Bauernproteste von Rechtsextremen unterwandert: Warnungen nur Alarmismus? Das sagen Verfassungsschützer

Verfassungsschützer, Experten und Politiker haben davor gewarnt, dass Rechtsextremisten zunehmend die Demonstrationen der Bauernproteste unterwandern. Sind die Warnungen Alarmismus oder haben sie eine ernst zu nehmende Grundlage? Nach einer Woche Proteste im ganzen Land hat Epoch Times bei allen 16 Verfassungsschutzämtern der Bundesländer nachgefragt. Die Antworten lassen nur eine Erkenntnis zu.
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Eine Woche Proteste von Landwirten und weiteren aufgebrachten Bürgern: Von einer Unterwanderung durch Rechtsextremisten kann nicht die Rede sein.Foto: Jens Schlueter/AFP via Getty Images

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Deutschland stand in dieser Woche auf. Es waren nicht nur die Landwirte, die seit letztem Montag immer wieder mit unterschiedlichsten Aktionen ihren Unmut gegen die Politik der Ampel-Regierung Luft machten. In vielen Städten schlossen sich auch Mittelständler, Kleinunternehmer und Selbstständige dem Protest an. Auch sie fühlen sich von der Koalition aus SPD, Grüne und FDP im Stich gelassen. Schnell machte in den Medien die Runde, dass Rechtsextremisten versuchen könnten, die Proteste zu kapern.

Extremistische Gruppen formieren sich

So hatte etwa Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am ersten Protesttag (Montag, der 08.01) vor einer Unterwanderung von Extremisten gewarnt. Darüber hatte unter anderem die „Tageschau“ berichtet. In einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Video ließ Habeck verlauten:

Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt.“

Ähnlich äußerte sich auch Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer in der „taz“: In den vergangenen Jahren hätten Rechtsextremisten „stetig und konsequent versucht, jede Form von legitimem Bürgerprotest zu unterwandern“. Sie hätten versucht, „in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, indem sie sich als die wahren Volksvertreter aufspielen“. Kramer ergänzte: „Daher ist es nicht wirklich eine Überraschung, dass jetzt auch die Bauernproteste genutzt werden sollen.“ Jedes emotionale Thema sei für diese Strategie geeignet und werde auch genutzt.

„Sie wollen Deutschland lahmlegen“

In die gleiche Kerbe schlug auch der Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, Matthias Quent. Der Extremismusforscher sagte im „Deutschlandfunk“: Nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure versuchten, die Bewegung politisch zu instrumentalisieren. Ihnen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“.

Quent richtete an die Bauern den Appell, sich nicht nur verbal abzugrenzen. Man könne gegen die Ampel-Regierung demonstrieren und gleichzeitig ein Zeichen gegen rechts setzen – beispielsweise durch Schriftzüge wie „Nazis raus“ oder Regenbogensymbole auf Plakaten.

Sind die Warnungen berechtigt?

Ist der Aufstand durch Rechtsextremisten unterwandert? Epoch Times wollte es genau wissen und hat bei allen 16 Innenministerien in Deutschland angefragt, welche Erkenntnisse die Behörden über eine Unterwanderung der Proteste durch Rechtsextremisten haben.

Alle Ämter, die sich bei unserer Redaktion zurückgemeldet haben, gaben an, dass Rechtsextremisten und rechtsextremistische Gruppen aktuell darum bemüht seien, die Proteste der Landwirte zu vereinnahmen.

Dabei handele es sich um verfassungsfeindliche Gruppierungen – „insbesondere Delegitimierer und das rechtsextremistische parteigebundene Spektrum“. Genannt werden Kleinstparteien wie die „Die Heimat“ (vormals NPD), „Der III. Weg“ oder die neonazistische Gruppierung „Kollektiv Zukunft Schaffen – Heimat Schützen (KZSHS)“. Sie versuchten, die Bauernproteste für ihre Zwecke zu nutzen und zu vereinnahmen.

AfD Thüringen ruft zu Protesten auf

Auch der Landesverband Thüringen der Partei „Alternative für Deutschland“ sowie eine „Bestrebung, die das thematisch breit gefächerte (‚Krisen‘-)Protestgeschehen in Ostthüringen seit geraumer Zeit maßgeblich prägt – haben im Vorfeld zur Beteiligung an den ‚Bauern-Protesten‘ in Thüringen aufgerufen“.

Ebenfalls wird aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, dass „vereinzelt Personen an den Demonstrationen“ teilgenommen haben, die „den Phänomenbereichen ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ bzw. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘“ zugeordnet würden.

Der saarländische Landesverfassungsschutz bestätigte, dass es auch im kleinsten Flächenbundesland bei genannten Gruppierungen „insbesondere in den sozialen Medien und über Messenger-Dienste“ zu Versuchen gekommen sei, „zur Solidarität und Unterstützung der Bauernproteste“ aufzurufen.

