Basler Zeitung: Rechtsstaat in Deutschland droht zu verrotten – Bürgerkrieg könnte früher oder später die Folge sein
Geht man nach dem Grundtenor deutscher Medien, ist Deutschland geradezu eine Insel der Seligen. Während in Frankreich Hunderttausende im Protest gegen die Belastungspolitik der Regierung den Verkehr lahmlegen, würden die Deutschen ihre überall beliebte Weltkanzlerin am liebsten noch über Jahrzehnte im Amt behalten und die grüne Wohlfühlpartei erklimmt trotz aller Diesel-Fahrverbote und steigender Strompreise neue Rekordhöhen in der Wählergunst.
Und während fast alle anderen Länder von Populisten, Autokraten und illiberalen Demokraten gepeinigt werden, sorgt ein ganz großer Grundkonsens von der Antifa über Künstler, Gewerkschaften, Kirchen, Medien und Parteien bis hin zum Bundespräsidenten dafür, dass ein solcher Spuk sich hier gar nicht erst entfalten kann.
René Zeyer mag der vermeintlichen Harmonie nicht so ganz trauen. In der „Basler Zeitung“ fühlt er sich eher an Heinrich Heine im Pariser Exil 1844 erinnert, der einst im Vormärz über die deutschen Zustände schrieb: „Der Rechtsstaat verrottet, wenn nicht klar Schiff gemacht wird.“
Das deutsche und europäische Recht sei „über Jahre nicht wirklich umgesetzt“ worden, zitiert der Autor den früheren Grünen-Chef Cem Özdemir. Ein ähnlicher Vorwurf wurde von Experten der nichtsystemischen Opposition und sogar von den Teilen der CSU in den letzten Jahren wiederholt an die Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet, die nicht zuletzt in der Flüchtlingskrise einen ausgesprochen kreativen Umgang mit geltenden Bestimmungen des einheimischen und des europäischen Rechts an den Tag legte. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier warnte davor, dass das „Vertrauen in die Rechtsordnung erschüttert“ werden könnte, wenn diese nicht durchgesetzt wird.
In vielen Wohngebieten gilt deutsches Recht nur noch auf dem Papier
Ein weiterer Satz gibt Zeyer ebenfalls zu denken, immerhin sagt er sehr viel über die Situation in „Deutschland hinter der Fassade“ aus: „Ich hätte nie gedacht, dass die Angst vor mir und der Wahrheit ausreichend sind, um eine Regierungskrise in Deutschland auszulösen.“ Urheber dieses Ausspruchs ist der entlassene Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, den es sein Amt gekostet hat, durch Mahnung zur Quellenkritik die Autorität der sogenannten „Antifa Zeckenbiss“ hinsichtlich der Deutung der Ereignisse von Chemnitz zu untergraben.
Die Warnung vor einem Verrotten des Rechtsstaats ist, glaubt man Zeyers Einschätzung, mehr als nur ein larmoyantes Klagen konservativer Akademiker, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden hätten, oder dumpfen Fremdenfeinden, die dem bunten Deutschland seine Freude an der Weltoffenheit nicht gönnen wollen. Merkels Alleingang in der Flüchtlingskrise 2015, der den Regierungsparteien Rekordverluste beschert und der AfD den Einzug in sämtliche Landesparlamente ermöglicht hat, sei nur ein Aspekt des Problems. Zeyer schreibt,
[…] dass es in Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern auch, Quartiere, Bezirke, Gegenden gibt, in denen der Staat als Ordnungsmacht abgedankt hat, nicht einmal mehr sein Gewaltmonopol durchsetzen kann. Stattdessen herrschen mafiöse Clans. Vielköpfige Familien kontrollieren den Drogenhandel, erpressen Schutzgelder, bestimmen die Regeln des Zusammenlebens. In Berlin, in Duisburg, Dortmund, Essen und andernorts gibt es Gegenden, in denen der Rechtsstaat nur noch von Fall zu Fall funktioniert.“
Etablierte schüren Angst vor „brauner Machtübernahme“ – Mittelschicht fürchtet sozialen Abstieg
Die Folgewirkungen von 2015 prägten Deutschland nicht nur im Erscheinungsbild oder im Zusammenleben, sondern eben auch auf rechtlicher Ebene. Der Rechtsstaat aber, so unvollkommen er auch sein möge, sei das letzte und beste Bollwerk gegen Willkür, Barbarei und Faustrecht. Was zu dessen Erosion dazu trete, sei auch die Fähigkeit zu kritischer Selbstreflexion:
Wenn sich die Regierung Deutschlands über Wochen damit beschäftigt, ob ein Beamter öffentlich das sagen darf, was er für richtig hält, auch wenn das dem Narrativ der Altparteien widerspricht, dann ist zudem eine Bürgerferne erreicht, die bedenklich ist.“
Die Warnung vor einer angeblichen „braunen Machtübernahme“ durch die AfD lenke nur von den realen Problemen ab. Und diese manifestieren sich in einer Mittelschicht, die nicht mehr vom Aufstieg träume, sondern in Sorge darüber sei, selbst einen Abstieg zu erleben.
Reale und berechtigte Angst vor Altersarmut, Sorgen um die Gesundheitsversorgung, die persönliche Sicherheit, die Ausbildung der Kinder, den verlotternden Zustand der Infrastruktur. Alle diese Bedenken werden im Politikbetrieb Berlins höchstens in Form von hohlen Phrasen über die Sorgen ‚der Bürger draußen im Lande‘ zur Kenntnis genommen.“
Einstiegsdroge in den Staatszerfall
Der Verlust der Mitte sei kein parteipolitischer, sondern vielmehr ein Auseinanderfallen einer Mittelschicht, die für intakte Strukturen und Zukunftsoptimismus stehe. Löse sich der Kitt, den sie biete, auf, sehe sich der Bürger nicht mehr als Staatsbürger. Stattdessen zerfalle die Gesellschaft in Parallelgesellschaften,
[…] die beispielsweise religiös oder sozial stigmatisiert sind, also eine Lebenswelt der Superreichen und des Prekariats, eine Lebenswelt des Islam, eine Lebenswelt archaischer Stammesstrukturen, und so weiter. Wenn auch noch das Gewaltmonopol des Staates infrage gestellt wird, bilden sich lokale Strukturen, wo das Faustrecht herrscht oder Bürgerwehren, die ihre Vorstellung von Recht und Ordnung durchsetzen wollen. Während die Begüterten in schwer bewachten Zonen leben, die sie kaum noch verlassen.“
Dies sei allerdings die Einstiegsdroge in den Staatszerfall, dem bürgerkriegsähnliche Unruhen, dann der offene Bürgerkrieg folgen könnten. Deutschland würde dann wieder in ein Mosaik von Kleinstgebilden zerfallen, wie es schon zu Zeiten Heines existierte.
Realitätsfern sei das nicht, da die etablierte Politik keine Lösungen für die wirklichen Probleme habe und die AfD auch nur den Protest derer bediene, die aufgehört hätten, an ein „Weiter so“ mit den etablierten Kräften zu glauben.
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