„Autofreies Hannover“ war zu viel: SPD kündigt Koalition mit Grünen auf
Werden die Grünen „immer einsamer“, wie es die ihnen nahestehende taz in einer Überschrift andeutet? In Hannover war offenbar nicht nur Oberbürgermeister Belit Onay überrascht, als die SPD am Montag, 27. November, das Ende ihrer Koalition mit seiner Partei in der Landeshauptstadt verkündet hat.
Gegenüber der „Tagesschau“ äußert er, dies sei „überraschend und ohne Not geschehen“. Man habe „in vielen Themen gut zusammengearbeitet“. Allerdings habe es Differenzen rund um das „Mobilitätskonzept“ gegeben, das Onay erst im September vorgestellt hatte.
Onay will an „Mobilitätswende“ für Hannover festhalten
Der OB hatte damals angekündigt, die Innenstadt von Hannover bis 2030 „nahezu autofrei“ machen zu wollen. Es solle „kein Auto zu viel in der Stadt“ sein. Zwar solle es noch die privaten Anwohnerparkplätze geben sowie Taxis und Lieferverkehr. Diese müssten sich jedoch ebenfalls auf „möglichst überall Tempo 20 oder maximal Tempo 30“ einstellen. Auch sollen Fahrstreifen zugunsten von Rad- und Fußgängerwegen zurückgebaut werden.
Onay meinte, es sei am Ende nur noch um formale Fragen gegangen. Darüber hinaus hätte man viele Differenzen mit den Sozialdemokraten zu diesem Thema ausräumen können. An der „Mobilitätswende“ für die Innenstadt wolle er jedenfalls festhalten, so der OB. Über Einzelprojekte gebe es bereits Konsens, auch die Verwaltung bleibe handlungsfähig.
SPD spricht von „Lähmung der Stadtpolitik“
Bei der SPD klingt das etwas anders. Dort betonten gleich mehrere Spitzenpolitiker, es habe in mehreren Bereichen Verwerfungen gegeben. Die Rede war von „ideologischer Starrheit“, mit der die Grünen ihr Verkehrskonzept verfochten hätten. Bereits Anfang des Jahres hatte OB Onay gemeint, Hannover zum Vorbild für andere Städte machen zu müssen – durch einen Deal mit der radikalen Klimagruppe „Letzte Generation“. Schon damals hatte es aus der SPD geheißen, die Politik dürfe sich „nicht erpressbar machen“.
Darüber hinaus habe die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition auch noch in weiteren Bereichen nicht funktioniert. Fraktionschef Lars Kelich sprach von einer bereits seit Wochen andauernden „Lähmung der Stadtpolitik“.
Hannovers SPD-Chef Adis Ahmetovic begründete das Aus für die Koalition mit einem erforderlichen „Neustart der Kommunalpolitik“. OB Onay habe den Koalitionspartner zu spät über seine Pläne in Sachen Verkehrspolitik informiert. Er habe weder Bürger noch Wirtschafts- oder Sozialverbände in seine Pläne einbezogen. Auch in Sachen Olympia-Bewerbung sei der OB jüngst ohne Rücksprache vorgeprescht.
„Zu keinem Zeitpunkt ein Finanzkonzept“
Künftig wird es wechselnde Mehrheiten im Stadtrat geben. Die SPD will dabei ein punktuelles Zusammenwirken mit den Grünen nicht ausschließen. Immerhin sei man „nicht im Groll“ voneinander geschieden.
Ahmetovic erklärte gegenüber „t-online“, seine Partei habe das Konzept der autofreien Innenstadt nicht rundweg abgelehnt. Allerdings habe ihm „zu keinem Zeitpunkt ein Finanz- und Ausgabenkonzept“ vorgelegen.
Onay möchte schon in Kürze die Fraktionsspitzen des Stadtrats einbestellen, um im Vorfeld der nächsten Ratssitzung das weitere Vorgehen zu besprechen. Es gelte nun, „die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Rates schnellstmöglich sicherzustellen“. Dazu wollen sowohl der OB als auch die Sozialdemokraten „alle demokratischen Kräfte im Rat“ ansprechen.
Arbeitgeber in Hannover begrüßen Entscheidung der SPD
Im 64-köpfigen Stadtrat verfügen Grüne und SPD jeweils über 18 Sitze, die CDU kommt auf 13. Linke und FDP sind mit jeweils vier Stadträten vertreten, auf je einen Sitz kommen Piraten, Volt und PARTEI. Die AfD verfügt über drei Sitze. Die islamkritische Wählergruppe „Die Hannoveraner“ ist mit einem gewählten Mitglied im Stadtparlament vertreten.
Der Hauptgeschäftsführer der Allgemeinen Arbeitgebervereinigung (AGV) Hannover und Umgebung, Volker Schmidt, begrüßte den Schritt der SPD. Ihre Entscheidung sei „an den Interessen der Zukunft ausgerichtet“, erklärte er gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“. „Das Ansehen der Stadt hat genug Schaden genommen.“
Jetzt gebe es bei der Innenstadtentwicklung die Chance auf einen verkehrspolitischen Neuanfang, der „die Interessen des Handels, der Industrie und der Beschäftigten“ berücksichtige.
(Mit Material der dpa)
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