Bauernproteste: „Das war ein Versuch zur Spaltung“
Peter Guhl betreibt in Teldau in Mecklenburg-Vorpommern einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit Milchkühen, Weideochsenmast und eigener Hofmolkerei. Zudem ist er Kreistagsabgeordneter im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Wir sprachen mit ihm über Versuche, die er sieht, Landwirte in ihrem Protest zu spalten.
Sie haben geschildert, dass man sich bei den Protesten über die Landwirte hinaus immer mehr vernetzt. Welcher Gedanke steckt dahinter?
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine Initiative, die nennt sich Unternehmeraufstand MV. Das sind Menschen, die sich bereits seit einiger Zeit Sorgen machen um die Entwicklungen in diesem Land in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. Das sind im Wesentlichen selbstständige Mittelständler, die in Form einer losen Organisation ihre Interessen vertreten haben wollen.
Im Anschluss an die Bauerndemonstrationen des Deutschen Bauernverbandes in Berlin am 18. Dezember kamen Vertreter von Unternehmeraufstand MV auf uns zu und sagten: „Eure Probleme sind auch unsere Probleme. Wollen wir nicht gemeinsam einen geordneten Protest in Mecklenburg-Vorpommern organisieren?“
Uns war sehr schnell klar, dass wir tatsächlich die gleichen Probleme haben und deswegen auch die gleichen Ziele verfolgen, auch außerhalb der reinen Partikularinteressen der Landwirte.
Jetzt, am Montag, 8. Januar, gehen wir daher in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam zum Protest auf die Straße.
Was für Probleme verbinden Sie mit den Unternehmern aus dem Mittelstand?
Der Deutsche Bauernverband konzentriert sich im Moment eigentlich ausschließlich auf die Themen der Kfz-Steuerbefreiung für die land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge und auf die Erhöhung der Dieselbesteuerung für die Landwirte. Zu Recht geht der Verband mit einer großen Empörung gegen diese zwei massiven Steuererhöhungen vor. Inzwischen sind die Maßnahmen teilweise zurückgenommen, aber bezahlen tun wir Landwirte es trotzdem aus dem eigenen Bundeshaushalt des Agrarressorts.
Das Geld wird nach den neuen Plänen den Fischern und anderen Agrarprojekten weggenommen. Das ist also kein Geschenk, was da gestern von der Bundesregierung gekommen ist. Aber darüber hinaus belasten uns schon geraume Zeit sehr viele andere Probleme, die uns gemeinsam mit anderen Unternehmern des Mittelstandes betreffen. Wir als bäuerliche Betriebe sehen uns als Teil des Mittelstandes. Da gibt es zum Beispiel das Thema Maut, das meinen Betrieb jährlich mit circa 25.000 Euro belastet. Dann kommt die CO₂-Besteuerung dazu, was jeden Bürger trifft, nicht nur die Unternehmer.
Haben Sie dazu eine Zahl? Was macht die CO₂-Besteuerung finanziell bei Ihnen aus?
Das ist eine ganz schwierige Rechnung, weil die CO₂-Besteuerung indirekt alle bezogenen Waren und Produkte bis hin zu den Waren des täglichen Bedarfs betrifft. Ich bin Mitglied im Kreistag unseres Landkreises. Wir haben Ende letzten Jahres erbittert gegen die Erhöhung der Abfallgebühren für unsere Bürger gestritten. Die Erhöhung kommt zum allergrößten Teil durch eine CO₂-Besteuerung für den zur Verbrennung vorgesehenen nicht zu verwertenden Restmüll.
Das nur als Beispiel, wie schwierig es ist, die Kosten für die CO₂-Steuer herauszufiltern. Dann kommt ja eine weitere massive Steuererhöhung in Form der neuen Kunststoffsteuer dazu. Auch das betrifft alle. Hinzu kommt die Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie, die zu erheblichen Einbußen und höchstwahrscheinlich auch in Mecklenburg-Vorpommern zur Aufgabe vieler Existenzen und einer Verkleinerung des kulturellen Angebots führen wird. Das ist ein kleiner Ausschnitt aus diesen beispiellosen Dingen, die da geplant sind, die jetzt umgesetzt werden sollen, die schon umgesetzt wurden und die uns im Protest einen.
Sie deuteten an, dass man versucht, diese Vernetzung zwischen Verbänden, Berufsgruppen oder Bevölkerungsschichten gezielt zu unterbinden. Woher haben Sie diesen Eindruck?
Ich bin im Presseteam der Freien Bauern, einer Interessenvertretung für bäuerliche Familienbetriebe. Wir sind ein Alternativangebot zum Deutschen Bauernverband und anderen berufsständischen Interessenvertretungen. Das wird natürlich nicht gerne gesehen. Der Deutsche Bauernverband behauptet nach wie vor, 90 Prozent der Landwirte in Deutschland zu vertreten und für sie sprechen zu dürfen. Das ist an sich schon eine Lüge, aber diese wird aufrechterhalten, weil es finanzielle Vorteile bringt und der Verband auch nichts von seiner enormen Macht abgeben will.
