Baden-Württemberg: Grüne bieten Sprachunterstützung in Sachen Migration

Mit Baden-Württemberg bröckelt eines der bedeutendsten Hoffnungsgebiete der Grünen. Der Themenkomplex der Migration spielt dabei eine wesentliche Rolle. Nun will man den eigenen Politikern mit Wording-Handreichungen helfen.
Corona-Demonstranten zogen direkt vor sein Wohnhaus: Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Das politische Erbe von Ministerpräsident Winfried Kretschmann könnte in Gefahr geraten. Auch deshalb bemühen sich die Grünen in Baden-Württemberg um realistische Positionen in Sachen Migration.Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Von 30. Oktober 2023

Mit einer Handreichung in Sachen Migration wollen die Grünen in Baden-Württemberg zu einem einheitlichen Wording ihrer Politiker gegenüber Journalisten beitragen. Unter der Beifügung „Eilt“ hat die Landtagsfraktion Mitte Oktober ein Papier an alle Mitglieder verschickt. Darin kommen auf vier Seiten mögliche Antworten zur Sprache, die Journalisten in Zeitungs- oder TV-Interviews auf kritische Fragen gegeben werden könnten.

Wie die „Welt“ berichtet, soll der Impuls zur Erarbeitung der Handreichungen von den Abgeordneten selbst ausgegangen sein. Ein Sprecher der Fraktion erklärte dazu, es handele sich um ein Angebot an die Abgeordneten. Eine verbindliche Sprachregelung sei nicht bezweckt.

Nur mit Stimmen des eigenen Milieus kein Ministerpräsident der Grünen in Baden-Württemberg

Im Ländle wird erst im Jahr 2026 ein neuer Landtag gewählt. Aktuelle Umfragen lassen für die Grünen allerdings auch dort ein katastrophales Ergebnis befürchten. Ohne das Aushängeschild Winfried Kretschmann, der für keine weitere Amtszeit als Ministerpräsident mehr antreten will, droht ein Absturz. Ein wesentlicher Grund dafür ist auch hier das Thema der Migration.

Im wohlhabenden Besitzbürgertum, aus dem sich die meisten Wähler der Grünen rekrutieren, ist die Problemwahrnehmung im Kontext der Einwanderung traditionell gering. Die Stimmen des eigenen Milieus sichern der Partei bundesweit ein zweistelliges Ergebnis. In Baden-Württemberg müssen die Grünen, wollen sie ihre Führungsrolle bewahren, jedoch über dieses hinaus wirken können.

Diskurs über Migration deutlich nach rechts verschoben

Innerhalb der Partei selbst ist der jüngste Kurs der Partei nicht unumstritten. Im Frühsommer hatten die „Grüne Jugend“ und einige Parteifunktionäre Kritik an der Zustimmung der Ampel zu Teilen des EU-Asylpakts geübt. Nun kündigt Bundeskanzler Olaf Scholz ein „Rückführungspaket“ an – und Alt-Minister Jürgen Trittin spricht von einem „Konjunkturprogramm für Rassismus und Rechtsradikale“.

Darob angekündigte innerparteiliche Revolutionen fanden jedoch nicht statt. Auch deshalb geht es der Partei nun darum, die überzeugten Anhänger nicht zu desillusionieren, aber gleichzeitig in der Mitte anschlussfähig zu bleiben. Und diese hat sich, wie ein jüngst veröffentlichter „Tagesthemen“-Kommentar zeigt, in dieser Frage deutlich nach rechts verschoben.

Grüne haben „für Anliegen der Menschen vollstes Verständnis“

Entsprechend fällt auch die Argumentation in der Handreichung aus. Sie betrifft den Umgang mit Journalisten, aber auch jenen mit Vertretern überforderter Kommunen oder mit besorgten Bürgern. Inhaltlich geht es um Fragen wie Abschiebungen, Grenzkontrollen oder die Asylpolitik der EU.

Gleichsam als Motto steht an der Spitze der Antwortangebote der Satz:

Für die Anliegen der Menschen habe ich vollstes Verständnis.“

Die Rede ist weiter von „massiven Herausforderungen“, die sich angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen auf dem Wohnungsmarkt und an Schulen zeigten.

Es fallen aus den Reihen der Grünen bislang ungewohnte Begriffe wie „Belastungsgrenze“, „Begrenzung“ oder „irreguläre Migration“. Sogar Sätze, die bislang eher im Unions- oder AfD-Umfeld vermutet wurden, finden sich in der Handreichung. So heißt es etwa:

Wer kein Asyl erhält oder sein Asylrecht verwirkt, der muss zurück in sein Heimatland.“

Steuerung der Migration „nie zu 100 Prozent möglich“

Es wird nicht mehr lediglich Hoffnung auf mehr Geld für die Kommunen oder auf eine EU-weite Verteilungslösung gemacht. Stattdessen will man „Humanität und Ordnung“ in der Asylpolitik zusammenbringen. Dazu heißt es:

Wer in Not ist, sollte bleiben dürfen. Wer nicht, muss zurück.“

Gleichzeitig macht man aufseiten der grünen Landtagsfraktion deutlich, dass mehr Möglichkeiten der legalen Zuwanderung einen Weg darstellten, um irreguläre zu bremsen. Dies sei insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels zu beachten.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zu Positionen von rechts besteht auch im Eingeständnis, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates in diesem Bereich Grenzen haben. Ein Satz, der sich im Papier ebenfalls findet, lautet:

Ich will ehrlich sein: Die Steuerung der Migration hat der Staat nie zu 100 Prozent in der Hand.“



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