Bald zu zweit in einem Krankenhausbett? Massive Kritik an Lauterbachs Krankenhausreform
Ungeachtet zahlreicher Kritik zur Krankenhausreform zeigt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) optimistisch, dass das zentrale Krankenhausfinanzierungsgesetz am 24. April vom Bundeskabinett beschlossen wird. Er sieht sich auf der „Zielgraden“, wie er am Donnerstag, 11. April, nach einem Treffen mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände in Berlin äußerte. Die Umsetzung der geplanten Klinikreform sei im Zeitplan. Lauterbach zufolge soll es einen „geordneten Umbau und Rückbau“ der deutschen Kliniklandschaft geben. „Es ist unstrittig, dass wir deutlich zu viele Krankenhäuser haben“, sagte der SPD-Politiker. Ein dramatisches Krankenhaussterben könne mit der Reform bis 2026 abgewendet werden – so die Theorie.
Doch es gibt auch gegenteilige Meinungen. Der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) engagiert sich seit Jahren im bundesweiten Bündnis Klinikrettung für eine bessere Krankenhausstruktur und weist die Pläne des Ministers scharf zurück. In seinem Newsletter vom 11. April wirft der GiB sogar die Frage auf: „Zu zweit in einem Krankenhausbett?“ Mindestens 360 Kliniken seien durch Lauterbachs Reform in ihrem Bestand bedroht. Bestes Beispiel sei die Klinik in Hersbruck, die trotz Widerstands geschlossen wurde. „Entsprechend wird es in den verbleibenden Häusern bald sehr voll!“, warnt der GiB.
Die Krankenhausreform ziele auf eine systematische Zentralisierung ab und werde den „Krankenhauskahlschlag“ beschleunigen. „Hunderten von Krankenhäusern droht der Entzug von Fachbereichen, die komplette Umwandlung in ein ambulantes Zentrum oder die ersatzlose Schließung“, so der Verein.
Die Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, wie sich die Politik durchsetzt: „Erst versprechen die lokalen Verantwortlichen, dass die medizinische Versorgung nicht schlechter wird und die Notfallversorgung erhalten bleibt. Am Ende schließt dann doch das ganze Haus, und es kommt weit und breit zu keinem Ersatz.“
Kein Ersatz für fehlende Krankenhausbetten
Der GiB hat seit dem Jahr 2020 insgesamt 66 Krankenhausschließungen dokumentiert – nur in 19 Fällen sei das zuvor versprochene Gesundheitszentrum eingerichtet worden, um eine weitere Patientenversorgung zu gewährleisten. Aber auch diese Ersatzeinrichtungen seien ungenügend.
„Vor allem aber gab es bei 77 Prozent der Schließungen für entfallene Betten überhaupt keinen Ersatz. Es wird also dramatisch eng in den verbleibenden Krankenhäusern. Die Warnung aus Hersbruck sollte uns wachrütteln!“, warnt der Verein in seinem Newsletter.
Der ehemalige Klinikvorstand Klaus Emmerich erklärte bereits am 13. März 2023 anlässlich des Krankenhausgipfels der Deutschen Krankenhausgesellschaft:
Jede und jeder hat ein Anrecht auf eine hochwertige klinische Versorgung, einschließlich Notfallversorgung. Die geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach und seiner Regierungskommission verletzt diesen Anspruch elementar.“
Als absehbare Folgen der Reform benennt Emmerich „lange Anfahrzeiten zum nächstgelegenen Krankenhaus, Verlust wohnortnaher klinischer Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Wegfall spezialisierter Behandlungsangebote und vieles mehr“.
„Ländliche Regionen werden zu Gesundheitsregionen zweiter Klasse degradiert. Unser Konzeptpapier stellt eine alternative bundeseinheitliche Krankenhausstruktur vor, die in jeder Region Deutschlands ein Mindestmaß an klinischer Versorgung einschließlich Notfallversorgung sicherstellt“, so Emmerich.
Dass Lauterbach davon spricht, dass Krankenhausschließungen die Gesundheitsversorgung verbessern könnten, dafür hat der GiB kein Verständnis.
