NEWSTICKER Bauern-Demo: Traktoren legen Verkehr lahm – Bauernpräsident hat volles Verständnis für Proteste
18:10 Uhr: Präsident des Bauernverband hat volles Verständnis für Proteste
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, hat Verständnis für den Unmut der Landwirte geäußert, die am Dienstag in zahlreichen Städten protestiert haben. „Das ist eine Graswurzelbewegung aus den sozialen Netzwerken“, sagte Rukwied der „Welt“.
Der Verband habe „volles Verständnis“ für die Demonstranten und sei solidarisch, solange die Aktionen gewaltfrei blieben, so der Bauernpräsident weiter.
Ein Ende der Aktionen sei vorerst nicht in Sicht: „Ich kann mir vorstellen, dass wir nicht nur heute Proteste erleben, sondern auch in den kommenden Wochen“, sagte Rukwied.
14:35 Uhr: Politik mutet Bauern zu viel zu
Die Initiative „Land schafft Verbindung“ hatte zu den Kundgebungen aufgerufen – sie berichtete von insgesamt fast 20 Veranstaltungen: Sternfahrten, Kundgebungen, Demonstrationszügen oder auch nur einer „Protesttafel aufm Acker“. In der Initiative haben sich nach eigenen Angaben Anfang Oktober Landwirte „verbandsübergreifend und parteiunabhängig“ zusammengeschlossen.
Auf ihrer Seite kritisiert die Initiative die Landwirtschaftspolitik als „praxisfern und zu bürokratisch“. Die Gesetzgebung komme einer Entmündigung gleich. „Land schafft Verbindung“ betont: „Auch wir möchten die Natur und Umwelt schützen, das Tierwohl weiter ausbauen, die Landwirtschaft zeitgemäß weiterentwickeln“. Die Branche wolle aber „alltagstaugliche Vorgaben mitentwickeln“ – und nicht, dass Vorgaben maßgeblich von Umwelt- und Naturschutzorganisationen „bestimmt werden“.
Bauernpräsident Joachim Rukwied nannte als Beispiele den Aktionsplan Insektenschutz, die Düngeverordnung, das Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sowie zunehmende Auflagen bei der Tierhaltung. „Es ist einfach zu viel, was die Politik den Bauernfamilien zumutet“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.
Auch Ministerin Klöckner kritisierte im ZDF-„Morgenmagazin“, dass Bauern „häufig als Tierquäler und Umweltverschmutzer abgetan“ würden. Das sei „weder richtig noch fair“.
Sie nimmt die Bauern aber auch in die Pflicht: Es gebe „gesellschaftliche Erwartungen“, wenn es etwa um sauberes Grundwasser gehe, sagte die Ministerin. „Wir wollen, dass die Gesellschaft und die Landwirtschaft sich wieder mehr wertschätzen.“
Sie mute den Landwirten Veränderung zu – aber es gebe auch finanzielle Unterstützung, betonte Klöckner. „Wir sind an der Seite der Bauern, aber auch an der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Kundgebungen in vielen Städten
In ganz Deutschland haben am Dienstag zehntausende Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert. Ausstaffiert mit Schildern wie „Auflagenflut nimmt uns den Mut“ sorgten tausende Trecker schon bei der Anfahrt zu den Kundgebungen in Städten wie Bonn, Berlin oder Bayreuth für Verkehrsstörungen. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verwies auf die „gesellschaftlichen Erwartungen“ an die Bauern und betonte, die Regierung begleite die Landwirtschaft bei nötigen Veränderungen.
Schon am Morgen waren überall in Deutschland lange Traktor-Konvois unterwegs. Zur zentralen Kundgebung in Bonn fuhren laut Polizei über tausend Traktoren in die Innenstadt. Landwirte hatten sich demnach bereits am Montagabend auf den Weg von Niedersachsen in die ehemalige Bundeshauptstadt gemacht.
