Bauernproteste: Union und Bauernverband fordern Kompromiss beim Agrardiesel – um Radikalisierung zu vermeiden

In einem Zeitungsinterview hat Generalsekretär Krüsken vom Deutschen Bauernverband die Ampel dazu aufgefordert, einen tragfähigen Kompromiss in Sachen Agrardiesel zu ermöglichen. Ein Scheitern könne zu einer Radikalisierung der Proteste führen.
Mit Traktoren und einem Transparent mit der Aufschrift: «Die Ampelpolitik bricht uns das Genick» demonstrieren Landwirte auf dem Cannstatter Wasen gegen die Agrarpoltik der Bundesregierung.
Mit Traktoren und der Aufschrift „Die Ampelpolitik bricht uns das Genick“ demonstrierten Landwirte am 9. März 2024 auf dem Cannstatter Wasen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Von 10. März 2024

Der Deutsche Bauernverband (DBV) zeigt sich in Sachen Agrardiesel zu einem möglichen Kompromiss bereit. In einem Interview ruft dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken die Ampelkoalition dazu auf, einen tragfähigen Vorschlag zu präsentieren. Unterstützung kommt auch aus der Union.

Bauernverband zu Abstrichen beim Agrardiesel bereit – unter Bedingungen

Krüsken äußerte gegenüber dem Blatt, der Bauernverband wolle nicht mehr auf den Erhalt der vollständigen Steuervergünstigung für Agrardiesel bestehen. Dafür müsse es allerdings andere Formen der Erleichterung geben:

Wir sind kompromissbereit, wenn es im Gegenzug zu Mehrbelastungen beim Kraftstoff an anderer Stelle zu realen Entlastungen kommt.“

Man wolle auf diese Weise auch den eigenen Mitgliedern „nicht vorspielen, dass wer am lautesten schreit, am besten Gehör findet“.

Der Unionsfraktionsvize Steffen Bilger hat sich hinter den Vorstoß des Bauernverbandes gestellt. Er forderte die Ampel auf, mit den Bauern direkt eine Kompromisslösung zu erzielen.

Es sei ratsam, mit diesen jetzt eine Einigung zu erzielen. Dies sei auch geboten, um „jeglichen Radikalisierungstendenzen […] die Grundlage zu entziehen“. Bilger würdigte den Bauernverband auch dafür, dass es diesem gelungen sei, zu jeder Zeit glaubwürdig auf Distanz zu rechtsextremen Vereinnahmungsversuchen zu bleiben.

Aussaat steht bevor – Landwirte müssen zurück auf die Felder

Eine mögliche Motivation für den Bauernverband, jetzt Gesprächsbereitschaft über akzeptable Lösungen für die Landwirte zu signalisieren, könnte der Kalender sein. Die Zeit der Aussaat für eine Vielzahl an Nutzpflanzen auf den Feldern steht unmittelbar bevor. Viele Bauern können eine Aufrechterhaltung der Proteste deshalb aus faktischen Gründen nicht mehr organisieren.

Zudem scheinen Teile der Protestbewegung eine politische Instrumentalisierung durch radikale Bestrebungen zu befürchten. Bereits jetzt kam es vereinzelt zu Zwischenfällen, die auch in den Reihen der Landwirte für Irritationen gesorgt haben.

Einer davon ereignete sich in der Nacht zum vergangenen Montag auf der B5 bei Wustermark im brandenburgischen Landkreis Havelland. Unbekannte hatten in der Dunkelheit über mehrere hundert Meter Mist und Gülle verteilt. Drei Fahrzeuge waren mit den Hindernissen kollidiert, was erhebliche Fahrzeugschäden und fünf verletzte Personen zur Folge hatte.

Verletzte am Rande von Protesten – Bauernverband geht auf Distanz

Der darauffolgende Versuch von Anhängern der Klimaschutzbewegung, die Bauernproteste auf X in die Nähe des Terrorismus zu rücken, fand ein jähes Ende.

Das Narrativ, Klimaschützer wie die „Letzte Generation“ seien im Unterschied zu den Bauern friedlich und der Staat messe mit zweierlei Maß, wurde schon am Mittwoch gesprengt – durch den Anschlag der „Vulkangruppe“ auf die Stromversorgung bei Erkner.

Dennoch sprach die Einsatzleitung in Wustermark von einem „neuen Niveau“ und einer „Gefährdung von Leib und Leben“. Auch vonseiten der Feuerwehr gab es Beschwerden, dass blockierende Fahrzeuge anfänglich ihre Einsatzfahrzeuge nicht durchgelassen hätten. Es habe – im Unterschied zum Regelfall bei vorangegangenen Bauernprotesten – keine Rettungsgasse gegeben.

Der Präsident des brandenburgischen Bauernverbandes, Henrik Wendorff, sah durch die Aktion „Grenzen überschritten“. Er ging im Namen des Verbandes auf Distanz zu dieser Form des Protests. Der Bauernverband melde seine Veranstaltungen grundsätzlich mit Namen und Adressen an und übernehme Verantwortung für die Teilnehmer und ihr Verhalten.

Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge soll der Vorfall von Wustermark nicht der einzige seiner Art gewesen sein. So soll es in Hessen im Umfeld der Bauernproteste zu insgesamt 14 Verkehrsunfällen gekommen sein – einer davon sei sogar tödlich verlaufen, als ein Lkw-Fahrer ein Stauende übersehen habe. Zu Strafanzeigen und Unfällen soll es auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen gekommen sein.

Özdemir will Bauern durch Unterstützungs- und Entlastungspaket entgegenkommen

Wie die vom Deutschen Bauernverband angemahnte Kompromisslösung mit der Ampel aussehen soll, ist noch offen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte noch im Januar eine Verlängerung des Aus für die Agrardieselvergünstigung auf drei Jahre angeboten. Gegenfinanzieren wollte er den Schritt über Auktionserlöse aus Ausschreibungen zur Offshore-Windenergie.

Außerdem wollte Özdemir die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge beibehalten. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hatte die Vorschläge als unzureichend bezeichnet und eine vollständige Beibehaltung der Agrardieselvergünstigung gefordert.

Özdemir will den Bauern außerdem durch einen weitreichenden Bürokratieabbau entgegenkommen – wobei ein erheblicher Teil der Belastung allerdings aus EU-Vorgaben herrührt. Konkreter ist die Ankündigung, den Landwirten eine gesicherte Unterstützung bei der Finanzierung des Umbaus von Ställen zu geben.

Der Minister hat auch angekündigt, das Kartellamt mit einer Kontrolle des Gebarens des Großhandels und weiterer Teile der Wertschöpfungskette zu beauftragen. So soll einer Praxis niedriger Preise gegengesteuert werden, die Bauern aufgezwungen würden.

Özdemir brachte zudem erneut die Idee eines „Tierwohl-Cents“ auf – im Kern eine Art Fleischsteuer. Diese solle den Landwirten zugutekommen. Für die inflationsgeplagten Verbraucher würde dieser Ansatz hingegen eine erneute Belastung bedeuten.



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