Bauern übergeben Zehn-Punkte-Katalog an Bundesregierung – Proteste weiten sich in EU aus

Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Lettland – die Bauernproteste greifen auf immer mehr EU-Länder über. Währenddessen werben die deutschen Landwirte mit einem Forderungskatalog für „eine starke heimische Landwirtschaft“.
Viele Landwirte protestierten zuletzt gegen den  Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel.
Bauernproteste (Archiv).Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 7. Februar 2024

Während sich die Bauernproteste in der EU immer mehr ausweiten und auch in Deutschland die Proteste anhalten, legten zwei deutsche Bauernverbände – der LSV Deutschland und die Freien Bauern – der Bundesregierung einen gemeinsam erarbeiteten Zehn-Punkte-Katalog vor. Über ihn will man die Bundesregierung zu Zugeständnissen in der Agrarpolitik bewegen.

Darin fordern sie konkrete Verbesserungen für ihren Berufsstand, die ihnen mehr Wertschöpfung ermöglichen sollen. Dazu gehört eine Entflechtung der Monopole im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels und der Lebensmittelindustrie, aber auch der Abbruch der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Chile und den Mercosur-Staaten.

Zudem fordern sie ein Auslaufen der Zollfreiheit für ukrainische Agrarprodukte und eine für den Verbraucher transparente Herkunftskennzeichnung auf allen Lebensmitteln.

„Die Steuererhöhung beim Agrardiesel war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, jetzt machen wir das Fass auf“, sagte Uta von Schmidt-Kühl vom LSV Deutschland.

„Unsere Forderungen kosten kein Steuergeld, aber wir verlangen konkrete Zusagen, schwammige Ankündigungen hören wir schon lange genug“, sagte Frerk Arfsten von den Freien Bauern.

Am Mittwoch, 7. Februar, endet die mehrtägige Aktion von LSV und Freien Bauern, den Forderungskatalog an zwölf Landtage zu übergeben. Dafür legte Milchbauer Werner Koslowski rund 3.000 Kilometer mit seinem Traktor zurück.

Daraus ergaben sich Gespräche sowohl mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) als auch mit Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), bevor der Milchbauer heute die niedersächsische Landeshauptstadt ansteuert.

Bauer: „Die Politik muss endlich handeln.“

Für Arfsten scheint klar: „Die Politik muss endlich handeln.“ Mehr Wertschöpfung für die bäuerlichen Betriebe gehe nur, wenn man den Preisdruck durch Monopole und Importe breche. Bis die Bundesregierung ein konkretes Agrarpaket zugunsten der heimischen Landwirtschaft beschließt, gehen die Proteste weiter, kündigt von Schmidt-Kühl an: „Wir verbeißen uns nicht am Agrardiesel, aber ohne Ergebnisse hören wir nicht auf.“

Gemeinsam fordern die Bauernverbände, dass die Politik die deutsche Landwirtschaft nicht zusätzlich – wie mit dem Bauern-Soli – subventionieren, sondern den Weg für eine starke heimische Landwirtschaft frei machen soll.

Der Zehn-Punkte-Katalog umfasst:

  1. Einkauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten wirksam unterbinden
  2. Herkunftsland-Kennzeichnung verpflichtend für alle Lebensmitteln im Einzelhandel
  3. Vertragspflicht für Milch- und Schlachtviehlieferungen mit Vorab-Vereinbarung zu Mengen und Preisen
  4. Entflechtung der Monopole in der Lebensmittelindustrie und im Lebensmitteleinzelhandel
  5. Kein Mercosur- und Freihandelsabkommen mit Chile – Agrarimporte nur aus Ländern mit ähnlichen sozialen und ökologischen Standards
  6. Zollfreiheit beenden für ukrainische Agrarprodukte – nur noch Transit in verplombten Behältern zur Verschiffung außerhalb der EU
  7. Vereinfachte Neufassung der Produktionsauflagen für Düngung, Pflanzenschutz und Nutztierhaltung nach guter fachlicher Praxis
  8. Bürokratieabbau durch Bagatellgrenzen im Verwaltungsvollzug
  9. Verbot von Gentechnik und Laborfleisch
  10. Abschuss von Wölfen am Weidezaun rechtssicher ermöglichen

Bauern halten Finanzminister auf

Ein Video auf der sozialen Plattform X zeigt einen Bauernkonvoi, wie er die Fahrzeugkolonne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aufhält. Lindner spricht mit den Bauern, die ihm ein Schreiben überreichen. Ort des Geschehens soll Parkentin in Mecklenburg-Vorpommern sein.