Auf den Straßen nach Hannover zählte die Polizei rund 2000 Trecker, in München rund 1000 Fahrzeuge, in Würzburg ebenfalls. In Schleswig-Holstein waren 1700 Fahrzeuge zu Sternfahrten nach Rendsburg unterwegs, die Konvois erreichten teils bis zu zehn Kilometer Länge. 400 weitere Traktoren waren auf dem Weg nach Hamburg.
Deutlich mehr Traktoren als erwartet
Rund 4000 Teilnehmer schätzte die Polizei bei der Kundgebung auf dem Bonner Münsterplatz am Vormittag, wie ein Sprecher mitteilte. Allerdings habe die Versammlung weiterhin Zulauf.
Die Veranstalter hatten mit 8000 bis 10.000 Teilnehmern gerechnet. Viele der Bauern kamen mit ihren Traktoren nach Bonn und legten damit den Verkehr rund um die Stadt am Vormittag teilweise lahm.
„Es sind deutlich mehr Traktoren als erwartet“, hieß es von der Polizei. Erwartet worden waren 800 Fahrzeuge. Die teilweise kilometerlangen Trecker-Konvois hatten an mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen den Verkehr behindert.
Auch in anderen Bundesländern waren sehr viele Bauern mit ihren Treckern zu Kundgebungen unterwegs. In Niedersachsen waren nach Schätzungen der Polizei fast 3000 schwere Schlepper unterwegs, in Schleswig-Holstein 1700, in Bayern 1500 und in Hamburg 500. Dort wurden wegen des hohen Gewichts der Trecker einige U-Bahnabschnitte vorsorglich gesperrt.
„So wie bisher geht es nicht weiter“, rief einer der Organisatoren zu Beginn der Kundgebung. „Die Lösung kann nur sein, dass wieder mit uns geredet wird.“
Die Landwirte fordern Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dazu auf, mit ihnen über aktuelle Agrar- und Klimapläne zu diskutieren.
Die aktuelle Politik gefährde Familienbetriebe, warnten die Bauern. Außerdem führe „Bauernbashing“, also etwa herablassende Äußerungen über Landwirte, in vielen Bereichen zu Ärger in der Berufsgruppe. (dpa)
14:20 Uhr: Proteste in Frankreich
Auch in Frankreich demonstrierten am Dienstag Landwirte mit Straßenblockaden und Protesten vor den Präfekturen gegen ihrer Ansicht nach zu strenge Auflagen sowie gegen die empfundene Missachtung des Berufsstands. Die Bauern fordern von Präsident Emmanuel Macron mehr Anstrengungen, damit ihr Beruf überlebt. Es war bereits der zweite große Protest französischer Landwirte in diesem Monat.
Vor dem EU-Parlament in Straßburg versammelten sich nach Angaben der Organisatoren ebenfalls rund tausend Bäuerinnen und Bauern aus 15 Mitgliedsländern „im Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft“. Sie forderten eine nachhaltige EU-Agrarreform. Mit den Fördergeldern aus der EU-Agrarpolitik (GAP) müssten künftig kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe „fit für die Agrarwende“ gemacht werden.
Pauschale Flächensubventionen seien nicht mehr zeitgemäß. Die 60 Milliarden Euro pro Jahr, über deren Neuverteilung die EU gerade verhandelt, müssten den Betrieben Anreize für mehr Tier-, Umwelt- und Klimaschutz bieten, forderten die Demonstranten.