Ist es damit legitim, von einer rechtsextremen Unterwanderung der Proteste zu sprechen?

Multiplikatoren, bekannt aus der Corona-Zeit

Der Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg schreibt, dass „Multiplikatoren“ auf den Bauerndemos gewesen seien, die schon während der Corona-Proteste in Erscheinung getreten sind. Deren „Mobilisierungsaufrufe“ hätten aber „keine breite Beteiligung an Protestaktionen in Baden-Württemberg nach sich“ gezogen. Auch „die im Spektrum der Staatsdelegitimierung im Vorfeld häufig verbreitete Idee eines ‚Generalstreiks‘ unter Beteiligung weiterer Berufsgruppen am Protestgeschehen aus der Landwirtschaft“ habe „nicht verfangen“.

Das Innenministerium in Schleswig-Holstein meldet ebenfalls, bisher lägen keine Erkenntnisse vor, „dass verfassungsfeindliche Gruppierungen als Organisatoren oder Mitorganisatoren der hier bekannten, angemeldeten Bauernproteste in Schleswig-Holstein aufgetreten sind“.

Keine Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung

Ähnlich antwortet die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt:

[Es] liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die darauf hindeuten, dass von den protestierenden Landwirten Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen.“

Aus Brandenburg gab es bis Redaktionsschluss keine Antwort. Allerdings hatte sich Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am vergangenen Dienstag (09.01) zu den Protesten geäußert. Stübgen sehe bisher keine Anzeichen für eine Unterwanderung der Bauernproteste durch Rechtsextremisten.

Die Demonstrationen seien geordnet und friedlich verlaufen, sagte der Innenminister dem rbb24 Inforadio. Die Versammlungsleiter seien kooperativ gegenüber der Polizei. Er sehe insofern „Entwarnung, was eine aktive, starke Unterwanderung dieser Bauernproteste“ angehe.

Hessen: lediglich vereinzelte Teilnahmen des rechtsextremistischen Spektrums

Ähnlich formuliert es die Pressestelle der Innenbehörde im Nachbarland Berlin. An der Demonstration am 8.1.2024 hätten sich neben Anhängerinnen und Anhängern der rechtsextremistischen Parteien „Die Heimat“ und „Der III. Weg“ auch Angehörige der verfassungsschutzrelevanten „Neuen Rechten“ und der „Reichsbürger“-Gruppierung „Gelbe Westen Berlin“ beteiligt. Doch einen prägenden oder steuernden Einfluss auf das Demonstrationsgeschehen übten sie, laut Pressestelle, nicht aus.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen ließ die Redaktion wissen, dass es: „im Rahmen des Protestgeschehens in Hessen […] lediglich vereinzelte Teilnahmen von Personen aus dem parteigebundenen rechtsextremistischen Spektrum festgestellt“ habe.

Thüringen: keine erfolgreiche Prägung der Proteste durch Extremisten

In Thüringen beteiligten sich mehrere Extremisten an den Protesten und versuchten, diese „in ihrem Sinne durch Kundgebungsmittel, Gruppenbildung und Sprechchöre zu vereinnahmen“.

Schwerpunkte dieser Aktionen waren, laut einer Sprecherin des Innenministeriums, Erfurt und in Ostthüringen vorwiegend Gera. In kleineren Orten wie Leinefelde soll die Partei „Die Heimat (ehemals NPD)“ prominent in Erscheinung getreten sein.

Doch eine „erfolgreiche Prägung der Bauernproteste durch Extremisten“ kann, laut dem Thüringer Innenministerium, nicht festgestellt werden.

NRW: Bauern gegen extremistische Akteure

Auch in Nordrhein-Westfalen hat man Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene registriert, die Versuche darstellten, „die Bauernproteste für sich zu instrumentalisieren, um ins bürgerliche anschlussfähig zu werden“. Die Bauern hätten aber nicht „positiv auf die extremistische Unterstützung“ reagiert. Vielmehr wären Fälle bekannt geworden, in denen „die Bauern extremistische Akteure von ihren Versammlungen ausschlossen“. In Social-Media-Gruppen hätten sich Extremisten darüber beklagt, dass sie ausgegrenzt würden.

Für eine Radikalisierung der Bauernproteste lägen in Nordrhein-Westfalen momentan keine Anzeichen vor. „Da es sich derzeit um einen klassischen Verteilungskonflikt handelt, richten sich die Proteste nicht gegen den demokratischen Rechtsstaat, sondern gegen politische Entscheidungen“, so eine Sprecherin der Behörde gegenüber Epoch Times.

