BAMF-Präsident: Abschiebungen zu verhindern verletzt geltendes Recht – Staat darf dies nicht dulden

BAMF-Präsident Hans-Eckhard Sommer erklärt gegenüber der „Welt“, sogenannte Flüchtlingsräte würden durch Ausplaudern geplanter Amtshandlungen und Vermittlung von Schein-Ausbildungsverträgen den Rechtsstaat unterminieren. Diese sehen sich hingegen im Recht.
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Immer mehr Asylsuchende kommen per Flugzeug.Foto: Daniel Maurer/Archiv/dpa
Von 25. März 2019

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, spricht mit Blick auf die Zahl der Asylbewerber in Deutschland in einem Interview mit der „Welt“ von „einer Großstadt, die jährlich zu uns kommt“. Im Vorjahr waren es offiziellen Zahlen zufolge 162 000 Asylerstanträge, die das BAMF registriert hatte. Nur 35 Prozent davon erhielten einen Schutzstatus.

Es ist damit zu rechnen, dass die bevorstehende warme Jahreszeit die Zahl der Versuche, nach Deutschland zu gelangen, weiter anwachsen lassen wird. Zusätzlich warten immer noch hunderttausende Altanträge auf ihre Bearbeitung durch das BAMF.

Moralbeflissenen Aktivisten fehlt es oft an Unrechtsbewusstsein

Sommer warnt in diesem Zusammenhang nun vor Versuchen sogenannter zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Umsetzung geltenden Rechts in der Asylproblematik zusätzlich zu unterminieren. Vor allem unterstützt er das Vorhaben des Bundesinnenministers Horst Seehofer, strafrechtlich gegen, wie Sommer sie nennt, „selbst ernannte Flüchtlingsräte“ vorzugehen. „Einige verfolgen das Interesse, Abschiebungen generell zu bekämpfen“, wirft Sommer den betreffenden Akteuren vor.

Insbesondere Sympathisanten der „Bleiberechts“-Aktivisten innerhalb der Behördenapparate selbst sind sowohl Seehofer als auch Sommer ein Dorn im Auge. Die Betreffenden würden aus ihrer Überzeugung, dass ihr persönliches oder kollektives Verständnis von Moral, sofern dieses mit geltendem Recht kollidiere, den Vorzug verdiene.

„Das geben diese auch ganz offen zu“, erklärt Sommer. „Sie sind der Meinung, dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen soll. Da sind dann natürlich die Gemeinsamkeiten auf Basis des geltenden Rechts sehr gering. Wer mit dieser Überzeugung unterwegs ist, versucht dann auch oft, den Staat bei Abschiebungen zu behindern. Dass dieses Vorgehen mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden soll, ist absolut richtig. So etwas darf der Staat nicht hinnehmen.“

Zum Repertoire der Genannten gehöre es unter anderem, Asylbewerber im Vorfeld über den genauen Zeitpunkt geplanter aufenthaltsbeendender Maßnahmen in Kenntnis zu setzen – verbunden mit der Mahnung, sich in dessen Umfeld nicht am gewohnten Aufenthaltsort zu befinden.

Schleuser werben mit Arbeitsvertrags-Regelung

Sogar mutmaßliche Scheinverträge über begonnene Ausbildungen würden angefertigt, um einen Grund zu schaffen, den Ausreisepflichtigen nicht außer Landes zu bringen. Immerhin gebe es eine diesbezügliche Regelung zu Gunsten abgelehnter Asylbewerber, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden. Diese sende jedoch, wie Sommer betont, ein gefährliches Signal ans Ausland:

„Wer arbeitet, darf trotz Ablehnung in Deutschland bleiben. Schleuser machen damit Werbung. Grundsätzlich haben wir es bei Duldungen aber mit ausreisepflichtigen Personen zu tun, die nur deswegen geduldet werden, weil wir sie nicht abschieben können.“

Als 2015 bekannt geworden wäre, dass entsprechende Regelungen im Gesetz stünden, habe es Unterstützer gegeben, die „hausieren gegangen sind, um für ihre Klientel Ausbildungsverträge abzuschließen. Mit dem ausschließlichen Ziel, die Abschiebung zu verhindern.“

Zu den Vereinigungen, die offen zugeben, ausreisepflichtige Asylbewerber vor einer Abschiebung schützen zu wollen, bis die Frist für eine mögliche Aufenthaltsverfestigung verstrichen ist, gehört unter anderem die Gruppe „Bürger*innenasyl“ in Berlin. Diese will, wie einer ihrer Protagonisten vor einigen Wochen gegenüber RBB erklärte, „darauf hinwirken, dass Berlin eine Stadt ohne Abschiebungen wird“.

