Baubranche fürchtet teure Schuttberge auf den Deponien
Die Baubranche fürchtet wegen neuer Vorschriften des Bundes eine weitere Verteuerung des Bauens und erschwertes Recycling der immensen Bauschuttmengen in Deutschland. Die am 1. August in Kraft getretene Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz ersetzt einen Flickenteppich unterschiedlicher Länderregelungen. Doch die Branche meldet bereits Anzeichen, dass erste Recyclingfirmen Bauschutt nicht mehr zur Aufarbeitung annehmen wollen – stattdessen müssten Bauabfälle dann auf Deponien entsorgt werden.
„Schwerpunkt ist nun der Grundwasserschutz, und dabei setzt die Verordnung sehr hohe Maßstäbe“, sagte Christine Buddenbohm, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). „Das Wasser, das Recycling-Baustoffe durchsickert und unten im Grundwasser ankommt, muss von besserer Qualität als Trinkwasser sein.“
Aus der Erläuterung des Bundesumweltministeriums geht hervor, dass die neuen Vorschriften die Auswaschung unerwünschter Stoffe ins Grundwasser verhindern sollen. Unter dem Bauwerk ist demnach eine „grundwasserfreie Sickerstrecke“ zu berücksichtigen.
220 Millionen Tonnen in nur einem Jahr
Die anfallenden Bauschuttmengen sind nahezu unvorstellbar: Laut Umweltbundesamt fielen im Jahr 2020 über 220 Millionen Tonnen Bauabfälle an, das ist mehr als die Hälfte des gesamten Müllaufkommens in Deutschland. Laut Bundesamt entfielen 129 Millionen Tonnen auf Bodenaushub, Baggergut und Gleisschotter, die restlichen gut 91 Millionen Tonnen waren Bauabfälle im engeren Sinn, darunter Schutt, Straßenaufbruch und Baustellenabfälle. Der Großteil davon wurde verwertet, oft für die Verfüllung alter Gruben, abgesehen davon wurden rund 77 Millionen Tonnen Recycling-Baustoffe hergestellt.
Über die neuen Regeln wurde nach Angaben des ZDB viele Jahre diskutiert. Bayern setzte schließlich eine Öffnungsklausel für die Bundesländer durch. 2021 wurde die Mantelverordnung schließlich beschlossen, nach zweijähriger Übergangsfrist ist sie nun in Kraft.
„Die letzte Bundesregierung hat die Verordnung quasi im letzten Atemzug noch auf den Weg gebracht, und dabei unsere Bedenken über den Haufen geworfen“, sagt Buddenbohm. „Das Ganze ist nun sehr zu Lasten der Wiederverwertung gegangen.“
Beton, alte Ziegel, Fliesen werden zermahlen
Dabei geht es um die Frage, ob die Auslaugung von Recycling-Baumaterialien dem Grundwasser schaden kann. „Nicht jeder Tropfen, der in den Boden gelangt, führt automatisch zu einer Schädigung“, argumentiert die ZDB-Geschäftsführerin.
Recycling bei Baustoffen bedeutet, dass Beton, alte Ziegel, Fliesen und dergleichen grob zermahlen und zu Gesteinskörnungen verarbeitet werden, als Ersatz für Kies oder andere Steine. Um verwendet werden zu können, ist eine Zulassung als mineralischer Ersatzbaustoff nötig.
Der Zentralverband vertritt eher mittlere und kleinere Betriebe, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie die größeren Unternehmen. Das Umweltministerium habe mehr Ressourcenschutz gewollt und einen Dschungel an Nachweisen, Rechtsunsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen geschaffen, kritisiert die Bauindustrie. „Die Ersatzbaustoffverordnung ist ein Flop“, wirft Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller dem Bund vor.
„Ich gehe stark davon aus, dass künftig wieder mehr Ressourcen auf die Deponien gefahren werden als heute.“ Die neuen Regelungen würden zu höheren Baukosten führen, fürchtet der Verband. Bau- und Immobilienbranche leiden ohnehin gleichermaßen unter den stark gestiegenen Baukosten – Bauträger stornieren Aufträge, den ausführenden Baufirmen fehlen neue Aufträge. Die Bauverbände kritisieren unter anderem die Pflicht, Transporte mit Bauschutt an die Behörden zu melden. Der Bund plant derzeit eine neue Verordnung, doch diese ist bisher nicht beschlossen.
Forderung nach Monitoring
Ob und wie viel zusätzlicher Bauschutt tatsächlich auf den Deponien landen wird, ist unklar. „Wir fordern, so bald wie möglich ein Monitoring einzurichten, damit wir wissen, ob es zu einer Massenstromverschiebung in Richtung Deponien kommt“, sagt ZDB-Geschäftsführerin Buddenbohm.
Laut Bundesumweltministerium sollen die Auswirkungen auf die „Stoffströme“ zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften evaluiert werden, zum 1. August 2027 soll dem Bundestag ein Bericht vorgelegt werden.
Der Bund rechnet aus Basis eines Planspiels mit kaum oder nur geringfügigen Änderungen der Materialströme. „Ob dies tatsächlich so ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, konkreter als bisher abzuschätzen, weil die Verordnung erst wenige Wochen in Kraft ist“, sagt ein Ministeriumssprecher. Außerdem ist ein wissenschaftliches Begleitgutachten geplant, welches derzeit aber noch nicht ausgeschrieben ist. „Es ist folglich erst in ein paar Jahren mit validen Ergebnissen zu rechnen.“ (dpa)
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