+++ Update 10:30 Uhr
Kilometerlange Trecker-Konvois haben in NRW für etliche Verkehrsbehinderungen gesorgt. Das teilte die Polizei Münster als zuständige Behörde für das Bundesland bei Twitter mit. Bundesweit wollen Bauern heute gegen Pläne der Bundesregierung unter anderem für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft und zum Schutz des Grundwassers vor Nitrat protestieren. In Bonn soll die größte Kundgebung sein. Autobahnen dürfen die Landwirte bei der Anreise nicht nutzen. (dpa)
+++ Update 9:30 Uhr
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Silvia Breher hat Verständnis für die bundesweiten Proteste der Bauern geäußert. „Die Landwirte fühlen sich in die Ecke gedrängt, verunsichert und in ihrer Existenz bedroht“, sagte Breher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Die Christdemokratin mit dem Wahlkreis Cloppenburg-Vechta, die Ende November für den Vizevorsitz der Bundes-CDU kandidiert, äußerte zugleich die Erwartung, dass die Demonstration am Dienstag in Bonn „friedlich bleibt“.
Breher forderte mehr „Wertschätzung“ für die Landwirte. Diese würden pauschal verurteilt als „Tierquäler und Umweltsünder“ und so in der Klima- und Umweltpolitik zum „Sündenbock“ abgestempelt.
Dabei würden die Fakten und die Leistungen der Landwirte oft ausgeblendet. So seien die Bauern nicht nur bei der Pflege der Kulturlandschaft unverzichtbar, sondern sie seien auch Garanten für Lebensmittel höchster Qualität.
„Wer immer höhere Standards fordert, muss auch bereit sein, dies zu bezahlen“, sagte Breher. Andernfalls müssten Deutschlands Höfe den Betrieb einstellen, und ausländische Landwirte würden in die Bresche springen.
„Was wir hier aufgeben, holen wir uns in schlechterer Qualität von außen herein“, warnte Breher, die dem Agrarausschuss des Bundestags und dem Bundesfachausschuss „Landwirtschaft und Umwelt“ der CDU angehört.
+++ Update 7 Uhr
Nach den Protesten der niederländischen Landwirte wollen am kommenden Dienstag auch in Deutschland und Frankreich zehntausende Bauern gegen ihrer Meinung nach zu harte Auflagen demonstrieren. Auf der Facebook-Seite „Land schafft Verbindung“ sind deutschlandweit Veranstaltungen angekündigt; die größte davon in Bonn. Dorthin sollen sich „Landwirte und Akteure aus der grünen Branche“ mit „Hunderten von Traktoren, Bussen und Autos“ auf den Weg machen.
„Land schafft Verbindung“ erklärte, Politiker, Medien und Aktivisten hätten in den vergangenen Jahren „ein negatives Bild von uns skizziert“. Dagegen wollen die Landwirte sich wehren: „Wir sind keine Tierschänder und Umweltverschmutzer.“ Die „Unzuverlässigkeit der Regierung und der Behörden“ sei der Grund, friedlich die Meinung zu äußern und „zum lösungsorientierten Austausch einzuladen“.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, begrüßte die Aktionen gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Freitag. „Wir haben volles Verständnis für die Demonstranten.“ Rukwied sagte, der Unmut und die Enttäuschung über die Politik seien sehr groß. Die Politik mute den Bauernfamilien „einfach zu viel“ zu. „Nur ein paar Beispiele sind der Aktionsplan Insektenschutz, die Düngeverordnung, das Mercosur-Abkommen und zunehmende Auflagen bei der Tierhaltung.“
Der Bauernpräsident rief die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben. „Wir sind solidarisch, solange die Aktionen gewaltfrei bleiben“, sagte er der Zeitung. In den Niederlanden hatten Landwirte in Groningen das Verwaltungsgebäude der niederländischen Provinz gestürmt.
Parallel zu den Demonstrationen in Deutschland und Frankreich haben das deutsche Bündnis „Wir haben es satt“ und das französische Bündnis „Pour une autre PAC“ (Für eine andere Gemeinsame EU-Agrarpolitik) zu einer Kundgebung in Brüssel aufgerufen. Mit Traktoren, lauten Sprechgesängen und kreativen Schildern sollen die Bauern dort fordern, dass die EU Subventionen nur noch an Betriebe zahlt, „die Umwelt und Klima schützen, Tiere artgerecht halten und gutes Essen für alle herstellen“ .(afp)
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