Bayern: Gemeinde bringt Flüchtlinge im Rathaus unter – um Turnhalle zu erhalten

In Bayern hat erstmals eine Gemeinde Flüchtlinge im eigenen Rathaus untergebracht. Nach einer Zwangszuweisung durch das Landratsamt wollte man so Vereinen die Turnhalle erhalten. Ob dies gelingt, bleibt fraglich.
Mehr Kriegsflüchtlinge werden erwartet - die Kommunen fordern finanzielle Klarheit vom Bund.
Kommunen klagen, es sei kaum noch möglich, geeignete Formen der Unterbringung für Flüchtlinge zu schaffen.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 7. September 2023

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Auf unkonventionelle Weise geht die Gemeinde Sachsenkam im bayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit einer Zwangszuweisung von Flüchtlingen um. Nachdem das Landratsamt Anfang August einen solchen Schritt angekündigt hatte, trat der Gemeinderat zusammen. Da außer der Turnhalle im Ort keine geeignete Unterkunft für 13 Asylsuchende verfügbar war, widmete man per Beschluss die erste Etage des Rathauses um.

Nach Corona sollte Turnhalle nicht erneut geschlossen werden

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, fiel die Entscheidung einstimmig. Von den 1.316 Einwohnern von Sachsenkam sind etwa 900 Mitglieder in einem Sportverein. Bürgermeister Andreas Rammler wollte nach der Corona-Pandemie nicht schon wieder die einzige Turnhalle des Ortes schließen.

Gegenüber dem „Münchner Merkur“ äußerte er in einem Interview, er habe „Angst, dass Trainer oder Übungsleiter aufgeben, wenn wir die Halle nun wieder schließen“. Weil auch die Mitglieder des Gemeinderates diese teilten, hat man sich kurzerhand entschlossen, einen Teil des Rathauses zur Flüchtlingsunterkunft zu machen. Für Chöre und Yogagruppen, die diesen derzeit nutzen, solle ein kleiner Bereich dafür erhalten bleiben.

Gemeinde muss sich auf bis zu 25 Flüchtlinge einstellen

Die innovative Lösung könnte sich jedoch schon bald als Pyrrhussieg erweisen. Seit Februar 2022 leben zehn Flüchtlinge aus der Ukraine im Dorf. Rammler spricht nun von weiteren jeweils vier zugewiesenen Schutzsuchenden für September und Oktober. In diesem Fall wisse man noch nicht, aus welchem Land diese kämen – und ob sich auch Kinder darunter befänden.

Allerdings könnte das nicht die letzte Zuweisung gewesen sein. Zwar gelten auch die nahe gelegenen Gemeinden Dietramszell, Eurasburg, Münsing und Greiling als mögliche Kandidaten für eine weitere Zwangszuweisung.

Dem „Königsteiner Schlüssel“ zufolge müsste sich Sachsenkam jedoch auf insgesamt 25 unterzubringende Flüchtlinge einstellen. Für weitere sind aber keine geeigneten Unterkünfte in Sicht. Und der Bürgermeister macht unumwunden deutlich: „Es gibt aktuell keine Lösung.“ Container oder Zelte wären frühestens in einem Jahr zu erwarten.

Bund reicht Verantwortung für Flüchtlinge nach unten durch

Man habe mehrfach in Aufrufen an Bürger appelliert, Unterbringungsmöglichkeiten zu melden – die Resonanz war null. Offenbar ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, die Flüchtlingspolitik des Bundes zu unterstützen, deutlich gesunken. Leerstehende Gebäude habe die Gemeinde ebenfalls nicht.

Im „Merkur“ übt Rammler deutliche Kritik an der Bundespolitik. Das Problem werde „von Berlin einfach bis nach Sachsenkam durchgereicht – wir Kommunen stehen in der Kette einfach ganz unten und fühlen uns hilflos“.

Der Bund belaste Bürgermeister mit Problemen, die man nicht steuern könne und die nicht zu ihren Pflichtaufgaben gehörten. Wie diese damit umgehen sollten, darüber mache sich augenscheinlich niemand Gedanken, so Rammler:

Ich habe das Gefühl, dass es keinen interessiert, wie die Kommunen diese Herausforderung stemmen sollen. Viele sind am Anschlag. Als ehrenamtlicher Bürgermeister engagiere ich mich für meine Gemeinde, von ihr bin ich gewählt worden, nicht für die große Weltpolitik.“

„Sorge, dass die Stimmung kippt“

Der Bürgermeister macht zudem darauf aufmerksam, dass die Gemeinde ohnehin schon von den Folgen eines immer dichteren Wohnungsmarktes betroffen sei. Im Rahmen des Flüchtlingsgipfels mit Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Bund den Ländern zwar eine zusätzliche Milliarde Euro für die Versorgung zugesagt.

Dies löse allerdings die Probleme der Kommunen noch nicht. Bei diesen gehe es, so Rammler, mittlerweile „nur noch um die Unterbringung der Menschen, von Integration sind wir weit, weit entfernt“. Außerdem fehlten Kindergartenplätze und Erzieher für die Betreuung der Kinder. Für den Bürgermeister von Sachsenkam steht fest:

Die Zuwanderung muss gebremst werden, um die Menschen, die jetzt da sind, integrieren zu können. Dazu gehört auch, Abschiebungen von ausreisepflichtigen Asylbewerbern umzusetzen.“

In seiner kommunalpolitischen Funktion suche er angesichts immer größerer Vorbehalte das Gespräch und versuche zu beruhigen. Allerdings sei er immer mehr in Sorge, „dass die Stimmung kippt“.



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