Spitzenverbände rechnen mit Lauterbachs Politik ab
Auch vier der führenden Gesundheitsorganisationen rechnen mit Lauterbachs Politik ab. Vor allem die Art und Weise, wie der Minister Politik betreibe und diese kommuniziere, lehne man ab, heißt es in der gesundheitspolitischen Bilanz, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Apothekerverband ABDA am 11. April in Berlin vorstellten. Der Minister sei bislang vor allem durch „größtenteils vage, öffentliche Ankündigungen“ aufgefallen.
Neben „inhaltlichen Schwachpunkten“ bei den Gesetzentwürfen gehe es bei der Kritik auch um „den mangelnden Respekt“, den der Minister der Selbstverwaltung und damit letztlich auch den Patienten entgegenbringe, so die Organisationen. So bezeichne der Minister Organisationen mit gesetzlich festgelegten Aufgaben immer wieder als „Lobbygruppen“ und verweigere Gespräche mit ihnen.
Die Krankenhausstrukturreform sei seitens des Ministeriums „so schlecht gemanagt“ worden, „dass man praktisch von einem Scheitern sprechen muss“, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. Er bescheinigte Lauterbach eine „desaströse Bilanz nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit“.
Laut Andreas Gassen, KBV-Vorstandsvorsitzender, seien fast alle Gesetzentwürfe, die aus dem Bundesgesundheitsministerium kommen, „viel zu kompliziert, nicht zu Ende gedacht und mit kaum absehbaren gewaltigen Folgen“.
Martin Hendges, KZBV-Vorstandsvorsitzender, ergänzte, dass eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, „unter den desaströsen politischen Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten“ sei. Und Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, beklagte, dass sich die Apothekenanzahl seit Jahren im Sinkflug befinde. Patienten müssten immer weitere Wege zu ihrer Apotheke zurücklegen.
Mit Nachdruck habe Lauterbach zu Beginn seiner Amtszeit beispielsweise angekündigt, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben werde. De facto führten seine politischen Entscheidungen aber dazu, dass die Patienten immer weniger Leistungen an weniger Standorten erhalten würden beziehungsweise bereits erhalten, so die Verbände. Sie drohen, die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und die breite Öffentlichkeit verstärkt über die verheerenden Folgen für die rund 84 Millionen Patienten zu informieren, falls ein „Kurswechsel“ ausbleiben sollte.
Level-Krankenhäuser und Online-Atlas
Kernstück von Lauterbachs Reform ist eine stärkere medizinische Spezialisierung. Die Kliniken werden dafür in drei Versorgungsstufen eingeteilt: Level eins für die Basisversorgung im Krankenhaus vor Ort, Level zwei für die Behandlung bestimmter Schwerpunktbereiche und Level drei für die Maximalversorgung etwa bei komplizierten Operationen.
Etwa 1.300 Kliniken sollen laut der Reformvorschläge Einrichtungen des Level 1 werden, so der Verein GiB. „Das heißt, dass sie entweder zu reinen Gesundheitszentren ohne durchgehende ärztliche Versorgung und ohne Notfallversorgung werden (Level 1i) oder dass sie zukünftig nur noch Basisleistungen anbieten (Level 1n), bei denen bei Notfällen wie einem Herzinfarkt oder einem traumatischen Verkehrsunfall keine Erstversorgung vorgesehen ist.“ Demnach sollen Geburten nur noch in den Kliniken mit Level 2 und 3 erfolgen. Die Anzahl der Geburtsstationen würde damit von den ohnehin schon sehr knappen 810 auf nur 428 Einrichtungen sinken.
Teil von Lauterbachs Reform ist auch ein Online-Klinikatlas, über den sich die Bürger über die Qualität der rund 1.700 Krankenhäuser in Deutschland informieren können. Eine erste Version des Portals solle im Mai zur Verfügung stehen, so der Minister. Der Start könne sich allerdings auf Mitte Mai verschieben. Kritiker hingegen sehen in diesem Klinikatlas keinen Mehrwert, denn es gibt bereits ein von der Deutschen Krankenhausgesellschaft betriebenes Online-Verzeichnis, das über www.deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de abrufbar ist.
(Mit Material der Agenturen)
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