Bad Essen: Mit dem Taxi zur Arbeit – Amt zahlt Syrer 1.300 Euro pro Monat – 15 km Landstraße mit Fahrrad unzumutbar?
Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ kommentiert: „Das kennt man sonst nur von Topmanagern, deren Dienstwagen zur Reparatur ist.“
Doch worum geht es: Die Jobvermittlung des Landkreises Osnabrück zahlt einem syrischen Flüchtling aus Bad Essen die Fahrtkosten zum vermittelten Vollzeitjob. Seit dem 29. Mai fährt der Mann die Strecke von rund 15 Kilometern von seiner Unterkunft bis zur Firma in Ostercappeln-Venne mit dem Taxi.
Monatlich kommen so bis zu 1.300 Euro zusammen, wie Kimberly Lübbersmann, Sprecherin des Bereichs Wirtschaft und Arbeit des Landkreis Osnabrück auf Anfrage der „NOZ“ mitteilte.
Eine Frage der Zumutbarkeit
Die Maßarbeit (kommunale Arbeitsvermittlung des Landkreises) prüfe bei der Arbeitsaufnahme jedes Bewerbers, ob eine Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder einem Fahrrad „zumutbar“ sei. Habe ein Bewerber keinen Führerschein oder gebe es keine „zumutbare“ Busanbindung, werde auch eine kurzfristige Taxinutzung in Erwägung gezogen.
Da er in einem Drei-Schicht-Rotationssystem eingesetzt wird und die Zeiten nur unzureichend mit den öffentlichen Verkehrsmitteln abgedeckt werden, wird für die ersten drei Monate die Beförderung durch ein Taxiunternehmen sichergestellt.“
(Kinberly Lübbersmann, Landkreis Osnabrück)
Schlechte Busverbindung
Konkret arbeite der Mann in den Zeiten von 5 bis 13 Uhr zur Frühschicht, 13 bis 21 Uhr in der Spätschicht und zur Nachtschicht von 21 bis 5 Uhr.
Die Busse von Bad Essen nach Venne fahren in der Gegend in etwa zwischen 5.30 Uhr und 20.30 Uhr. Die Hinfahrt der Frühschicht, die Rückfahrt der Spätschicht und die gesamte Nachtschicht dürften damit nicht realisierbar sein.
Was bleibt: Sich mit Kollegen arrangieren und Führerschein machen. Bis dahin muss der Mann mit dem Bus, bzw. wenn dieser nicht mehr oder noch nicht fährt, mit dem Taxi fahren.
Radfahren zumutbar?
Eine weitere Option wäre das Fahrrad. Eine Fahrradfahrt auf dieser 15-Kilometer-Strecke ist in unter einer Stunde zu leisten und verläuft prinzipiell immer geradeaus über die B65 und die B218.
Ist das zumutbar? Vielleicht, vielleicht nicht. Jedoch ist es möglich, wie ein tragisches Beispiel der letzten Tage zeigt.
In der Dienstagnacht gegen 23 Uhr verunglückte in Berlin ein Fahrradfahrer, als er mit seinem Rad gegen die plötzlich geöffnete Fahrertür eines im absoluten Halteverbot und auf dem Radweg parkenden Porsche Cayenne eines saudi-arabischen Diplomat prallte. Am Mittwochmittag stirbt der Mann im Krankenhaus.
Der 55-Jährige war auf dem Heimweg von der Spätschicht. 25 Jahre lang war er die Strecke fast täglich gefahren, 14 Kilometer hin, 14 Kilometer zurück, so die „B.Z.“ zu dem tragischen Fall.
Doch was zumutbar sei, darauf wolle sich die Jobvermittlung nicht genau festlegen. Dies werde im Einzelfall entschieden. Kriterien dafür seien die Entfernung zum Arbeitsplatz, Arbeitszeiten, gesundheitliche Einschränkungen und Betreuungsnotwendigkeiten für Kinder oder zu pflegende Angehörige.
Eine Strecke von fünf bis sechs Kilometer sei mit dem Fahrrad noch gut zu bewältigen und einem gesunden Bewerber könne auch ein Fußweg von drei Kilometern zugemutet werden, so die Landkreis-Sprecherin. Jedoch gebe es keine grundsätzliche Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, die vorliegen müsse, um einen Taxitransport des Bewerbers zu finanzieren. Ebenso gebe es keine finanzielle Obergrenze für eine solche Finanzierung.
Führerschein folgt, Amt zahlt
Weiter heißt es, dass der Flüchtling in der Anfangszeit des neuen Jobs die Möglichkeit habe, einen Führerschein zu machen, sich bei den Kollegen um eine Mitfahrgelegenheit zu kümmern oder eine sonstige Transportmöglichkeit zu organisieren, so Lübbersmann. Die Maßarbeit übernehme auch die Kosten von bis zu 1.800 Euro für den Führerschein.
Unser vorrangiges Ziel ist es, Menschen in Arbeit zu bringen und dauerhaft unabhängig von Sozialleistungen zu machen.“
(Kimberly Lübbersmann)
Da Flüchtlinge besonders motiviert seien, fänden sie vor allem in handwerklichen Betrieben gut Anschluss.
Die Maßarbeit übernehme noch zwei weitere Fälle von Taxifahrten zur Arbeit, darunter für einen weiteren Flüchtling.
Regelung für Hinz und Kunz
Wie das Blatt im Kommentar erläutert, hätten dieses Privileg jedoch nicht einmal Arbeitslosengeldempfänger, die jahrelang eingezahlt hätten. Der Pressestelle der Agentur für Arbeit nach würden diese zu Beginn der Arbeitsaufnahme lediglich eine Pauschale von 200 Euro monatlich für Pendelkosten bekommen, wenn die Entfernung zwischen Arbeit und Wohnung wenigstens 50 Kilometer betrage.
In der Regel werden Taxifahrten zum Arbeitsort von den Jobcentern aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht übernommen.“
(Bundesagentur für Arbeit)
Über die Sinnhaftigkeit einer solchen Taxi-Finanzierung kann gestritten werden. Der eingangs erwähnte Kommentar der „NOZ“ endet mit dem Satz: „Ob es sich im Osnabrücker Land um Einzelfälle von Integration mit der Geldschaufel handelt oder ob dieses Vorgehen Usus wird, muss beobachtet werden.“
Soviel dazu.
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