Sachsen: „von Unterwanderung kann man nicht sprechen“

Zum Demonstrationsgeschehen in Sachsen sagte der Innenminister, Armin Schuster (CDU) unserer Redaktion:

Die Landwirte haben sich bereits im Vorfeld ganz klar von rechtsextremen Bestrebungen distanziert. Dies hat Wirkung gezeigt, so dass man von Unterwanderung nicht sprechen kann.“

Die Bauern hätten deutlich kommuniziert, dass sie ihre eigenen Proteste durchführen und dabei für rechtes Gedankengut kein Platz sei, sodass etwa die „Freien Sachsen“ zu einer eigenen Demonstration aufrufen mussten. „Solche klaren distanzierenden Botschaften helfen übrigens auch der Polizei“, betonte Innenminister Schuster.

Ein Sprecher des Innenministeriums verwies weiter darauf, dass sich auch bei der Demonstration der „Freien Sachsen“, die in verschiedenen Medien im Nachgang mehrmals als Beleg einer Unterwanderung der Proteste durch Rechtsextremisten genannt wurde, bei Weitem nicht alle Teilnehmer an der Demonstration Rechtsextremisten waren. „Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen geht von einem überwiegend nicht extremistischen Teilnehmerfeld aus. Ein Großteil der Protestteilnehmer verließ die Veranstaltung, sobald Rechtsextremisten das Wort ergriffen“, so der Sprecher weiter. Der Verfassungsschutz werte momentan das Protestgeschehen noch im Detail aus und stehe hier im Informationsaustausch mit der Polizei.

Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg: keine konkreten Hinweise auf rechtsextreme Unterwanderung

Eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Innenministeriums in Mainz bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion, dass „dem Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz […] bislang keine konkreten Hinweise“ auf eine rechtsextreme Unterwanderung vorlägen. „Er behält die weitere Entwicklung gleichwohl aufmerksam im Blick und steht dabei im engen Austausch innerhalb des Verfassungsschutzverbunds und mit der Polizei“, betonte die Sprecherin.

Im Nachbarland Baden-Württemberg liegen nach Auskunft des Landesverfassungsschutzes ebenfalls „keine Erkenntnisse zu einer extremistischen ‚Unterwanderung‘ der Proteste vor“. Man habe zudem bemerkt, dass auch „von einzelnen, teilnehmenden extremistischen Akteuren derzeit kein steuernder Einfluss auf das Protestgeschehen als solches“ ausgehe.

„Am Rande des Protestgeschehens in Stuttgart war auch eine Aktion einer linksextremistischen Gruppierung festzustellen“, teilte der Sprecher des Verfassungsschutzes mit.

Diese zielte auf den Versuch, antikapitalistische Argumentationen inhaltlich zu verankern und auf eine mögliche rechtsextremistische Vereinnahmung des Protestgeschehens aus der Landwirtschaft hinzuweisen.“

Bayern: Bauernproteste kein „Beobachtungsobjekt“

Das Landesamt für Verfassungsschutz im flächengrößten Bundesland Bayern (BayLfV) teilte auf Anfrage der Redaktion mit, dass von einer „extremistischen Beeinflussung im Fall der Bauernproteste“ bisher keine Rede sein könne. Dabei beobachte das Amt „Mobilisierungsaktivitäten und Einflussnahmeversuche von Extremisten auf die Bauernproteste genau“.

„Vereinzelt“ habe es am selben Tag zeitgleich auch „unabhängige Veranstaltungen“ von Personen gegeben, die das Amt den „Phänomenbereiche[n] Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates und Reichsbürger und Selbstverwalter“ zuordne. „Eine Vermischung der Bauernproteste mit anderen am 8. Januar 2024 angemeldeten Versammlungen (auf denen entweder Extremisten auftraten oder die durch Extremisten angemeldet worden waren) sowie eine Unterwanderung der Kundgebungen durch rechtsextremistische Organisationen“ habe man allerdings nicht festgestellt.

Generell würden die „Bauernproteste“ in Bayern nicht als „Beobachtungsobjekt“ betrachtet. „Bloße Vermutungen oder ein nicht auf Tatsachen gestützter ‚Verdacht‘“ reichten „nach bayerischer Rechtslage für die Aufnahme der Beobachtung nicht aus“. Auch die „bloße Teilnahme von einzelnen Extremisten an Demonstrationen“ sei kein hinreichender Grund.

Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern

Bei Allgemeinplätzen beließ es der Hamburger Verfassungsschutz: „Verfassungsfeinde jeglicher Couleur reizt dabei der Gedanke einer Destabilisierung politischer Verhältnisse“, so ein Sprecher. Der Bitte, konkret auf die Fragen unserer Redaktion einzugehen, kam die Behörde aus der Hansestadt nicht nach.

Aus den anderen drei Bundesländern im Norden lagen zum Redaktionsschluss keine Antworten der Verfassungsschutzorgane vor.



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