Ballweg-Anwalt Dr. Christ: „Die Anklage verfehlt ihren Zweck“
Dr. Alexander Christ, der Sprecher des Verteidigerteams von Michael Ballweg, hat übers Wochenende die 120 Seiten starke Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter die Lupe genommen. „Drei mal habe ich den Text durchgelesen“, erklärte Christ im Gespräch mit der Epoch Times, „aber es ist nicht wirklich erkennbar, was genau unserem Mandanten konkret vorgeworfen wird“. Der Querdenken-Gründer und IT-Unternehmer Ballweg sitzt seit dem 29. Juni 2022 in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim.
Nun auch Steuerhinterziehung Thema
Christ bestätigte die jüngst erhobenen Anschuldigungen: versuchter Betrug in 9.450 Fällen, versuchte Steuerhinterziehung und Geldwäsche als Versuchsdelikt in vier besonders schweren Fällen. Die Geldwäsche-Vorwürfe sind also – anders als noch vor Kurzem vermeldet – nicht vom Tisch: Lediglich vier von acht mutmaßlichen Verfehlungen wurden fallen gelassen.
Wenn man sich die Zahlen in der Anklageschrift genauer ansehe, passe kaum etwas zusammen, meinte Christ. So sei beispielsweise von 1.269.902,58 Euro die Rede, die Ballweg auf verschiedenen Konten von Schenkern erhalten habe. Dazu noch einmal rund 204.000 Euro an Bareinzahlungen. Belegbar sei, dass Ballweg rund 843.000 Euro für Querdenken-Zwecke ausgegeben habe. Rechne man die Zahlen auf, lande man aber bei einem anderen Betrag als jene „mindestens“ 575.929,84 Euro, die Ballweg laut Anklageschrift für seine privaten Zwecke ausgegeben haben soll. „Die Herleitung dieser Summe ist unklar“, stellte Christ fest.
„Wir rätseln noch, um was genau es geht“
Der Anklagepunkt der „versuchten Geldwäsche“ sei ebenfalls nicht hinreichend klar ausformuliert, denn an anderer Stelle im Text sei von einem „vollendeten“ Delikt die Rede. Auch hier seien Ungereimtheiten über Barabhebungen und -einzahlungen in einem Gesamtvolumen von rund 430.000 Euro in der Anklageschrift aufgetaucht. So fehle beispielsweise eine konkrete tabellarische Aufschlüsselung der Bargeldeinzahlungen, die Ballweg selbst auf verschiedene andere Konten getätigt habe. „Wir rätseln noch, um was genau es geht“, so Christ.
Dass man Ballweg vorwerfe, einen Teil des umgeschichteten Gelds in Kryptowährungen geparkt zu haben, zeuge vom persönlichen Finanzverständnis der Staatsanwältin: Während Michael Ballweg den Banken generell nicht vollends vertraue und Kryptowährungen als gute Alternative sehe, betrachte die Staatsanwältin Kryptos als „hochspekulativ“ und gehe wohl deshalb von einer Verschleierungsabsicht aus. Doch das ist nach Ansicht von Christ nur eine unbewiesene „Mutmaßung“, die keinesfalls für eine so lange U-Haft – und schon gar nicht für ein Urteil ausreiche.
Pflicht zur Steuererklärung aus der Zelle?
„Beim Vorwurf der Steuererklärung wird es endgültig abenteuerlich“, sagte Christ. Konkret beschuldige die Staatsanwaltschaft seinen Mandanten, seine Steuererklärung für das Jahr 2020 nicht bis zum 31. August 2022 abgegeben zu haben. Dabei sei Ballweg ja schon am 29. Juni 2022 in Untersuchungshaft gesteckt worden – ohne die Möglichkeit, seine ausstehenden Steuerangelegenheiten in den folgenden zwei Monaten in Ordnung zu bringen.
Die Staatsanwaltschaft argumentiere nun, sie habe kurz nach Ballwegs Verhaftung ein Steuerverfahren gegen Ballweg eröffnet. Die „Steuerhinterziehung“ sei damit „im Versuchsstadium“ stecken geblieben und zugunsten Ballwegs „nicht vollendet“ worden, laut dem Denkmuster der Staatsanwaltschaft.
Wie viel Steuern Ballweg hinterzogen haben soll, geht laut Christ ebenfalls nicht exakt aus der Anklageschrift hervor. Dort sei zwar von jeweils fünf- bis sechsstelligen Posten bei Einkommensteuer, Gewerbesteuer oder Umsatzsteuer die Rede. Solange Ballweg aber noch keine Steuererklärung eingereicht habe, könne die Gesamtsumme dessen, was Ballweg dem Fiskus eventuell schulde, noch gar nicht feststehen. „Es wird also wieder nicht deutlich, was Ballweg hätte zahlen sollen“, erklärte Christ.
„Wirkt auf mich wie ein persönliches Märchen“
Generell sehe eine klare Herleitung von Tatvorwürfen anders aus, meinte Christ: „Und damit verfehlt die Anklage ihren Zweck“.