Deswegen besteht natürlich ein Interesse, die alternativen Verbände möglichst kleinzuhalten. Das geschieht unter anderem damit, dass man subtil versucht, uns in die „rechte Ecke“ zu stellen, zum Beispiel über Medienberichte wie von dem ehemaligen agrarpolitischen Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff, gegen den wir erfolgreich auf Unterlassung geklagt haben, weil er uns solche Dinge unterstellt hat.
Nun gab es am Freitag, 5. Januar, in den „Lübecker Nachrichten“ eine Aussage vom Präsidenten des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes, Klaus-Peter Lucht.
Er erklärte nach der Protestaktion am Fähranleger gegen den Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dass er sich von allen „Radikalen“, insbesondere von den Freien Bauern, distanziere. Ich kann nicht ansatzweise erkennen, dass es bei uns rechtspopulistische oder rechtsgerichtete Tendenzen gibt und schon gar keine Rechtsradikalen.
Wir sind angetreten, die Interessen der bäuerlichen Betriebe zu vertreten, mit aller Ernsthaftigkeit, aber in konstruktivem, gutem Dialog mit allen. Dazu gehört auch, dass man in bestimmten Punkten manchmal unnachgiebig ist. Das hat aber nichts mit Radikalität zu tun. Davon grenzen wir uns deutlich ab.
Das, was Lucht über eine große deutsche Tageszeitung lancierte, ist der Versuch der Spaltung. Das gelingt leider immer wieder, und dann wird sich von der betroffenen Gruppe distanziert. Gestern nach dem Protest gegen Wirtschaftsminister Habeck am Fähranleger Schlüttsiel gab es das auch. Berufskollegen schrieben in den Gruppen: „Das geht gar nicht, was da passiert ist.“ Man distanziere sich „aufs Schärfste“, jedoch ohne wirklich zu wissen, was dort tatsächlich geschehen ist.
Gibt es noch weitere Beispiele?
Ja. Im Unternehmeraufstand MV sind jetzt aktuell über 8.000 Unternehmer organisiert. Im Sekundentakt kommen dort in einer WhatsApp-Gruppe zu den jetzigen Protesten Nachrichten herein. Dort melden sich Klein- und Kleinstunternehmen vom Foto- oder Kosmetikstudio, die Apotheke und so weiter bis hin zu Speditionen. Der eine erklärt, dass er mit einem Transporter kommt, der andere will Kaffee und Kuchen mitbringen. Dann meldet sich ein Transportunternehmen und erklärt, es will mit zehn Lkw teilnehmen.
Zeitgleich hörte ich am Freitag, 5. Januar, im öffentlich-rechtlichen „Norddeutschen Rundfunk“ (NDR), dass sich die Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern von dem Unternehmeraufstand MV distanziert, aufgrund der „Parolen und Zielen“, die dort genannt würden, heißt es. Das seien Umsturzfantasien.
Sicherlich wird hier und da einer sagen: „Die Ampel muss weg.“ Aber Umsturzfantasien habe ich keine gesehen. Es ist doch legitim, die Meinung zu haben, dass wir andere Politiker brauchen.
Ich bin der Meinung, dass wir eine grundsätzlich andere Politik brauchen. Das ist leider nicht dadurch gewährleistet, dass wir andere Politiker haben. Es ist doch nichts Verbotenes dabei, so etwas zu fordern. Wenn eine Strohpuppe mit Habecks Gesicht an einem Galgen in Ampelform hängt, dann ist das etwas anderes. Davon würde ich mich tatsächlich dann auch distanzieren.
Also man kann nicht sagen, dass die Politik direkt dahintersteckt, sondern das sind auch ureigene Machtinteressen des Deutschen Bauernverbandes.
Die Politik freut sich selbstverständlich darüber und befördert das Ganze an der einen oder anderen Stelle. Damit hat sie ein schönes Alibi für weitere Untätigkeit nach dem Motto: „Werdet ihr euch erst einmal einig, dann gucken wir, was die Mehrheit will.“
Im Deutschen Bauernverband sind nicht nur die Bauern, sondern bei ihm ist auch der Raiffeisenverband Mitglied und der Milchindustrie-Verband. Die bezahlen bei ihm freiwillige Mitgliedsbeiträge. Für so einen Verband wird es dann schwierig, beide Seiten zu vertreten.
Bis heute dauert daher beispielsweise der Streit um die richtige Richtung in der Milchpolitik in Deutschland an. Bis heute konnte man keine Verbesserungen herbeiführen.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Erik Rusch.
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