Aus für den Verbrennungsmotor? Kritik von Verbänden, IG Metall und FDP

Die EU will den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Der Verband der Automobilindustrie kritisiert dies - und will synthetische Kraftstoffe in die Klima-Strategie einbeziehen. Auch die FDP lehnt die Entscheidung der EU ab.
Neuwagen mit Verbrennermotor soll es in der EU nach Willen des EU-Parlaments künftig nicht mehr geben.
Neuwagen mit Verbrennermotor soll es in der EU nach dem EU-Parlament künftig nicht mehr geben.Foto: Stefan Puchner/dpa
Epoch Times9. Juni 2022

Die Europäische Union hätte nach Ansicht des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auch synthetische Kraftstoffe in ihre Klima-Strategie einbeziehen sollen.

Diese Kraftstoffe seien wichtig, damit die Autos, die bereits auf dem Markt sind, weniger klimaschädlich betrieben werden könnten, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin. „Wir haben derzeit rund 280 Millionen Verbrennungs-Pkw. Das heißt Klima-Neutralität schaffen wir nicht, wenn wir nicht zum Beispiel auch die Bestands-Autos über synthetische Kraftstoffe einbeziehen.“ Diese Entscheidung fehle aber in den aktuellen Beschlüssen der Europäischen Union.

Im Kampf für mehr Klimaschutz hatte das EU-Parlament am Mittwochabend beschlossen, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten. Die Abgeordneten sprachen sich auch dafür aus, dass klimafreundliche synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO₂-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden.

ACEA kritisiert Entscheidung des EU-Parlaments

Der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) hat die Forderung des EU-Parlaments nach einem Zulassungsverbot für Benzin- und Dieselautos ab 2035 kritisiert. Der ACEA-Präsident und BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse sagte: „Angesichts der Volatilität und Unsicherheit, die wir Tag für Tag weltweit erleben, ist jede langfristige Regulierung, die über dieses Jahrzehnt hinausgeht, in diesem frühen Stadium verfrüht.“

Auf halbem Weg müsse noch einmal überprüft werden, „ob der Aufbau von Ladeinfrastruktur und die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Batterieproduktion mit dem zu diesem Zeitpunkt weiter steilen Hochlauf von batterieelektrischen Fahrzeugen mithalten können.“ Erst wenn das sichergestellt sei, sollten die Ziele für die Zeit nach 2030 festgelegt werden.

ACEA fordert Rücksichtnahme

Der Verband sei besorgt darüber, dass die Abgeordneten das Ausstiegsdatum 2035 in Stein gemeißelt festlegen wollten. ACEA forderte die EU-Minister „nachdrücklich auf, alle Unsicherheiten zu berücksichtigen, mit denen die Industrie konfrontiert ist, während sie sich auf einen massiven industriellen Wandel vorbereitet“.

ACEA begrüßte, dass das Parlament den Vorschlag der EU-Kommission für die Ziele für 2025 und 2030 beibehalte. Diese Ziele seien schon jetzt sehr anspruchsvoll und nur mit einem massiven Ausbau der Lade- und Betankungsinfrastruktur erreichbar, warnte der Verband. Die europäische Autoindustrie bringe ständig neue Elektrofahrzeuge auf den Markt und treibe den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität voran, sagte Zipse. Die Transformation hänge jedoch von vielen äußeren Faktoren ab, die nicht vollständig in ihrer Hand lägen.

Umweltbundesamt begrüßt EU-Beschluss

Das Umweltbundesamt erachtet den Beschluss hingegen als wichtig, um Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen zu können. Falls nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotor auf den Markt gebracht würden, könne bis 2045 die Klimaneutralität nicht geschafft werden, sagte Präsident Dirk Messner. Ein Verkaufsverbot ab 2035 löse Innovationsdynamiken in der Automobilindustrie aus.

„Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden schon vor 2035 keine Verbrennermotoren auf dem Markt mehr sehen, weil jetzt ist das Ende des Verbrennungsmotors eingeleitet und Automobilunternehmen werden sich jetzt darauf konzentrieren, die Zukunft zu bedienen und sich auf die Zukunft zu orientieren“, sagte Messner. „Und das ist die Elektromobilität.“

IG Metall macht auf Beschäftigte aufmerksam

Die Gewerkschaft IG Metall pocht bei einem möglichen Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 auf Unterstützung für betroffene Mitarbeiter in der Autoindustrie. „Alle Beschäftigten brauchen eine Perspektive“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Das alles müsse nun in den anstehenden Verhandlungen ins Zentrum rücken.

„Die Abstimmung zum Verbrenner-Aus ist eine Selbstverpflichtung der Politik auf allen Ebenen“, so Hofmann. „Sie muss jetzt mit Hochdruck die Rahmenbedingungen schaffen, damit dieses Ziel erreichbar ist. Wir brauchen einen europaweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur und der erneuerbaren Energien, eine Lösung der Lieferketten- und Rohstoffprobleme der Elektromobilität, umfangreiche politische Unterstützung beim Umbau der Industrie sowie beim Aufbau neuer Wertschöpfung und Beschäftigung.“

FDP lehnt Aus für Verbrennungsmotoren ab

Die FDP lehnt ein Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 ab. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, die Entscheidung des EU-Parlaments zum Verbrennungsmotor „findet nicht unsere Zustimmung. Das Aus bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger einen harten Schritt.“

Am Verbrennungsmotor hingen viele Arbeitsplätze. „Wir wollen, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind. Eine Zulassung von klimaneutralen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor entspricht dem wichtigen Prinzip der Technologieoffenheit.“

Zwist in der Koalition?

Das steht im Kontrast zu dem, was Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) noch im März in Brüssel gesagt hatte. Sie hatte sich im Namen der Bundesregierung ausdrücklich hinter die im vergangenen Jahr verschärften Klimaziele der EU-Kommission gestellt. Das bedeute, mit Verbrennermotoren bei Pkw und Transportern bis 2035 abzuschließen, sagte sie vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen.

Zudem teilte sie mit: „Mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren sind nach 2035 nur außerhalb der CO₂-Flottengrenzwerte eine Option.“ Die Flottengrenzwerte besagen, wie viel CO₂ die von Herstellern neu gebauten Autos und Transporter ausstoßen dürfen.

FDP-Fraktionschef: Gehe nicht davon aus, dass es zu Verbot kommt

Der Fraktionschef der Liberalen im Bundestag, Christian Dürr, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Ich gehe nicht davon aus, dass es zu einem Verbot von Verbrennungsmotoren kommt. Neben dem Europäischen Parlament müssen auch die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Die knappe Entscheidung des EU-Parlamentes würde uns beim Klimaschutz nach hinten werfen, da ein Weg zur Klimaneutralität – nämlich der Einsatz synthetischer Kraftstoffe – verschlossen würde.“

Das widerspreche dem, was SPD, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag vereinbart hätten. „Wir müssen offen für neue Technologien bleiben, sonst schaden wir unserem Land und dem Klima“, so Dürr. „Die Bundesregierung sollte bei den anstehenden Beratungen Änderungen anstreben, andernfalls ist eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.“

Die Bundesregierung muss nach Ansicht von Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf Änderungen am diskutierten Neuzulassungsverbot dringen. Der Beschluss des Europäischen Parlaments widerspreche dem Geist des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wollten ausdrücklich eine Zukunftsoption für klimafreundliche Flüssigkraftstoffe in neuen Verbrennungsmotoren.“ Deshalb müsse die gesamte Bundesregierung nun „Änderungen für Technologieoffenheit anstreben“. Sonst sei eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.

Lindner betonte, Deutschland werde gewiss Leitmarkt für E-Mobilität sein. In vielen anderen Ländern werde der Verbrenner aber noch lange eingesetzt werden. „Im Interesse von tausenden Arbeitsplätzen dürfen wir uns davon nicht abkoppeln lassen“, mahnte er.

Abstimmung im EU-Parlament

Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss das Parlament noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln. (dpa/mf)



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