Ihm dränge sich vielmehr der Verdacht auf, dass Ballweg einfach alles vorgeworfen werde, was nicht klar und eindeutig belegbar sei. Für ihn sehe das alles „sehr ungewöhnlich“ aus. „Ich lese das so, dass man sich anfangs wohl eine bestimmte Geschichte vorgestellt hat. Und jetzt sucht man nach Mosaiksteinchen, um auf einmal ein ganz anderes Prosawerk zu erzählen. Und zwar so, wie die Staatsanwältin wohl glaubt, dass es schlüssig sein könnte. Auf mich wirkt das Ganze aber wie ein persönliches Märchen.“
Denn es gebe nach wie vor „keine Anhaltspunkte“ für die Schuld Michael Ballwegs. „Dass es so eklatant auseinanderfällt, ist schon erstaunlich“, sagte Christ.
Sein Haupteinwand richte sich allerdings gegen die aktuelle Informationspraxis der Stuttgarter Staatsanwaltschaft: Diese habe von Anfang an „gemauert“ und „so wenig wie möglich“ mitgeteilt, kritisierte Christ. Schon die Ermittlungsakte habe über Art und Höhe der Anschuldigungen nur „rudimentär“ Auskunft geboten. Außerdem sei sie zu spät und in fehlerhafter Form eingereicht worden – auch gegenüber dem Landgericht. Das vorliegende Papier habe dem seinerzeit aktuellen Ermittlungsstand jedenfalls nicht entsprochen. Dies sei sogar aktenkundig.
Wenig Zeit für Vorbereitung
Er habe zudem erst mit der Anklageschrift erfahren, dass nun auch noch der Tatvorwurf der Steuerhinterziehung im Raum stehe. Diesen Text habe er bei seinen Kollegen einsehen müssen, weil ihm kein eigenes Exemplar zugestellt worden sei. Die komplette „Einsicht in die Ermittlungsakte wurde und wird uns verwehrt“, sagte Christ.
Damit verstoße die Staatsanwaltschaft gegen einen allgemein herrschenden Grundsatz bei Strafprozessen, der besage, dass Beschuldigten beziehungsweise Angeklagten und ihrer Verteidigung auch während der Ermittlungsdauer ausreichend Gelegenheit gewährt werden müsse, um sich auf die Verteidigung vorbereiten zu können, so bald konkrete Dinge klar formuliert worden seien.
Landgericht muss über Anklagezulassung entscheiden
Nun rechne er aber „relativ schnell, womöglich noch in dieser Woche“ mit der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart, die Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen oder nicht. Er hoffe ebenso wie Ballweg auf eine schnelle Zulassung und einen nahen Termin für die Verhandlung, „damit Michael Ballweg sich verteidigen kann“, so Christ.
Ein Sprecher des Landgerichts Stuttgart konnte auf Anfrage der Epoch Times noch keine Angaben über den Entscheidungstermin machen, verwies allerdings auf die Homepage der baden-württembergischen Justiz („https://www.mit-recht-in-die-zukunft.de“), auf der „bevorstehende Hauptverhandlungen mit einer Vorlaufzeit von ca. 2 Wochen jeweils aufgeführt werden“.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte gegenüber der Epoch Times auf Anfrage lediglich, dass „die Ermittlungen in dem von Ihnen angefragten Verfahren zwischenzeitlich abgeschlossen“ seien. Zu den Kritikpunkten von Alexander Christ wollte er sich nicht äußern und verwies auf das Landgericht.
2. April: Erneut Haftprüfungstermin
Bis zum Entscheidungstermin wird sich das Ballweg-Verteidigerteam nach Angaben von Christ mit seiner Stellungnahme zur Anklageschrift beschäftigen und auch die nächste Haftprüfungsbeschwerde verfassen: Am 2. April, genau drei Monate nach der jüngsten Haftverlängerungsentscheidung, müsse sich ein Haftrichter noch einmal regulär damit befassen. „Dann, nach neun Monaten U-Haft, wird erneut verlängert – oder Michael Ballweg wird freigelassen“.
Sein Kollege in Ballwegs Verteidigerteam, der Rechtsanwalt Dr. Reinhard Löffler, glaubt nicht an eine Zulassung: „Trotz spektakulär klingender Vorwürfe wird es meiner ersten Einschätzung nach schwierig, diese Anklage am Landgericht durchzubekommen“, sagte Löffler laut „Pleiteticker.de“ noch kurz vor dem Wochenende.
Anhörungsbeschwerde wurde nicht zugelassen
Die sogenannte „Anhörungsbeschwerde“, die das Verteidigerteam auf Anraten des Bundesverfassungsgerichts am 9. März eingereicht hatte, weil Ballweg nach Ansicht seiner Anwälte zu wenig Gelegenheit zur Darlegung seines Standpunktes eingeräumt worden ist, habe das Oberlandesgericht Stuttgart schon am 10. März ohne eine neuere Begründung „lapidar“ zurückgewiesen, erklärte Christ im Gespräch mit der Epoch Times. Auch eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe war gescheitert.
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