Der X-Nutzer kommentiert das Video mit den Worten: „Anders als Robert Habeck stellte sich der Minister den Bauern.“ Das Video ist vermutlich gestern entstanden, und zwar auf der Anfahrt des Finanzministers zum Jahresempfang der Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern in dem nördlichen Bundesland in Hasenwinkel bei Schwerin.  

Proteste weiten sich EU-weit aus

Die Bauernproteste in den EU-Mitgliedstaaten haben nach Frankreich und den Niederlanden nun auch Spanien erreicht. Mit Hunderten Traktoren besetzten und blockierten die Bauern am Dienstag im ganzen Land Autobahnen, Landstraßen und Zufahrten zu Häfen, Großmärkten und Industriegebieten, wie der Fernsehsender RTVE und andere Medien berichteten.

Kundgebungen gebe es seit dem frühen Morgen in zahlreichen Regionen des Landes. Teilweise kam es deshalb auch zu kilometerlangen Staus. Die dortigen Land- und Viehwirte fordern unter anderem faire Preise für ihre Produkte, die Beibehaltung der Steuerermäßigung für Agrardiesel, strengere Kontrollen für Importe aus Nicht-EU-Ländern und einen Abbau der Bürokratie.

#Bauernproteste #Unternehmerproteste #Truckerproteste #Mittelstandsproteste #Ampelmussweg

Spanische Landwirte blockieren die Grenze zwischen Frankreich und Spanien auf der A9/AP-7, was zu erheblichen Störungen führt. Spanien ist seit zwei Tagen von Dutzenden Blockaden und… pic.twitter.com/Q3TtqzU2R1

— Wollfy (@dockyyyyyyyyy) February 7, 2024

In den Niederlanden blockierten Demonstranten diese Woche bei Apeldoorn nach Berichten von Reportern mit rund 150 Traktoren die A50. Bauern hätten Brände gelegt und Feuerwerkskörper gezündet. Auch im Norden von Amsterdam bei Purmerend wurde Polizeiangaben zufolge die A7 blockiert, nachdem Bauern Heuballen und Autoreifen in Brand gesteckt hatten.

Die niederländischen Bauern luden zudem Mist, Gülle und Abfall auf Straßen und vor Rathäusern ab. An mehreren Stellen sei die Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer nicht gewährleistet gewesen.

06.02.2024 – Die #Bauernproteste weiten sich europaweit immer stärker aus. Nach Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien fahren nun auch in den Niederlanden Landwirte schwere Geschütze gegen die von der EU verhängten Umweltauflagen auf. pic.twitter.com/lfCjPLc9dT

— Franz Branntwein™ 🍀 (@FranzBranntwe10) February 6, 2024

Auch in Italien und Lettland gingen tausende Landwirte gegen die EU-Agrarpolitik auf die Straße.

Den Protest der Bauern in den verschiedenen EU-Ländern eint, dass sie hinter den als immer restriktiver empfundenen nationalen Umweltauflagen eine ideologisch motivierte Agrarpolitik aus Brüssel als Verursacher sehen.

In Deutschland fuhren Landwirte und Mittelständler vor das NDR-Funkhaus in Hannover und das Gelände des Bayerischen Rundfunks in Unterföhring bei München.

Wir kritisieren, dass die Medienberichte über die Demonstrationen klein gehalten werden“, sagte Joachim Oelze, Landwirt aus dem Landkreis Uelzen, der dpa.

Die Kritik richte sich nicht nur gegen den NDR, sondern gegen die Medien insgesamt.

Der Deutsche Bauernverband, die größte landwirtschaftliche Berufsvertretung in Deutschland, dem immer wieder eine zu große Nähe zur Politik vorgeworfen wird, distanzierte sich von diesen Protestaktionen.

Zugleich schließt der Verband weitere von ihm organisierte Demonstrationen nicht aus.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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