Per E-Mail würden sich aufnahmewillige Personen bei Initiativen diese Art melden, die einen sich illegal in Deutschland Aufhaltenden bei sich aufnehmen wollen. Beratungsstellen, gleichgesinnte Gruppen oder auch Anwälte, die sich zum Umfeld zählen, wirken an der Vermittlung mit.

Afghanistan sicherer, solange Krieg herrscht?

Auf Solidaritätspartys und bei Demonstrationen sammeln sie Geld, um bei der Finanzierung von Mietkosten oder ÖPNV-Tickets zu helfen. Ziel der Gruppe ist es, ein Bleiberecht zu erzwingen oder zumindest die Ausreisepflichtigen so lange dem Zugriff der Behörden zu entziehen, bis die sechsmonatige Überstellungsfrist gemäß der Dublin-Regelung abgelaufen sei und Deutschland selbst für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wird.

Auch die derzeitigen Bemühungen Seehofers, solche Bemühungen zu unterbinden, und die Aussagen Sommers im „Welt“-Interview haben Kritik von „Pro Asyl“ und den „Flüchtlingsräten“ nach sich gezogen. Ihre Aktionen gegen Abschiebungen seien berechtigt, erklärte Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt gegenüber der gleichen Zeitung. Rund die Hälfte der Asylentscheidungen des BAMF zu Afghanistan würden von den Richtern wieder kassiert, wenn die Gerichte inhaltlich entschieden. „Es ist also mehr als berechtigt, das behördliche Handeln zu kritisieren.“

Dass die USA derzeit versuchten, mit den radikal-islamischen Taliban in Afghanistan Frieden zu schließen, würde die Gefährdungslage dort nicht verringern, sondern sogar vergrößern – insbesondere für „Flüchtlinge, die gegen die Taliban eingestellt sind“. Das Bundesinnenministerium und das ihm unterstellte BAMF gingen, meint Burkhardt, „von einer katastrophalen Fehleinschätzung aus, wenn sie Asylanträge mit Verweis auf angeblich sichere Gebiete ablehnen und Abschiebungen nach Afghanistan forcieren“.

In einer freiheitlichen Demokratie habe die „Zivilgesellschaft“ das Recht, darauf aufmerksam zu machen und „zu Demonstrationen an Flughäfen am Tag der Abschiebung nach Afghanistan zu informieren“. Diese „demokratischen Grundrechte“ mit Mitteln des Strafrechts anzugreifen, wie es Innenminister Seehofer mit seinen Gesetzesplänen vorhat, sei „sehr irritierend.“

Verschärfung soll „Gesellschaften spalten und Helfer diskreditieren“

Die Flüchtlingsräte bestehen in allen 16 Bundesländern. Sie sind Mitglieder von Pro Asyl und stehen auf dem Standpunkt, es sei erforderlich, Betroffenen Schutz vor Abschiebung zu gewähren, weil die Asylverfahren regelmäßig nicht fair genug geführt würden. Was unautorisierte Vorabinformationen an Ausreisepflichtige anbelangt, wäscht Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat seine Hände in Unschuld. Gegenüber der „Welt“ gibt er an:

„Vor einem Großteil der Abschiebungen können wir gar nicht warnen, weil wir die Termine überhaupt nicht kennen – wie etwa bei Abschiebungen nach den Dublin-Regeln.“ Diese sehen vor, dass ein Asylbewerber seinen Antrag in jenem EU-Staat zu stellen habe, in den erst zuerst eingereist sei. In den meisten Fällen ist das nicht Deutschland. Da Deutschland jedoch international den Ruf besonderer Nachsichtigkeit bei der Duldung abgelehnter Asylbewerber bei überdurchschnittlichen Leistungen zum Lebensunterhalt genießt, bemühen sich Asylsuchende regelmäßig um eine zeitnahe Weiterreise.

Dass das Bundesinnenministerium nun die Gesetze verschärfen will, ist aus Sicht Dünnwalds ein Versuch, „die Gesellschaft zu spalten und die Menschen, die Flüchtlinge schützen wollten, zu diskreditieren“.



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