erst ab 18

Burkhard Blienert, der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, hatte eine Verbotsoffensive von sämtlichen Suchtmitteln bereits vor Jahren angemahnt. Man müsse politisch endlich an die „Großbaustellen ran: Alkohol, Tabak und Glücksspiel“, hatte Blienert nach Angaben der Bundesregierung im Januar 2023 gefordert. Für alle drei Risikoangebote müsse es Werbeverbote geben.

„Wir können vor den gesundheitspolitischen Problemen nicht länger wegschauen. Kaum ein europäisches Land hat einen so liberalen Umgang mit Alkohol, Tabak und Co“, erklärte der Sucht- und Drogenbeauftragte damals. Immerhin stürben jedes Jahr allein in Deutschland etwa 150.000 Menschen an den Folgen von Alkohol- und Tabakkonsum. Zudem habe statistisch jeder achte Erwachsene „ein Problem mit dem Glücksspiel“.

Ein Jahr später, im Januar 2024, plädierte Blienert laut „Zeit“ nicht nur für ein Aus für das begleitete Trinken ab 14 Jahren, sondern für ein generelles Suchtmittelverbot bis zur Volljährigkeit.

Auch Brauer- und Landjugendverband mit kritischer Haltung zum frühen Alkoholkonsum

Der Deutsche Brauer-Bund setzt sich seit jeher für eine Bierabgabe nur an Personen im Alter von mindestens 16 Jahren ein.

Beim Bund der Deutschen Landjugend gibt es „keine abgestimmte Position“ zum Thema „begleitetes Trinken“. Das erklärte eine Sprecherin auf Anfrage der Epoch Times. Innverbandlich werde der Konsum von Alkohol aber regelmäßig thematisiert und kritisch hinterfragt. Die Broschüre „Umgang mit Alkohol auf Jugendfreizeiten“ (PDF) erläutere weitere Einzelheiten. Auf Veranstaltungen des Bundes der Deutschen Landjugend würden jedenfalls weder „branntweinhaltiger Alkohol“ noch Cannabis verkauft oder konsumiert. Das günstigste angebotene Getränk sei immer Wasser.

Der Deutsche Bundesjugendring sah sich zeitnah außerstande, der Epoch Times eine Stellungnahme zu geben: Der Vorstand sei urlaubsbedingt nicht zu erreichen, teilte eine Sprecherin mit.

Zuletzt hatten die Verbraucherschutzminister der Länder im Juni 2024 die Bundesregierung gebeten, eine Altersgrenze für die Abgabe von Energydrinks zu prüfen. Vorgeschlagen wurde auch hier eine Mindestgrenze von 16 Jahren.



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