BDK-Chef: „Ohne Überstunden wäre die NRW-Polizei längst vollständig kollabiert“
Eine kurz vor der Pension stehende Kriminalhauptkommissarin wandte sich mit einem Brief an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Sie bat, dass ihre 1.200 Überstunden mit ihrer Pensionierung nicht verfallen. Das Innenministerium verwehrte ihr jedoch die Anrechnung und antwortete in einem fünfseitigen Brief.
In dem Brief argumentierte das Innenministerium, dass es sich bei den Überstunden nicht um eine angeordnete Mehrarbeit handeln würde. Entsprechend dem Beamtengesetz könnten auch nur maximal 480 Überstunden pro Jahr ausgezahlt werden. Von 2015 bis 2018 hatte diese Kriminalbeamtin 1.700 Überstunden. Bereits seit Mitte Januar bummelte sie etliche Stunden zu Hause ab. Jedoch blieben 1.200 Stunden übrig.
Bis 2015 war die Kriminalpolizistin nach eigener Aussage unter anderem im Bereich Tötungs- und Sexualdelikten sowie bei der Verfolgung von Kinderpornografie tätig. Danach wechselte sie zum Staatsschutz, wo sie im Bereich Islamismus eingesetzt war. Dies berichtet der Berufsverband Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) auf seiner Internetseite.
BDK-Chef: „Ohne Überstunden wäre die NRW-Polizei längst vollständig kollabiert“
Der BDK kritisierte die Entscheidung Reuls. „Er hatte versprochen, dass bei der Polizei in NRW keine Stunde verfallen wird“, sagte der BDK-Vorsitzende Sebastian Fiedler zur dpa.
Besonders die Einsatzhundertschaften, die Spezialeinheiten und die Kriminalpolizei wären seit Jahren überproportional von Überstunden betroffen. „Ohne Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, enorm viele Überstunden zu leisten, wäre die NRW-Polizei längst vollständig kollabiert“, erklärte Fiedler.
Die Polizeigewerkschaft (GdP NRW) sieht bereits seit Jahren einen großen Personalmangel bei der Polizei in NRW, verursacht durch die Politik. Dadurch würden häufig Überstunden anfallen. Allein im Jahr 2016 und im Jahr 2017 fielen 5,4 Millionen Überstunden an, errechnete die GdP. Das sind rein rechnerisch für die rund 42.000 Polizeibeamte in NRW rund 128 Überstunden im Jahr pro Beamten.
Sie fordert die Einrichtung eines Langzeitkontos für Überstunden und die Abschaffung der Fünfjahresverfallsfrist für die Überstunden. So könnten die Polizeikollegen dann einen längeren Zeitraum in die Freizeit gehen und erholt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
GdP: Senkung des Krankenstandes um 1 Prozent = 400 Polizisten mehr auf der Straße
Bei der Polizei herrsche ein höherer Krankenstand als bei den anderen Beamten in NRW. Würde man diesen nur um ein Prozent senken, hätte man 400 Polizisten mehr auf der Straße, so die GdP.
Weniger junge Menschen gleich weniger Straftaten?
Hintergrund für die aktuelle Situation ist der in den 2000er Jahren begonnene Abbau von Stellen bei der Polizei in NRW. Nach Aussage der Polizeigewerkschaft wollte man durch Personalkürzungen Kosten sparen und zog mit Blick auf die damalige demografische Entwicklung falsche Schlussfolgerungen.
Man ging davon aus, dass man bei immer weniger jungen Leuten und mehr älteren Menschen in Zukunft mit weniger Straftaten rechnen müsse. Straftaten würden ja überwiegend von jungen Leuten begangen, daher dachte man, man könnte Polizeistellen einsparen.
Mittlerweile hätte die Politik umgedacht und die Einstellungszahlen erhöht. Jedoch würde es noch Jahre dauern, bevor die falsche Politik der vorangegangenen Jahre wieder ausgeglichen würde, erklärt die Polizeigewerkschaft.
Gleichzeitig begrüßt die Gewerkschaft, dass immer mehr Tarifbeschäftigte angestellt sind und zwar da, wo nicht unbedingt ein Polizeibeamter notwendig ist (zum Beispiel im IT-Bereich). Im Jahr 2025 sollen in NRW 621 Kommissaranwärter eingestellt werden. Und in diesem Jahr sollen 8.250 Stellen mit Tarifbeschäftigten besetzt sein (+742 Stellen zu 2019).
BDK wünscht sich Lebensarbeitszeitkonto für Polizeibeamte
Der Bund deutscher Kriminalbeamter fordert, dass berufliche Mehrleistungen von Polizisten stärker honoriert werden. „Dazu zählt insbesondere, dass Überstunden sicher vor Verfall geschützt und aufgelaufene Mehrarbeit im Sinne der Bediensteten ausgeglichen werden“, so der BDK-Vorsitzende Sebastian Fiedler gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
In diesem Sinne setzte man sich für die Schaffung eines Lebensarbeitszeitkonto ein. Die dort angesammelten Überstunden würden nicht verfallen und könnten für eine längere Auszeit oder den früheren Eintritt in die Pension genutzt werden. Dies sei bereits Bestandteil des Koalitionsvertrages von NRW 2017 zwischen CDU und FDP, jedoch bisher nicht umgesetzt, erklärt Fiedler.
Die Polizeigewerkschaft kritisiert, dass die Regierung in NRW seit 2017 keine offiziellen Zahlen mehr zu den angefallenen Überstunden bei der Polizei veröffentlicht. Selbst auf parlamentarische Anfragen dazu sei man von Regierungsseite nicht eingegangen.
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